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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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Nach einer abermaligen Weigerung rief Traugott un-
geduldig: "Das Donnerwetter! jetzt ist die Zeit vorbei,
wo ein Amtmann nicht zu sprechen ist, wenn er keine
Lust hat, sich stören zu lassen, um die Bauern zu em-
pfangen. Er muß den Augenblick herzu, sonst möchten
wir gar große Lust bekommen, ihn zu stören!"

Der Diener entfernte sich ganz zitternd. Nach eini-
ger Zeit wurde die Thür aufgemacht, sie sollten eintreten.
Der dicke Amtmann saß schmunzelnd auf dem Sopha
und machte eine überaus freundliche Miene, wiewohl
man ihm dennoch den verbissenen Aerger ansah. "Lieben
Leute," sagte er mit katzenfreundlichem Ausdruck: "Was
wünscht Jhr denn von mir?"

Der Schulmeister trat vor und überreichte ihm eine
Schrift, die von Hunderten unterschrieben war. Es war
die Petition um Johannes Befreiung. Man hatte die
Sache lieber zu Papier gebracht, damit der Amtmann
gleich aus den vielen Unterschriften sehen könnte, daß es
mehr Leute gab, die Johannes Befreiung wünschten, als
diejenigen, welche jetzt vor ihm standen.

"Was soll ich damit machen, lieben Kinderchen?"
sagte der Amtmann, indem er jehr gemüthlich that.

"Das ist einfach, den Johannes uns gleich mitgeben!"
sagte Friedrich entschieden.

"Welche Forderung, lieben Kinder!" antwortete der

Nach einer abermaligen Weigerung rief Traugott un-
geduldig: „Das Donnerwetter! jetzt iſt die Zeit vorbei,
wo ein Amtmann nicht zu ſprechen iſt, wenn er keine
Luſt hat, ſich ſtoͤren zu laſſen, um die Bauern zu em-
pfangen. Er muß den Augenblick herzu, ſonſt moͤchten
wir gar große Luſt bekommen, ihn zu ſtoͤren!“

Der Diener entfernte ſich ganz zitternd. Nach eini-
ger Zeit wurde die Thuͤr aufgemacht, ſie ſollten eintreten.
Der dicke Amtmann ſaß ſchmunzelnd auf dem Sopha
und machte eine uͤberaus freundliche Miene, wiewohl
man ihm dennoch den verbiſſenen Aerger anſah. „Lieben
Leute,“ ſagte er mit katzenfreundlichem Ausdruck: „Was
wuͤnſcht Jhr denn von mir?“

Der Schulmeiſter trat vor und uͤberreichte ihm eine
Schrift, die von Hunderten unterſchrieben war. Es war
die Petition um Johannes Befreiung. Man hatte die
Sache lieber zu Papier gebracht, damit der Amtmann
gleich aus den vielen Unterſchriften ſehen koͤnnte, daß es
mehr Leute gab, die Johannes Befreiung wuͤnſchten, als
diejenigen, welche jetzt vor ihm ſtanden.

„Was ſoll ich damit machen, lieben Kinderchen?“
ſagte der Amtmann, indem er jehr gemuͤthlich that.

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[326/0334] Nach einer abermaligen Weigerung rief Traugott un- geduldig: „Das Donnerwetter! jetzt iſt die Zeit vorbei, wo ein Amtmann nicht zu ſprechen iſt, wenn er keine Luſt hat, ſich ſtoͤren zu laſſen, um die Bauern zu em- pfangen. Er muß den Augenblick herzu, ſonſt moͤchten wir gar große Luſt bekommen, ihn zu ſtoͤren!“ Der Diener entfernte ſich ganz zitternd. Nach eini- ger Zeit wurde die Thuͤr aufgemacht, ſie ſollten eintreten. Der dicke Amtmann ſaß ſchmunzelnd auf dem Sopha und machte eine uͤberaus freundliche Miene, wiewohl man ihm dennoch den verbiſſenen Aerger anſah. „Lieben Leute,“ ſagte er mit katzenfreundlichem Ausdruck: „Was wuͤnſcht Jhr denn von mir?“ Der Schulmeiſter trat vor und uͤberreichte ihm eine Schrift, die von Hunderten unterſchrieben war. Es war die Petition um Johannes Befreiung. Man hatte die Sache lieber zu Papier gebracht, damit der Amtmann gleich aus den vielen Unterſchriften ſehen koͤnnte, daß es mehr Leute gab, die Johannes Befreiung wuͤnſchten, als diejenigen, welche jetzt vor ihm ſtanden. „Was ſoll ich damit machen, lieben Kinderchen?“ ſagte der Amtmann, indem er jehr gemuͤthlich that. „Das iſt einfach, den Johannes uns gleich mitgeben!“ ſagte Friedrich entſchieden. „Welche Forderung, lieben Kinder!“ antwortete der

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/334>, abgerufen am 14.05.2024.