Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

mer und Sorge zu machen. Gleichwohl wußt' er nicht,
wie er's ändern sollte. Er konnte doch nicht um einer
Mutter Willen, die mit dem Leben fertig war und Nichts
von dessen höheren Zwecken verstand, auf einmal seinem
ganzen Beruf im Leben, seinem Volke untreu werden,
selbst wenn wirklich, was er recht gut wußte, Gefahr in
seinem Wirken war? Aber wenn er das auch seiner
Mutter auseinander setzte und sie es halb verstände, sie
würde doch in ihrer Angst und bei ihrem Bitten bleiben;
denn ihr galt eben die ganze Welt Nichts, ihre Welt war
ihr Sohn, er war es, der ihr ganzes Herz ausfüllte und
für andere Gefühle war darin kein Raum. Er konnte
sie also jetzt nur bitten: "Sei nur ruhig Mutter, ich
wage gewiß nicht zu viel, es hat mir ja noch Niemand
darum Etwas zu Leide gethan, warum denn gerade nun
auf einmal Angst haben?"

"Ja sieh Johannes, ich habe Angst vor morgen!"
fuhr Mutter Eva wieder mit beklemmter Stimme fort.
"Da wollen die vielen fremden Burschen heraus kommen,
mit den hiesigen zusammen turnen und singen -- ach,
das wird gewiß nicht gut endigen! und wenn Du wieder
mitten darunter bist und so frei herausredest, wie dazu-
mal am Johannistag, so muß ich vor Angst vergehen!
Nicht wahr, das thust Du nicht, versprich mir's, daß
Du nur morgen nicht so reden willst! versprich

mer und Sorge zu machen. Gleichwohl wußt’ er nicht,
wie er’s aͤndern ſollte. Er konnte doch nicht um einer
Mutter Willen, die mit dem Leben fertig war und Nichts
von deſſen hoͤheren Zwecken verſtand, auf einmal ſeinem
ganzen Beruf im Leben, ſeinem Volke untreu werden,
ſelbſt wenn wirklich, was er recht gut wußte, Gefahr in
ſeinem Wirken war? Aber wenn er das auch ſeiner
Mutter auseinander ſetzte und ſie es halb verſtaͤnde, ſie
wuͤrde doch in ihrer Angſt und bei ihrem Bitten bleiben;
denn ihr galt eben die ganze Welt Nichts, ihre Welt war
ihr Sohn, er war es, der ihr ganzes Herz ausfuͤllte und
fuͤr andere Gefuͤhle war darin kein Raum. Er konnte
ſie alſo jetzt nur bitten: „Sei nur ruhig Mutter, ich
wage gewiß nicht zu viel, es hat mir ja noch Niemand
darum Etwas zu Leide gethan, warum denn gerade nun
auf einmal Angſt haben?“

„Ja ſieh Johannes, ich habe Angſt vor morgen!“
fuhr Mutter Eva wieder mit beklemmter Stimme fort.
„Da wollen die vielen fremden Burſchen heraus kommen,
mit den hieſigen zuſammen turnen und ſingen — ach,
das wird gewiß nicht gut endigen! und wenn Du wieder
mitten darunter biſt und ſo frei herausredeſt, wie dazu-
mal am Johannistag, ſo muß ich vor Angſt vergehen!
Nicht wahr, das thuſt Du nicht, verſprich mir’s, daß
Du nur morgen nicht ſo reden willſt! verſprich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0269" n="261"/>
mer und Sorge zu machen. Gleichwohl wußt&#x2019; er nicht,<lb/>
wie er&#x2019;s a&#x0364;ndern &#x017F;ollte. Er konnte doch nicht um einer<lb/>
Mutter Willen, die mit dem Leben fertig war und Nichts<lb/>
von de&#x017F;&#x017F;en ho&#x0364;heren Zwecken ver&#x017F;tand, auf einmal &#x017F;einem<lb/>
ganzen Beruf im Leben, &#x017F;einem Volke untreu werden,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenn wirklich, was er recht gut wußte, Gefahr in<lb/>
&#x017F;einem Wirken war? Aber wenn er das auch &#x017F;einer<lb/>
Mutter auseinander &#x017F;etzte und &#x017F;ie es halb ver&#x017F;ta&#x0364;nde, &#x017F;ie<lb/>
wu&#x0364;rde doch in ihrer Ang&#x017F;t und bei ihrem Bitten bleiben;<lb/>
denn ihr galt eben die ganze Welt Nichts, ihre Welt war<lb/>
ihr Sohn, er war es, der ihr ganzes Herz ausfu&#x0364;llte und<lb/>
fu&#x0364;r andere Gefu&#x0364;hle war darin kein Raum. Er konnte<lb/>
&#x017F;ie al&#x017F;o jetzt nur bitten: &#x201E;Sei nur ruhig Mutter, ich<lb/>
wage gewiß nicht zu viel, es hat mir ja noch Niemand<lb/>
darum Etwas zu Leide gethan, warum denn gerade nun<lb/>
auf einmal Ang&#x017F;t haben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja &#x017F;ieh Johannes, ich habe Ang&#x017F;t vor morgen!&#x201C;<lb/>
fuhr Mutter Eva wieder mit beklemmter Stimme fort.<lb/>
&#x201E;Da wollen die vielen fremden Bur&#x017F;chen heraus kommen,<lb/>
mit den hie&#x017F;igen zu&#x017F;ammen turnen und &#x017F;ingen &#x2014; ach,<lb/>
das wird gewiß nicht gut endigen! und wenn Du wieder<lb/>
mitten darunter bi&#x017F;t und &#x017F;o frei herausrede&#x017F;t, wie dazu-<lb/>
mal am Johannistag, &#x017F;o muß ich vor Ang&#x017F;t vergehen!<lb/>
Nicht wahr, das thu&#x017F;t Du nicht, ver&#x017F;prich mir&#x2019;s, daß<lb/>
Du nur morgen nicht &#x017F;o reden will&#x017F;t! ver&#x017F;prich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0269] mer und Sorge zu machen. Gleichwohl wußt’ er nicht, wie er’s aͤndern ſollte. Er konnte doch nicht um einer Mutter Willen, die mit dem Leben fertig war und Nichts von deſſen hoͤheren Zwecken verſtand, auf einmal ſeinem ganzen Beruf im Leben, ſeinem Volke untreu werden, ſelbſt wenn wirklich, was er recht gut wußte, Gefahr in ſeinem Wirken war? Aber wenn er das auch ſeiner Mutter auseinander ſetzte und ſie es halb verſtaͤnde, ſie wuͤrde doch in ihrer Angſt und bei ihrem Bitten bleiben; denn ihr galt eben die ganze Welt Nichts, ihre Welt war ihr Sohn, er war es, der ihr ganzes Herz ausfuͤllte und fuͤr andere Gefuͤhle war darin kein Raum. Er konnte ſie alſo jetzt nur bitten: „Sei nur ruhig Mutter, ich wage gewiß nicht zu viel, es hat mir ja noch Niemand darum Etwas zu Leide gethan, warum denn gerade nun auf einmal Angſt haben?“ „Ja ſieh Johannes, ich habe Angſt vor morgen!“ fuhr Mutter Eva wieder mit beklemmter Stimme fort. „Da wollen die vielen fremden Burſchen heraus kommen, mit den hieſigen zuſammen turnen und ſingen — ach, das wird gewiß nicht gut endigen! und wenn Du wieder mitten darunter biſt und ſo frei herausredeſt, wie dazu- mal am Johannistag, ſo muß ich vor Angſt vergehen! Nicht wahr, das thuſt Du nicht, verſprich mir’s, daß Du nur morgen nicht ſo reden willſt! verſprich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/269
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/269>, abgerufen am 15.05.2024.