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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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dürfen nicht im geträumten seligen Frieden leben -- wir müssen kämpfen, damit wir unsere Kraft üben, kämpfen und ringen."

"Wir sollen uns nehmen, was man uns verweigert? Wir sollen die Reichen zwingen, mit uns zu theilen. -- Und unser Gewissen? Und unser Gott?"

"Ha! Das ist es! Auch mit der Religion wollen sie ein Ende machen -- auch den Glauben nennen sie eine Dummheit! Und da wachen laut in meiner Brust Tausend Stimmen auf und schreien dagegen -- da ist mir, als rissen sie mir mein Herz aus, während ich noch athme -- und ließen mich allein in einer Nacht -- nicht sanft und mild und hell wie diese -- in einer Nacht ohne Sterne."

"Ach, seht Ihr auf mich herab Sterne des Himmels, gebt mir Licht!"

"Es war auch einmal so eine Stunde, wo ich den Himmel fragte, ob es einen Gott gebe! Da lebte meine Mutter noch und hört' es und ward bleich -- und sank auf ihre Kniee nieder und betete einen frommen Spruch und weinte laut. Sie faßt' es gar nicht, daß man so fragen könnte, und meinte vor Schauder zu sterben. Was ist's denn nun weiter? fragt' ich sie noch. -- Weiter? Es ist Alles -- sagte sie. -- Wenn Du keinen Gott mehr hast, bist Du auch kein Mensch mehr -- -- Sie wußte es nicht

dürfen nicht im geträumten seligen Frieden leben — wir müssen kämpfen, damit wir unsere Kraft üben, kämpfen und ringen.“

„Wir sollen uns nehmen, was man uns verweigert? Wir sollen die Reichen zwingen, mit uns zu theilen. — Und unser Gewissen? Und unser Gott?“

„Ha! Das ist es! Auch mit der Religion wollen sie ein Ende machen — auch den Glauben nennen sie eine Dummheit! Und da wachen laut in meiner Brust Tausend Stimmen auf und schreien dagegen — da ist mir, als rissen sie mir mein Herz aus, während ich noch athme — und ließen mich allein in einer Nacht — nicht sanft und mild und hell wie diese — in einer Nacht ohne Sterne.“

„Ach, seht Ihr auf mich herab Sterne des Himmels, gebt mir Licht!“

„Es war auch einmal so eine Stunde, wo ich den Himmel fragte, ob es einen Gott gebe! Da lebte meine Mutter noch und hört’ es und ward bleich — und sank auf ihre Kniee nieder und betete einen frommen Spruch und weinte laut. Sie faßt’ es gar nicht, daß man so fragen könnte, und meinte vor Schauder zu sterben. Was ist’s denn nun weiter? fragt’ ich sie noch. — Weiter? Es ist Alles — sagte sie. — Wenn Du keinen Gott mehr hast, bist Du auch kein Mensch mehr — — Sie wußte es nicht

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[95/0101] dürfen nicht im geträumten seligen Frieden leben — wir müssen kämpfen, damit wir unsere Kraft üben, kämpfen und ringen.“ „Wir sollen uns nehmen, was man uns verweigert? Wir sollen die Reichen zwingen, mit uns zu theilen. — Und unser Gewissen? Und unser Gott?“ „Ha! Das ist es! Auch mit der Religion wollen sie ein Ende machen — auch den Glauben nennen sie eine Dummheit! Und da wachen laut in meiner Brust Tausend Stimmen auf und schreien dagegen — da ist mir, als rissen sie mir mein Herz aus, während ich noch athme — und ließen mich allein in einer Nacht — nicht sanft und mild und hell wie diese — in einer Nacht ohne Sterne.“ „Ach, seht Ihr auf mich herab Sterne des Himmels, gebt mir Licht!“ „Es war auch einmal so eine Stunde, wo ich den Himmel fragte, ob es einen Gott gebe! Da lebte meine Mutter noch und hört’ es und ward bleich — und sank auf ihre Kniee nieder und betete einen frommen Spruch und weinte laut. Sie faßt’ es gar nicht, daß man so fragen könnte, und meinte vor Schauder zu sterben. Was ist’s denn nun weiter? fragt’ ich sie noch. — Weiter? Es ist Alles — sagte sie. — Wenn Du keinen Gott mehr hast, bist Du auch kein Mensch mehr — — Sie wußte es nicht

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/101>, abgerufen am 01.05.2024.