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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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am Grabe meiner Liebe. Franz, ich entsage ihr, sobald ich nur weiß, daß Du ihr Deine Liebe gestanden."

Franz fiel ihm ins Wort: "Wie dürft' ich das wagen?"

Aber Wilhelm fuhr ununterbrochen fort: "Sobald ich nur weiß, daß sie gern Dein ist --"

"Bist Du von Sinnen?" rief da Franz außer sich. "Wie kannst Du von Deiner Entsagung sprechen? In dem Sinne, wie Du das Wort meinst -- da müssen wir ja Beide entsagen! -- Wie kannst Du mich für so frech, so anmaßend halten, daß ich diesem Engel gegenüber ein Wort der Liebe auszusprechen wagte? Und verstummt nicht jedes schmerzliche Gefühl, das mich fern von ihr zuweilen überfällt, sobald ich ihr gegenüber stehe, ihr folge? Dann fühle ich weiter Nichts, als das unaussprechliche Glück, diese sanfte Heilige unsre unglücklichen Brüder segnen zu sehen, und in ihren Augen die Thräne des Mitleids zu erblicken für die leidenden Armen -- und dann fühle ich nur Dank gegen Gott, daß er, der in ihrem Vater uns einen Tyrannen, uns in ihrer Tochter doch zugleich einen hilfreichen Engel sandte."

Staunend rief Wilhelm: "Vater -- Tochter -- von wem sprichst Du denn? Wer ist Friederikens Vater?"

"Friederike?" rief Franz in gleich staunendem Tone. "Friederike -- Du liebst Friederiken?" Und wie er

am Grabe meiner Liebe. Franz, ich entsage ihr, sobald ich nur weiß, daß Du ihr Deine Liebe gestanden.“

Franz fiel ihm ins Wort: „Wie dürft’ ich das wagen?“

Aber Wilhelm fuhr ununterbrochen fort: „Sobald ich nur weiß, daß sie gern Dein ist —“

„Bist Du von Sinnen?“ rief da Franz außer sich. „Wie kannst Du von Deiner Entsagung sprechen? In dem Sinne, wie Du das Wort meinst — da müssen wir ja Beide entsagen! — Wie kannst Du mich für so frech, so anmaßend halten, daß ich diesem Engel gegenüber ein Wort der Liebe auszusprechen wagte? Und verstummt nicht jedes schmerzliche Gefühl, das mich fern von ihr zuweilen überfällt, sobald ich ihr gegenüber stehe, ihr folge? Dann fühle ich weiter Nichts, als das unaussprechliche Glück, diese sanfte Heilige unsre unglücklichen Brüder segnen zu sehen, und in ihren Augen die Thräne des Mitleids zu erblicken für die leidenden Armen — und dann fühle ich nur Dank gegen Gott, daß er, der in ihrem Vater uns einen Tyrannen, uns in ihrer Tochter doch zugleich einen hilfreichen Engel sandte.“

Staunend rief Wilhelm: „Vater — Tochter — von wem sprichst Du denn? Wer ist Friederikens Vater?“

„Friederike?“ rief Franz in gleich staunendem Tone. „Friederike — Du liebst Friederiken?“ Und wie er

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[20/0026] am Grabe meiner Liebe. Franz, ich entsage ihr, sobald ich nur weiß, daß Du ihr Deine Liebe gestanden.“ Franz fiel ihm ins Wort: „Wie dürft’ ich das wagen?“ Aber Wilhelm fuhr ununterbrochen fort: „Sobald ich nur weiß, daß sie gern Dein ist —“ „Bist Du von Sinnen?“ rief da Franz außer sich. „Wie kannst Du von Deiner Entsagung sprechen? In dem Sinne, wie Du das Wort meinst — da müssen wir ja Beide entsagen! — Wie kannst Du mich für so frech, so anmaßend halten, daß ich diesem Engel gegenüber ein Wort der Liebe auszusprechen wagte? Und verstummt nicht jedes schmerzliche Gefühl, das mich fern von ihr zuweilen überfällt, sobald ich ihr gegenüber stehe, ihr folge? Dann fühle ich weiter Nichts, als das unaussprechliche Glück, diese sanfte Heilige unsre unglücklichen Brüder segnen zu sehen, und in ihren Augen die Thräne des Mitleids zu erblicken für die leidenden Armen — und dann fühle ich nur Dank gegen Gott, daß er, der in ihrem Vater uns einen Tyrannen, uns in ihrer Tochter doch zugleich einen hilfreichen Engel sandte.“ Staunend rief Wilhelm: „Vater — Tochter — von wem sprichst Du denn? Wer ist Friederikens Vater?“ „Friederike?“ rief Franz in gleich staunendem Tone. „Friederike — Du liebst Friederiken?“ Und wie er

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/26>, abgerufen am 28.04.2024.