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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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gedachte, und den neuen Kollegen im Kreise der Lehrer willkommen hieß, bewegten mich auf das äußerste, weil ich sah, daß der Direktor selbst fast zu Thränen gerührt war.

Der Hörsaal selbst machte trotz seiner Größe keinen guten Eindruck, und störte sogar die Würde des Festes; er war viel zu niedrig und ohne jeglichen Schmuck. Zwar hingen an den Wänden einige Oelgemälde von Oeser und andern Meistern des vorigen Jahrhunderts, allein so oft und so lange ich sie auch während meiner Gymnasialzeit angesehn, so hat es mir doch nicht gelingen wollen, ihnen Geschmack abzugewinnen.

Das Graue Kloster verdankte einen großen Teil seiner bedeutenden Lehrmittel den Schenkungen eines ehemaligen Schülers, Sigismund Streit. Er war der Sohn eines Berliner Hufschmiedes, ging 1709 in sehr dürftigen Umständen nach Venedig, gründete dort ein Handlungshaus, erwarb große Reichthümer, und starb 1775 als 89jähriger Greis in Padua. Bemerkenswerth ist hiebei, daß er immer Protestant blieb, was damals in Italien schwieriger war als jetzt. Aus Dankbarkeit für den früher im Kloster genossenen Unterricht, schenkte er der Anstalt weit über 100,000 Rthlr. Dies that er jedoch nicht in der Art, daß er ohne Weiteres das Geld hersendete, und die Vertheilung den Direktoren überließ, sondern er unterrichtete sich vorher auf das genaueste von den Bedürfnissen des Gymnasiums, und machte auf diese Weise seine Stiftung zu einer wahrhaft segensreichen. Die von ihm mit den damaligen Leitern der Anstalt geführte Korrespondenz erstreckt sich auf fast alle Zweige des Unterrichts, der damals hauptsächlich in den gelehrten Sprachen und in der Mathematik sich bewegte.

gedachte, und den neuen Kollegen im Kreise der Lehrer willkommen hieß, bewegten mich auf das äußerste, weil ich sah, daß der Direktor selbst fast zu Thränen gerührt war.

Der Hörsaal selbst machte trotz seiner Größe keinen guten Eindruck, und störte sogar die Würde des Festes; er war viel zu niedrig und ohne jeglichen Schmuck. Zwar hingen an den Wänden einige Oelgemälde von Oeser und andern Meistern des vorigen Jahrhunderts, allein so oft und so lange ich sie auch während meiner Gymnasialzeit angesehn, so hat es mir doch nicht gelingen wollen, ihnen Geschmack abzugewinnen.

Das Graue Kloster verdankte einen großen Teil seiner bedeutenden Lehrmittel den Schenkungen eines ehemaligen Schülers, Sigismund Streit. Er war der Sohn eines Berliner Hufschmiedes, ging 1709 in sehr dürftigen Umständen nach Venedig, gründete dort ein Handlungshaus, erwarb große Reichthümer, und starb 1775 als 89jähriger Greis in Padua. Bemerkenswerth ist hiebei, daß er immer Protestant blieb, was damals in Italien schwieriger war als jetzt. Aus Dankbarkeit für den früher im Kloster genossenen Unterricht, schenkte er der Anstalt weit über 100,000 Rthlr. Dies that er jedoch nicht in der Art, daß er ohne Weiteres das Geld hersendete, und die Vertheilung den Direktoren überließ, sondern er unterrichtete sich vorher auf das genaueste von den Bedürfnissen des Gymnasiums, und machte auf diese Weise seine Stiftung zu einer wahrhaft segensreichen. Die von ihm mit den damaligen Leitern der Anstalt geführte Korrespondenz erstreckt sich auf fast alle Zweige des Unterrichts, der damals hauptsächlich in den gelehrten Sprachen und in der Mathematik sich bewegte.

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[168/0180] gedachte, und den neuen Kollegen im Kreise der Lehrer willkommen hieß, bewegten mich auf das äußerste, weil ich sah, daß der Direktor selbst fast zu Thränen gerührt war. Der Hörsaal selbst machte trotz seiner Größe keinen guten Eindruck, und störte sogar die Würde des Festes; er war viel zu niedrig und ohne jeglichen Schmuck. Zwar hingen an den Wänden einige Oelgemälde von Oeser und andern Meistern des vorigen Jahrhunderts, allein so oft und so lange ich sie auch während meiner Gymnasialzeit angesehn, so hat es mir doch nicht gelingen wollen, ihnen Geschmack abzugewinnen. Das Graue Kloster verdankte einen großen Teil seiner bedeutenden Lehrmittel den Schenkungen eines ehemaligen Schülers, Sigismund Streit. Er war der Sohn eines Berliner Hufschmiedes, ging 1709 in sehr dürftigen Umständen nach Venedig, gründete dort ein Handlungshaus, erwarb große Reichthümer, und starb 1775 als 89jähriger Greis in Padua. Bemerkenswerth ist hiebei, daß er immer Protestant blieb, was damals in Italien schwieriger war als jetzt. Aus Dankbarkeit für den früher im Kloster genossenen Unterricht, schenkte er der Anstalt weit über 100,000 Rthlr. Dies that er jedoch nicht in der Art, daß er ohne Weiteres das Geld hersendete, und die Vertheilung den Direktoren überließ, sondern er unterrichtete sich vorher auf das genaueste von den Bedürfnissen des Gymnasiums, und machte auf diese Weise seine Stiftung zu einer wahrhaft segensreichen. Die von ihm mit den damaligen Leitern der Anstalt geführte Korrespondenz erstreckt sich auf fast alle Zweige des Unterrichts, der damals hauptsächlich in den gelehrten Sprachen und in der Mathematik sich bewegte.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/180>, abgerufen am 02.05.2024.