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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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gen mit meinem Freunde Christian Köster in Heidelberg die jetzige etwas krause Vignette entstand. Die änigmatischen Symbole im Abschnitte haben meinen Freunden viel zu rathen aufgegeben, aber Caspars vortrefflicher Stahlstich findet allgemeinen Beifall.

Die Glasschränke in der Wohnstube des Grosvaters wurden von mir zuerst durchmustert. Hier stand die deutsche belletristische Litteratur. Sie begann mit Opitz, Günther und Flemming, und ging in großer Vollständigkeit bis auf Göthe und Schiller herab.

Die darauf folgende französische schöne Litteratur zog mich sehr wenig an. Trotz des frühzeitigen Parlirens mit Madame Clause wollte die französische Sprache nie recht bei uns Wurzel fassen, und der glühende Haß gegen die übermüthigen Unterdrücker des Vaterlandes trug sich auf ihre Litteratur über. Auch schreckte der gewaltige Umfang mancher Werke von einer näheren Bekanntschaft zurück. Corneille, Racine, Moliere hatten jeder 6 Bände, Caylus deren 12, Rousseau 36, Voltaire gar 71. Wer konnte hoffen, auch nur einen Theil davon durchzulesen?

Dagegen übte die italiänische Litteratur gleich anfangs einen eigenthümlichen Reiz aus. Den Unterricht im Italiänischen ertheilte auf dem Grauen Kloster der Dr. (später Professor und Geheimerath) Tölken. Er war ganz dazu geeignet, bei den Schülern Lust und Liebe zum Gegenstande zu erwecken, weil er selbst bei einem längeren Aufenthalte in Italien sich für die italiänischen Schriftsteller begeistert hatte. Mit wahrem Entzücken lauschte ich seinen Worten, wenn er zuweilen, wo die Gelegenheit sich bot, von den Trümmern in Rom, von den Kunstschätzen in Florenz, von den Ausgrabungen in Pompeji erzählte. Nach-

gen mit meinem Freunde Christian Köster in Heidelberg die jetzige etwas krause Vignette entstand. Die änigmatischen Symbole im Abschnitte haben meinen Freunden viel zu rathen aufgegeben, aber Caspars vortrefflicher Stahlstich findet allgemeinen Beifall.

Die Glasschränke in der Wohnstube des Grosvaters wurden von mir zuerst durchmustert. Hier stand die deutsche belletristische Litteratur. Sie begann mit Opitz, Günther und Flemming, und ging in großer Vollständigkeit bis auf Göthe und Schiller herab.

Die darauf folgende französische schöne Litteratur zog mich sehr wenig an. Trotz des frühzeitigen Parlirens mit Madame Clause wollte die französische Sprache nie recht bei uns Wurzel fassen, und der glühende Haß gegen die übermüthigen Unterdrücker des Vaterlandes trug sich auf ihre Litteratur über. Auch schreckte der gewaltige Umfang mancher Werke von einer näheren Bekanntschaft zurück. Corneille, Racine, Molière hatten jeder 6 Bände, Caylus deren 12, Rousseau 36, Voltaire gar 71. Wer konnte hoffen, auch nur einen Theil davon durchzulesen?

Dagegen übte die italiänische Litteratur gleich anfangs einen eigenthümlichen Reiz aus. Den Unterricht im Italiänischen ertheilte auf dem Grauen Kloster der Dr. (später Professor und Geheimerath) Tölken. Er war ganz dazu geeignet, bei den Schülern Lust und Liebe zum Gegenstande zu erwecken, weil er selbst bei einem längeren Aufenthalte in Italien sich für die italiänischen Schriftsteller begeistert hatte. Mit wahrem Entzücken lauschte ich seinen Worten, wenn er zuweilen, wo die Gelegenheit sich bot, von den Trümmern in Rom, von den Kunstschätzen in Florenz, von den Ausgrabungen in Pompeji erzählte. Nach-

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[184/0196] gen mit meinem Freunde Christian Köster in Heidelberg die jetzige etwas krause Vignette entstand. Die änigmatischen Symbole im Abschnitte haben meinen Freunden viel zu rathen aufgegeben, aber Caspars vortrefflicher Stahlstich findet allgemeinen Beifall. Die Glasschränke in der Wohnstube des Grosvaters wurden von mir zuerst durchmustert. Hier stand die deutsche belletristische Litteratur. Sie begann mit Opitz, Günther und Flemming, und ging in großer Vollständigkeit bis auf Göthe und Schiller herab. Die darauf folgende französische schöne Litteratur zog mich sehr wenig an. Trotz des frühzeitigen Parlirens mit Madame Clause wollte die französische Sprache nie recht bei uns Wurzel fassen, und der glühende Haß gegen die übermüthigen Unterdrücker des Vaterlandes trug sich auf ihre Litteratur über. Auch schreckte der gewaltige Umfang mancher Werke von einer näheren Bekanntschaft zurück. Corneille, Racine, Molière hatten jeder 6 Bände, Caylus deren 12, Rousseau 36, Voltaire gar 71. Wer konnte hoffen, auch nur einen Theil davon durchzulesen? Dagegen übte die italiänische Litteratur gleich anfangs einen eigenthümlichen Reiz aus. Den Unterricht im Italiänischen ertheilte auf dem Grauen Kloster der Dr. (später Professor und Geheimerath) Tölken. Er war ganz dazu geeignet, bei den Schülern Lust und Liebe zum Gegenstande zu erwecken, weil er selbst bei einem längeren Aufenthalte in Italien sich für die italiänischen Schriftsteller begeistert hatte. Mit wahrem Entzücken lauschte ich seinen Worten, wenn er zuweilen, wo die Gelegenheit sich bot, von den Trümmern in Rom, von den Kunstschätzen in Florenz, von den Ausgrabungen in Pompeji erzählte. Nach-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/196>, abgerufen am 27.04.2024.