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Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

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nachdem die wirkliche Wahrnehmung der Aussen-Welt nur ein in meinem Innern, zentral-verlaufender Prozess ist? Wie komt es, dass ich die Aussenwelt, nach Meinung der Materjalisten, erst von Aussen nach Innen empfinde, und sie dann nochmals von Innen nach Aussen verlege, nachdem dieser leztere Weg dem Halluzinanten verschlossen ist und, wie wir gesehen haben, aus fisiologischen Gründen der Leitungsbahnen, nicht zugestanden werden darf? - Hier gibt es also von Zweien nur Eins: Entweder findet die Verlegung meiner zentralen Wahrnehmung in die Aussenwelt als Aussenwelt wirklich statt, dann muss sie auch für meine Halluzinazion (die der normalen sinlichen Wahrnehmung als zentraler Prozess gleich gesezt ist) gültig sein. Dann aber ist Halluzinazion mit Aussenwelt-Wahrnehmung identisch; und der für die normale Sinnes-Wahrnehmung, supponirte primäre Weg von der Aussenwelt in das Zentrum meines Innern ist überflüssig und auch unwahrscheinlich, da nicht angenommen werden kann, dass die Natur ein und denselben Weg einmal hin und dann wieder retur macht. - Oder: der Weg für die Verlegung des zentralen Wahrnehmungs-Inhaltes in die Aussenwelt ist für die Halluzinazion ungültig, dann ist er es auch für die normale Sinnes-Wahrnehmung, die ebenfalls in der Aussenwelt gesehen wird, und die, was den zentralen Prozess anlangt, mit der Halluzination gleich ist. Dann findet also keine Wahrnehmung in der Aussenwelt statt, sondern bloss in meinem Innern. Nun findet aber Wahrnehmung wirklich statt. Demnach bleibt nur die erste Alternative: dass normale Sinnes-Wahrnehmung wie Halluzinazion in gleicher Weise aus dem Innern in die Aussenwelt projzirt werden. Da aber dann der vorausgehende Weg des Eindringens der Aussenwelt in mein Inneres bei der normalen Sinnes-Wahrnehmung überflüssig wird - auch wenig wahrscheinlich ist, und auch sinnfällig nicht stattfindet; denn der Baum dringt doch nicht in meinen Kopf - so ist die Welt Halluzinazion.

nachdem die wirkliche Wahrnehmung der Aussen-Welt nur ein in meinem Innern, zentral-verlaufender Prozess ist? Wie komt es, dass ich die Aussenwelt, nach Meinung der Materjalisten, erst von Aussen nach Innen empfinde, und sie dann nochmals von Innen nach Aussen verlege, nachdem dieser leztere Weg dem Halluzinanten verschlossen ist und, wie wir gesehen haben, aus fisiologischen Gründen der Leitungsbahnen, nicht zugestanden werden darf? – Hier gibt es also von Zweien nur Eins: Entweder findet die Verlegung meiner zentralen Wahrnehmung in die Aussenwelt als Aussenwelt wirklich statt, dann muss sie auch für meine Halluzinazion (die der normalen sinlichen Wahrnehmung als zentraler Prozess gleich gesezt ist) gültig sein. Dann aber ist Halluzinazion mit Aussenwelt-Wahrnehmung identisch; und der für die normale Sinnes-Wahrnehmung, supponirte primäre Weg von der Aussenwelt in das Zentrum meines Innern ist überflüssig und auch unwahrscheinlich, da nicht angenommen werden kann, dass die Natur ein und denselben Weg einmal hin und dann wieder retur macht. – Oder: der Weg für die Verlegung des zentralen Wahrnehmungs-Inhaltes in die Aussenwelt ist für die Halluzinazion ungültig, dann ist er es auch für die normale Sinnes-Wahrnehmung, die ebenfalls in der Aussenwelt gesehen wird, und die, was den zentralen Prozess anlangt, mit der Halluzination gleich ist. Dann findet also keine Wahrnehmung in der Aussenwelt statt, sondern bloss in meinem Innern. Nun findet aber Wahrnehmung wirklich statt. Demnach bleibt nur die erste Alternative: dass normale Sinnes-Wahrnehmung wie Halluzinazion in gleicher Weise aus dem Innern in die Aussenwelt projzirt werden. Da aber dann der vorausgehende Weg des Eindringens der Aussenwelt in mein Inneres bei der normalen Sinnes-Wahrnehmung überflüssig wird – auch wenig wahrscheinlich ist, und auch sinnfällig nicht stattfindet; denn der Baum dringt doch nicht in meinen Kopfso ist die Welt Halluzinazion.

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nachdem die wirkliche Wahrnehmung der Aussen-Welt nur ein in meinem Innern, zentral-verlaufender Prozess ist? Wie komt es, dass ich die Aussenwelt, nach Meinung der Materjalisten, erst von Aussen nach Innen empfinde, und sie dann nochmals von Innen nach Aussen verlege, nachdem dieser leztere Weg dem Halluzinanten verschlossen ist und, wie wir gesehen haben, aus fisiologischen Gründen der Leitungsbahnen, nicht zugestanden werden darf? &#x2013; Hier gibt es also von Zweien nur Eins: Entweder findet die Verlegung meiner zentralen Wahrnehmung in die Aussenwelt als Aussenwelt wirklich statt, dann muss sie auch für meine Halluzinazion (die der normalen sinlichen Wahrnehmung als zentraler Prozess gleich gesezt ist) gültig sein. Dann aber ist Halluzinazion mit Aussenwelt-Wahrnehmung identisch; und der für die normale Sinnes-Wahrnehmung, supponirte primäre Weg von der Aussenwelt in das Zentrum meines Innern ist überflüssig und auch unwahrscheinlich, da nicht angenommen werden kann, dass die Natur ein und <choice><sic>de&#xFFFC;selben</sic><corr>denselben</corr></choice> Weg einmal hin und dann wieder retur macht. &#x2013; <hi rendition="#g">Oder</hi>: der Weg für die Verlegung des zentralen Wahrnehmungs-Inhaltes in die Aussenwelt ist für die Halluzinazion ungültig, dann ist er es auch für die normale Sinnes-Wahrnehmung, die ebenfalls in der Aussenwelt gesehen wird, und die, was den zentralen Prozess anlangt, mit der Halluzination gleich ist. Dann findet also keine Wahrnehmung in der Aussenwelt statt, sondern bloss in meinem Innern. Nun findet aber Wahrnehmung wirklich statt. Demnach bleibt nur die erste Alternative: dass normale Sinnes-Wahrnehmung wie Halluzinazion in gleicher Weise aus dem Innern in die Aussenwelt projzirt werden. Da aber dann der vorausgehende Weg des Eindringens der Aussenwelt in mein Inneres bei der normalen Sinnes-Wahrnehmung überflüssig wird &#x2013; auch wenig wahrscheinlich ist, und auch sinnfällig nicht stattfindet; denn der Baum dringt doch nicht in meinen <hi rendition="#g">Kopf</hi> &#x2013; <hi rendition="#g">so ist die Welt Halluzinazion</hi>.</p>
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[20/0021] nachdem die wirkliche Wahrnehmung der Aussen-Welt nur ein in meinem Innern, zentral-verlaufender Prozess ist? Wie komt es, dass ich die Aussenwelt, nach Meinung der Materjalisten, erst von Aussen nach Innen empfinde, und sie dann nochmals von Innen nach Aussen verlege, nachdem dieser leztere Weg dem Halluzinanten verschlossen ist und, wie wir gesehen haben, aus fisiologischen Gründen der Leitungsbahnen, nicht zugestanden werden darf? – Hier gibt es also von Zweien nur Eins: Entweder findet die Verlegung meiner zentralen Wahrnehmung in die Aussenwelt als Aussenwelt wirklich statt, dann muss sie auch für meine Halluzinazion (die der normalen sinlichen Wahrnehmung als zentraler Prozess gleich gesezt ist) gültig sein. Dann aber ist Halluzinazion mit Aussenwelt-Wahrnehmung identisch; und der für die normale Sinnes-Wahrnehmung, supponirte primäre Weg von der Aussenwelt in das Zentrum meines Innern ist überflüssig und auch unwahrscheinlich, da nicht angenommen werden kann, dass die Natur ein und denselben Weg einmal hin und dann wieder retur macht. – Oder: der Weg für die Verlegung des zentralen Wahrnehmungs-Inhaltes in die Aussenwelt ist für die Halluzinazion ungültig, dann ist er es auch für die normale Sinnes-Wahrnehmung, die ebenfalls in der Aussenwelt gesehen wird, und die, was den zentralen Prozess anlangt, mit der Halluzination gleich ist. Dann findet also keine Wahrnehmung in der Aussenwelt statt, sondern bloss in meinem Innern. Nun findet aber Wahrnehmung wirklich statt. Demnach bleibt nur die erste Alternative: dass normale Sinnes-Wahrnehmung wie Halluzinazion in gleicher Weise aus dem Innern in die Aussenwelt projzirt werden. Da aber dann der vorausgehende Weg des Eindringens der Aussenwelt in mein Inneres bei der normalen Sinnes-Wahrnehmung überflüssig wird – auch wenig wahrscheinlich ist, und auch sinnfällig nicht stattfindet; denn der Baum dringt doch nicht in meinen Kopf – so ist die Welt Halluzinazion.

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Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/21>, abgerufen am 27.04.2024.