Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen einen fröhlichen Empfang verheißen -- wenn der
Amtmann die Zusammenkunft erlaube. Der Amtmann
hat erst die Sache ein paar Tage in Erwägung gezogen
und sie dann erlaubt unter der Bedingung, daß der Rich-
ter für Ruhe und Ordnung auf dem Dorfe stehe und
daß eben nur geturnt würde und nicht, wie der Aus-
druck hieß: aufrührerische Reden gehalten. Der Richter
nahm lachend diese Verantwortung auf sich. Die Amts-
hauptmannschaft aber sorgte für einige Gensdarmen, die
an diesem Tag auf dem Dorf gegenwärtig sein sollten.

Johannes lächelte über derartige Vorbereitungen.

Der Pfarrer aber war sehr bedenklich, wie man ihm
von dem ganzen Plan sagte. Er hatte in der letzten
Zeit Johannes still gewähren lassen, jetzt aber hielt er es
für seine Pflicht, noch einmal ein ernstes Wort mit ihm
zu reden -- solch ein Erntefest werde nicht gut endigen, er
möge doch nicht so viel wagen und da er einmal über
diese Leute Alles vermöge, auch bewerkstelligen, daß diese
Turnfahrt, in deren Geleit gewiß für ihn wie für das
ganze Dorf Gefahr sei, unterbleibe.

Johannes antwortete ruhig -- und er redete ernst
wie immer die Wahrheit: "Sie wissen, daß ich niemals
gelogen habe -- ja eben, daß ich immer und überall
rücksichtslos die Wahrheit rede, macht man mir zum
Vorwurf, ich habe daher nicht erst nöthig, Alles was

ihnen einen froͤhlichen Empfang verheißen — wenn der
Amtmann die Zuſammenkunft erlaube. Der Amtmann
hat erſt die Sache ein paar Tage in Erwaͤgung gezogen
und ſie dann erlaubt unter der Bedingung, daß der Rich-
ter fuͤr Ruhe und Ordnung auf dem Dorfe ſtehe und
daß eben nur geturnt wuͤrde und nicht, wie der Aus-
druck hieß: aufruͤhreriſche Reden gehalten. Der Richter
nahm lachend dieſe Verantwortung auf ſich. Die Amts-
hauptmannſchaft aber ſorgte fuͤr einige Gensdarmen, die
an dieſem Tag auf dem Dorf gegenwaͤrtig ſein ſollten.

Johannes laͤchelte uͤber derartige Vorbereitungen.

Der Pfarrer aber war ſehr bedenklich, wie man ihm
von dem ganzen Plan ſagte. Er hatte in der letzten
Zeit Johannes ſtill gewaͤhren laſſen, jetzt aber hielt er es
fuͤr ſeine Pflicht, noch einmal ein ernſtes Wort mit ihm
zu reden — ſolch ein Erntefeſt werde nicht gut endigen, er
moͤge doch nicht ſo viel wagen und da er einmal uͤber
dieſe Leute Alles vermoͤge, auch bewerkſtelligen, daß dieſe
Turnfahrt, in deren Geleit gewiß fuͤr ihn wie fuͤr das
ganze Dorf Gefahr ſei, unterbleibe.

Johannes antwortete ruhig — und er redete ernſt
wie immer die Wahrheit: „Sie wiſſen, daß ich niemals
gelogen habe — ja eben, daß ich immer und uͤberall
ruͤckſichtslos die Wahrheit rede, macht man mir zum
Vorwurf, ich habe daher nicht erſt noͤthig, Alles was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0254" n="246"/>
ihnen einen fro&#x0364;hlichen Empfang verheißen &#x2014; wenn der<lb/>
Amtmann die Zu&#x017F;ammenkunft erlaube. Der Amtmann<lb/>
hat er&#x017F;t die Sache ein paar Tage in Erwa&#x0364;gung gezogen<lb/>
und &#x017F;ie dann erlaubt unter der Bedingung, daß der Rich-<lb/>
ter fu&#x0364;r Ruhe und Ordnung auf dem Dorfe &#x017F;tehe und<lb/>
daß eben nur geturnt wu&#x0364;rde und nicht, wie der Aus-<lb/>
druck hieß: aufru&#x0364;hreri&#x017F;che Reden gehalten. Der Richter<lb/>
nahm lachend die&#x017F;e Verantwortung auf &#x017F;ich. Die Amts-<lb/>
hauptmann&#x017F;chaft aber &#x017F;orgte fu&#x0364;r einige Gensdarmen, die<lb/>
an die&#x017F;em Tag auf dem Dorf gegenwa&#x0364;rtig &#x017F;ein &#x017F;ollten.</p><lb/>
        <p>Johannes la&#x0364;chelte u&#x0364;ber derartige Vorbereitungen.</p><lb/>
        <p>Der Pfarrer aber war &#x017F;ehr bedenklich, wie man ihm<lb/>
von dem ganzen Plan &#x017F;agte. Er hatte in der letzten<lb/>
Zeit Johannes &#x017F;till gewa&#x0364;hren la&#x017F;&#x017F;en, jetzt aber hielt er es<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;eine Pflicht, noch einmal ein ern&#x017F;tes Wort mit ihm<lb/>
zu reden &#x2014; &#x017F;olch ein Erntefe&#x017F;t werde nicht gut endigen, er<lb/>
mo&#x0364;ge doch nicht &#x017F;o viel wagen und da er einmal u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;e Leute Alles vermo&#x0364;ge, auch bewerk&#x017F;telligen, daß die&#x017F;e<lb/>
Turnfahrt, in deren Geleit gewiß fu&#x0364;r ihn wie fu&#x0364;r das<lb/>
ganze Dorf Gefahr &#x017F;ei, unterbleibe.</p><lb/>
        <p>Johannes antwortete ruhig &#x2014; und er redete ern&#x017F;t<lb/>
wie immer die Wahrheit: &#x201E;Sie wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich niemals<lb/>
gelogen habe &#x2014; ja eben, daß ich immer und u&#x0364;berall<lb/>
ru&#x0364;ck&#x017F;ichtslos die Wahrheit rede, macht man mir zum<lb/>
Vorwurf, ich habe daher nicht er&#x017F;t no&#x0364;thig, Alles was<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0254] ihnen einen froͤhlichen Empfang verheißen — wenn der Amtmann die Zuſammenkunft erlaube. Der Amtmann hat erſt die Sache ein paar Tage in Erwaͤgung gezogen und ſie dann erlaubt unter der Bedingung, daß der Rich- ter fuͤr Ruhe und Ordnung auf dem Dorfe ſtehe und daß eben nur geturnt wuͤrde und nicht, wie der Aus- druck hieß: aufruͤhreriſche Reden gehalten. Der Richter nahm lachend dieſe Verantwortung auf ſich. Die Amts- hauptmannſchaft aber ſorgte fuͤr einige Gensdarmen, die an dieſem Tag auf dem Dorf gegenwaͤrtig ſein ſollten. Johannes laͤchelte uͤber derartige Vorbereitungen. Der Pfarrer aber war ſehr bedenklich, wie man ihm von dem ganzen Plan ſagte. Er hatte in der letzten Zeit Johannes ſtill gewaͤhren laſſen, jetzt aber hielt er es fuͤr ſeine Pflicht, noch einmal ein ernſtes Wort mit ihm zu reden — ſolch ein Erntefeſt werde nicht gut endigen, er moͤge doch nicht ſo viel wagen und da er einmal uͤber dieſe Leute Alles vermoͤge, auch bewerkſtelligen, daß dieſe Turnfahrt, in deren Geleit gewiß fuͤr ihn wie fuͤr das ganze Dorf Gefahr ſei, unterbleibe. Johannes antwortete ruhig — und er redete ernſt wie immer die Wahrheit: „Sie wiſſen, daß ich niemals gelogen habe — ja eben, daß ich immer und uͤberall ruͤckſichtslos die Wahrheit rede, macht man mir zum Vorwurf, ich habe daher nicht erſt noͤthig, Alles was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/254
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/254>, abgerufen am 15.05.2024.