Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

aufgewachsen war, zu unterstützen. Das ist das Einzige,
wofür Jhnen Johannes Dank schuldig wäre und er hat
keinen Beweis von Undank gegeben. Denn für eine solche
Gefälligkeit, die Sie einem Menschen erweisen, werden Sie
doch nicht verlangen, daß sich dieser Jhnen dafür mit
Leib und Seele verkaufe und nun plötzlich, was ihm und
Anderen Unrecht scheint, bei einem vorkommenden Fall
Recht nenne?"

Der Pfarrer konnte nicht weiter sprechen, denn der
Graf verließ mit einem Blick größter Wuth und hoch-
fahrendster Verachtung auf den Sprechenden, das Zimmer
und warf die Thür hallend hinter sich in das Schloß, so
daß unserm guten Pfarrer Nichts übrig blieb, als sich
gleichfalls und unverrichteter Sache zu entfernen. --

Jahannes blieb im Gefängniß, wie es hieß, in der
Untersuchungshaft -- aber es war eine Untersuchungs-
haft ohne Untersuchung. Man ließ ihn sitzen, weil man
es eben wollte, wie man damals alle freisinnigen Män-
ner sitzen ließ, so bald nur irgend ein geschriebenes oder
gesprochenes Wort sich vorfand, das man als Grund zu
ihrer Verhaftung gebrauchen konnte. Saßen sie einmal,
war es ja gut, denn sie waren unschädlich gemacht und
bald wohl auch vergessen, da die censirte Presse nicht an
sie erinnern durfte. Bei dem heimlichen Gerichtsverfahren
und der Schreibstubenherrschaft erfuhr auch Niemand, wie

aufgewachſen war, zu unterſtuͤtzen. Das iſt das Einzige,
wofuͤr Jhnen Johannes Dank ſchuldig waͤre und er hat
keinen Beweis von Undank gegeben. Denn fuͤr eine ſolche
Gefaͤlligkeit, die Sie einem Menſchen erweiſen, werden Sie
doch nicht verlangen, daß ſich dieſer Jhnen dafuͤr mit
Leib und Seele verkaufe und nun ploͤtzlich, was ihm und
Anderen Unrecht ſcheint, bei einem vorkommenden Fall
Recht nenne?“

Der Pfarrer konnte nicht weiter ſprechen, denn der
Graf verließ mit einem Blick groͤßter Wuth und hoch-
fahrendſter Verachtung auf den Sprechenden, das Zimmer
und warf die Thuͤr hallend hinter ſich in das Schloß, ſo
daß unſerm guten Pfarrer Nichts uͤbrig blieb, als ſich
gleichfalls und unverrichteter Sache zu entfernen. —

Jahannes blieb im Gefaͤngniß, wie es hieß, in der
Unterſuchungshaft — aber es war eine Unterſuchungs-
haft ohne Unterſuchung. Man ließ ihn ſitzen, weil man
es eben wollte, wie man damals alle freiſinnigen Maͤn-
ner ſitzen ließ, ſo bald nur irgend ein geſchriebenes oder
geſprochenes Wort ſich vorfand, das man als Grund zu
ihrer Verhaftung gebrauchen konnte. Saßen ſie einmal,
war es ja gut, denn ſie waren unſchaͤdlich gemacht und
bald wohl auch vergeſſen, da die cenſirte Preſſe nicht an
ſie erinnern durfte. Bei dem heimlichen Gerichtsverfahren
und der Schreibſtubenherrſchaft erfuhr auch Niemand, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0323" n="315"/>
aufgewach&#x017F;en war, zu unter&#x017F;tu&#x0364;tzen. Das i&#x017F;t das Einzige,<lb/>
wofu&#x0364;r Jhnen Johannes Dank &#x017F;chuldig wa&#x0364;re und er hat<lb/>
keinen Beweis von Undank gegeben. Denn fu&#x0364;r eine &#x017F;olche<lb/>
Gefa&#x0364;lligkeit, die Sie einem Men&#x017F;chen erwei&#x017F;en, werden Sie<lb/>
doch nicht verlangen, daß &#x017F;ich die&#x017F;er Jhnen dafu&#x0364;r mit<lb/>
Leib und Seele verkaufe und nun plo&#x0364;tzlich, was ihm und<lb/>
Anderen Unrecht &#x017F;cheint, bei einem vorkommenden Fall<lb/>
Recht nenne?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Pfarrer konnte nicht weiter &#x017F;prechen, denn der<lb/>
Graf verließ mit einem Blick gro&#x0364;ßter Wuth und hoch-<lb/>
fahrend&#x017F;ter Verachtung auf den Sprechenden, das Zimmer<lb/>
und warf die Thu&#x0364;r hallend hinter &#x017F;ich in das Schloß, &#x017F;o<lb/>
daß un&#x017F;erm guten Pfarrer Nichts u&#x0364;brig blieb, als &#x017F;ich<lb/>
gleichfalls und unverrichteter Sache zu entfernen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Jahannes blieb im Gefa&#x0364;ngniß, wie es hieß, in der<lb/>
Unter&#x017F;uchungshaft &#x2014; aber es war eine Unter&#x017F;uchungs-<lb/>
haft ohne Unter&#x017F;uchung. Man ließ ihn &#x017F;itzen, weil man<lb/>
es eben wollte, wie man damals alle frei&#x017F;innigen Ma&#x0364;n-<lb/>
ner &#x017F;itzen ließ, &#x017F;o bald nur irgend ein ge&#x017F;chriebenes oder<lb/>
ge&#x017F;prochenes Wort &#x017F;ich vorfand, das man als Grund zu<lb/>
ihrer Verhaftung gebrauchen konnte. Saßen &#x017F;ie einmal,<lb/>
war es ja gut, denn &#x017F;ie waren un&#x017F;cha&#x0364;dlich gemacht und<lb/>
bald wohl auch verge&#x017F;&#x017F;en, da die cen&#x017F;irte Pre&#x017F;&#x017F;e nicht an<lb/>
&#x017F;ie erinnern durfte. Bei dem heimlichen Gerichtsverfahren<lb/>
und der Schreib&#x017F;tubenherr&#x017F;chaft erfuhr auch Niemand, wie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0323] aufgewachſen war, zu unterſtuͤtzen. Das iſt das Einzige, wofuͤr Jhnen Johannes Dank ſchuldig waͤre und er hat keinen Beweis von Undank gegeben. Denn fuͤr eine ſolche Gefaͤlligkeit, die Sie einem Menſchen erweiſen, werden Sie doch nicht verlangen, daß ſich dieſer Jhnen dafuͤr mit Leib und Seele verkaufe und nun ploͤtzlich, was ihm und Anderen Unrecht ſcheint, bei einem vorkommenden Fall Recht nenne?“ Der Pfarrer konnte nicht weiter ſprechen, denn der Graf verließ mit einem Blick groͤßter Wuth und hoch- fahrendſter Verachtung auf den Sprechenden, das Zimmer und warf die Thuͤr hallend hinter ſich in das Schloß, ſo daß unſerm guten Pfarrer Nichts uͤbrig blieb, als ſich gleichfalls und unverrichteter Sache zu entfernen. — Jahannes blieb im Gefaͤngniß, wie es hieß, in der Unterſuchungshaft — aber es war eine Unterſuchungs- haft ohne Unterſuchung. Man ließ ihn ſitzen, weil man es eben wollte, wie man damals alle freiſinnigen Maͤn- ner ſitzen ließ, ſo bald nur irgend ein geſchriebenes oder geſprochenes Wort ſich vorfand, das man als Grund zu ihrer Verhaftung gebrauchen konnte. Saßen ſie einmal, war es ja gut, denn ſie waren unſchaͤdlich gemacht und bald wohl auch vergeſſen, da die cenſirte Preſſe nicht an ſie erinnern durfte. Bei dem heimlichen Gerichtsverfahren und der Schreibſtubenherrſchaft erfuhr auch Niemand, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/323
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/323>, abgerufen am 14.05.2024.