Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite

sich darmit zue ärgern/ vnsere sprache auch ohne diß in solche
enge der wörter wie die Frantzösische nicht kan gebracht wer-
den/ mussen vnd können wir sie an statt der heroischen verse gar
wol behalten: inmassen dann auch die Niederländer zue thun
pflegen.

Der weibliche verß hat dreyzehen/ der männliche zwölff syl-
ben; wie der ia mbus trimcter. Es muß aber allezeit die sechste
sylbe eine caesur oder abschritt haben/ vnd masculinae rermi-
nationis,
das ist/ entweder ein einsylbig wort sein/ oder den ac-
cent
in der letzten sylben haben; wie auch ein vornemer Mann/
der des Herren von Bartas Wochen in vnsere sprache vbersetzt
hat/ erinnert Zum exempel sey diejes:

Dich hette Jupiter/ nicht Paris/ jhm erkohren/
Vnd würd auch jetzt ein Schwan wann dich kein
schwan gebohren/
Du heissest Helena/ vnd bist auch so geziehrt/
Vnd werest du nicht keusch/ du würdest auch
entführt.

Hier sind die ersten zweene verß weibliche/ die andern zweene
männliche: Denn mann dem weiblichen in diesem genere car-
minis
gemeiniglich die oberstelle leßt; wiewol auch etliche von
den männlichen anfangen.

Bey dieser gelegenheit ist zue erinnern/ das die caesur der
sechsten syllben/ sich weder mit dem ende jhres eigenen verses/
noch des vorgehenden oder nachfolgenden reimen soll; oder kürtz-
lich; es sol kein reim gemacht werden/ als da wo er hin gehöret: als:

Ein guet gewissen fragt nach bösen mäulern nicht/
Weil seiner tugend liecht so klar hereiner bricht
Als wie Aurora selbst/ etc.

Dann solches stehet eben so vbel als die reimen der lateini-

schen
G iij

ſich darmit zue aͤrgern/ vnſere ſprache auch ohne diß in ſolche
enge der woͤrter wie die Frantzoͤſiſche nicht kan gebracht wer-
den/ muſſen vnd koͤnnen wir ſie an ſtatt der heroiſchen verſe gar
wol behalten: inmaſſen dann auch die Niederlaͤnder zue thun
pflegen.

Der weibliche verß hat dreyzehen/ der maͤnnliche zwoͤlff ſyl-
ben; wie der ia mbus trimcter. Es muß aber allezeit die ſechſte
ſylbe eine cæſur oder abſchritt haben/ vnd maſculinæ rermi-
nationis,
das iſt/ entweder ein einſylbig wort ſein/ oder den ac-
cent
in der letzten ſylben haben; wie auch ein vornemer Mann/
der des Herren von Bartas Wochen in vnſere ſprache vberſetzt
hat/ erinnert Zum exempel ſey diejes:

Dich hette Jupiter/ nicht Paris/ jhm erkohren/
Vnd wuͤrd auch jetzt ein Schwan wann dich kein
ſchwan gebohren/
Du heiſſeſt Helena/ vnd biſt auch ſo geziehrt/
Vnd wereſt du nicht keuſch/ du wuͤrdeſt auch
entfuͤhrt.

Hier ſind die erſten zweene verß weibliche/ die andern zweene
maͤnnliche: Denn mann dem weiblichen in dieſem genere car-
minis
gemeiniglich die oberſtelle leßt; wiewol auch etliche von
den maͤnnlichen anfangen.

Bey dieſer gelegenheit iſt zue erinnern/ das die cæſur der
ſechſten ſyllben/ ſich weder mit dem ende jhres eigenen verſes/
noch des vorgehenden oder nachfolgenden reimen ſoll; oder kuͤrtz-
lich; es ſol kein reim gemacht weꝛdẽ/ als da wo er hin gehoͤret: als:

Ein guet gewiſſen fragt nach boͤſen maͤulern nicht/
Weil ſeiner tugend liecht ſo klar hereiner bricht
Als wie Aurora ſelbſt/ ꝛc.

Dann ſolches ſtehet eben ſo vbel als die reimen der lateini-

ſchen
G iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059"/>
&#x017F;ich darmit zue a&#x0364;rgern/ vn&#x017F;ere &#x017F;prache auch ohne diß in &#x017F;olche<lb/>
enge der wo&#x0364;rter wie die Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che nicht kan gebracht wer-<lb/>
den/ mu&#x017F;&#x017F;en vnd ko&#x0364;nnen wir &#x017F;ie an &#x017F;tatt der heroi&#x017F;chen ver&#x017F;e gar<lb/>
wol behalten: inma&#x017F;&#x017F;en dann auch die Niederla&#x0364;nder zue thun<lb/>
pflegen.</p><lb/>
        <p>Der weibliche verß hat dreyzehen/ der ma&#x0364;nnliche zwo&#x0364;lff &#x017F;yl-<lb/>
ben; wie der <hi rendition="#aq">ia mbus trimcter.</hi> Es muß aber allezeit die &#x017F;ech&#x017F;te<lb/>
&#x017F;ylbe eine <hi rendition="#aq">&#x017F;ur</hi> oder ab&#x017F;chritt haben/ vnd <hi rendition="#aq">ma&#x017F;culinæ rermi-<lb/>
nationis,</hi> das i&#x017F;t/ entweder ein ein&#x017F;ylbig wort &#x017F;ein/ oder den <hi rendition="#aq">ac-<lb/>
cent</hi> in der letzten &#x017F;ylben haben; wie auch ein vornemer Mann/<lb/>
der des Herren von Bartas Wochen in vn&#x017F;ere &#x017F;prache vber&#x017F;etzt<lb/>
hat/ erinnert Zum exempel &#x017F;ey diejes:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">Dich hette Jupiter/ nicht Paris/ jhm erkohren/</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Vnd wu&#x0364;rd auch jetzt ein Schwan wann dich kein</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">&#x017F;chwan gebohren/</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Du hei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t Helena/ vnd bi&#x017F;t auch &#x017F;o geziehrt/</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Vnd were&#x017F;t du nicht keu&#x017F;ch/ du wu&#x0364;rde&#x017F;t auch</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">entfu&#x0364;hrt.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Hier &#x017F;ind die er&#x017F;ten zweene verß weibliche/ die andern zweene<lb/>
ma&#x0364;nnliche: Denn mann dem weiblichen in die&#x017F;em <hi rendition="#aq">genere car-<lb/>
minis</hi> gemeiniglich die ober&#x017F;telle leßt; wiewol auch etliche von<lb/>
den ma&#x0364;nnlichen anfangen.</p><lb/>
        <p>Bey die&#x017F;er gelegenheit i&#x017F;t zue erinnern/ das die <hi rendition="#aq">&#x017F;ur</hi> der<lb/>
&#x017F;ech&#x017F;ten &#x017F;yllben/ &#x017F;ich weder mit dem ende jhres eigenen ver&#x017F;es/<lb/>
noch des vorgehenden oder nachfolgenden reimen &#x017F;oll; oder ku&#x0364;rtz-<lb/>
lich; es &#x017F;ol kein reim gemacht we&#xA75B;de&#x0303;/ als da wo er hin geho&#x0364;ret: als:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">Ein guet gewi&#x017F;&#x017F;en fragt nach bo&#x0364;&#x017F;en ma&#x0364;ulern nicht/</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Weil &#x017F;einer tugend liecht &#x017F;o klar hereiner bricht</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Als wie Aurora &#x017F;elb&#x017F;t/ &#xA75B;c.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Dann &#x017F;olches &#x017F;tehet eben &#x017F;o vbel als die reimen der lateini-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G iij</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] ſich darmit zue aͤrgern/ vnſere ſprache auch ohne diß in ſolche enge der woͤrter wie die Frantzoͤſiſche nicht kan gebracht wer- den/ muſſen vnd koͤnnen wir ſie an ſtatt der heroiſchen verſe gar wol behalten: inmaſſen dann auch die Niederlaͤnder zue thun pflegen. Der weibliche verß hat dreyzehen/ der maͤnnliche zwoͤlff ſyl- ben; wie der ia mbus trimcter. Es muß aber allezeit die ſechſte ſylbe eine cæſur oder abſchritt haben/ vnd maſculinæ rermi- nationis, das iſt/ entweder ein einſylbig wort ſein/ oder den ac- cent in der letzten ſylben haben; wie auch ein vornemer Mann/ der des Herren von Bartas Wochen in vnſere ſprache vberſetzt hat/ erinnert Zum exempel ſey diejes: Dich hette Jupiter/ nicht Paris/ jhm erkohren/ Vnd wuͤrd auch jetzt ein Schwan wann dich kein ſchwan gebohren/ Du heiſſeſt Helena/ vnd biſt auch ſo geziehrt/ Vnd wereſt du nicht keuſch/ du wuͤrdeſt auch entfuͤhrt. Hier ſind die erſten zweene verß weibliche/ die andern zweene maͤnnliche: Denn mann dem weiblichen in dieſem genere car- minis gemeiniglich die oberſtelle leßt; wiewol auch etliche von den maͤnnlichen anfangen. Bey dieſer gelegenheit iſt zue erinnern/ das die cæſur der ſechſten ſyllben/ ſich weder mit dem ende jhres eigenen verſes/ noch des vorgehenden oder nachfolgenden reimen ſoll; oder kuͤrtz- lich; es ſol kein reim gemacht weꝛdẽ/ als da wo er hin gehoͤret: als: Ein guet gewiſſen fragt nach boͤſen maͤulern nicht/ Weil ſeiner tugend liecht ſo klar hereiner bricht Als wie Aurora ſelbſt/ ꝛc. Dann ſolches ſtehet eben ſo vbel als die reimen der lateini- ſchen G iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/59
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/59>, abgerufen am 03.05.2024.