Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

daher mit der souveränsten Verachtung oder mit der Miene gnädiger Protection auf uns herab. Außerdem verlor sich das Gespräch nach den ersten Begrüßungen sehr bald in ein allgemeines lautes Geschwätz, vermischt mit gellendem krampfhaften Lachen und ohrenzerreißendem Kreischen. Ich saß mit meiner Schwester still in einer Ecke; wir suchten uns in unsre Lesebücher zu vertiefen und hörten misvergnügt in den wüsten Lärm hinaus. Ganz besonders zuwider war uns eine reiche Wittwe, die mit einem winzig kleinen, braunen Schooßmops, Namens Caro, in eigner Equipage angefahren kam. So gern wir sonst mit Hunden spielten, so erregte doch Caro wegen seines mürrischen Wesens unsern Abscheu, und weil wir gehört, daß er durch Branntwein in seiner unnatürlichen Kleinheit erhalten werde. Wir ertrugen die Langeweile dieser Abende mit Geduld, so lange wir allein waren; als Fritz in unser Haus kam, wurde es besser. Er war so erfinderisch, daß er es möglich machte, in unsrer Lese-Ecke kleine Komödien aufzuführen, worin er die Kreischtöne der Cousinen und Tanten auf das glücklichste nachahmte. Unsern Feind Caro suchte er anfangs durch ein zuvorkommendes Wesen zu gewinnen, als aber dies nichts half, so verfolgte er ihn mit allen möglichen Neckereien. Er hatte bemerkt, daß Caro besonders zornig wurde, wenn er sein eignes Knurren und Bellen nachgemacht hörte. Dies wußte Fritz mit der grösten Natürlichkeit hervorzubringen, und das Bell-Duett hörte nicht eher auf, als bis die Grosmutter Eichmann heftig keifend dazwischen fuhr. Für eine wahre Wohlthat hielten wir es, als wir uns nach einigen Jahren von diesem widerwärtigen Kränzchen emancipiren durften.

Dem Onkel Eichmann, damals Kabinetsekretär beim

daher mit der souveränsten Verachtung oder mit der Miene gnädiger Protection auf uns herab. Außerdem verlor sich das Gespräch nach den ersten Begrüßungen sehr bald in ein allgemeines lautes Geschwätz, vermischt mit gellendem krampfhaften Lachen und ohrenzerreißendem Kreischen. Ich saß mit meiner Schwester still in einer Ecke; wir suchten uns in unsre Lesebücher zu vertiefen und hörten misvergnügt in den wüsten Lärm hinaus. Ganz besonders zuwider war uns eine reiche Wittwe, die mit einem winzig kleinen, braunen Schooßmops, Namens Caro, in eigner Equipage angefahren kam. So gern wir sonst mit Hunden spielten, so erregte doch Caro wegen seines mürrischen Wesens unsern Abscheu, und weil wir gehört, daß er durch Branntwein in seiner unnatürlichen Kleinheit erhalten werde. Wir ertrugen die Langeweile dieser Abende mit Geduld, so lange wir allein waren; als Fritz in unser Haus kam, wurde es besser. Er war so erfinderisch, daß er es möglich machte, in unsrer Lese-Ecke kleine Komödien aufzuführen, worin er die Kreischtöne der Cousinen und Tanten auf das glücklichste nachahmte. Unsern Feind Caro suchte er anfangs durch ein zuvorkommendes Wesen zu gewinnen, als aber dies nichts half, so verfolgte er ihn mit allen möglichen Neckereien. Er hatte bemerkt, daß Caro besonders zornig wurde, wenn er sein eignes Knurren und Bellen nachgemacht hörte. Dies wußte Fritz mit der grösten Natürlichkeit hervorzubringen, und das Bell-Duett hörte nicht eher auf, als bis die Grosmutter Eichmann heftig keifend dazwischen fuhr. Für eine wahre Wohlthat hielten wir es, als wir uns nach einigen Jahren von diesem widerwärtigen Kränzchen emancipiren durften.

Dem Onkel Eichmann, damals Kabinetsekretär beim

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0240" n="228"/>
daher mit der souveränsten Verachtung oder mit der Miene gnädiger Protection auf uns herab. Außerdem verlor sich das Gespräch nach den ersten Begrüßungen sehr bald in ein allgemeines lautes Geschwätz, vermischt mit gellendem krampfhaften Lachen und ohrenzerreißendem Kreischen. Ich saß mit meiner Schwester still in einer Ecke; wir suchten uns in unsre Lesebücher zu vertiefen und hörten misvergnügt in den wüsten Lärm hinaus. Ganz besonders zuwider war uns eine reiche Wittwe, die mit einem winzig kleinen, braunen Schooßmops, Namens Caro, in eigner Equipage angefahren kam. So gern wir sonst mit Hunden spielten, so erregte doch Caro wegen seines mürrischen Wesens unsern Abscheu, und weil wir gehört, daß er durch Branntwein in seiner unnatürlichen Kleinheit erhalten werde. Wir ertrugen die Langeweile dieser Abende mit Geduld, so lange wir allein waren; als Fritz in unser Haus kam, wurde es besser. Er war so erfinderisch, daß er es möglich machte, in unsrer Lese-Ecke kleine Komödien aufzuführen, worin er die Kreischtöne der Cousinen und Tanten auf das glücklichste nachahmte. Unsern Feind Caro suchte er anfangs durch ein zuvorkommendes Wesen zu gewinnen, als aber dies nichts half, so verfolgte er ihn mit allen möglichen Neckereien. Er hatte bemerkt, daß Caro besonders zornig wurde, wenn er sein eignes Knurren und Bellen nachgemacht hörte. Dies wußte Fritz mit der grösten Natürlichkeit hervorzubringen, und das Bell-Duett hörte nicht eher auf, als bis die Grosmutter Eichmann heftig keifend dazwischen fuhr. Für eine wahre Wohlthat hielten wir es, als wir uns nach einigen Jahren von diesem widerwärtigen Kränzchen emancipiren durften. </p><lb/>
          <p>Dem Onkel Eichmann, damals Kabinetsekretär beim
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0240] daher mit der souveränsten Verachtung oder mit der Miene gnädiger Protection auf uns herab. Außerdem verlor sich das Gespräch nach den ersten Begrüßungen sehr bald in ein allgemeines lautes Geschwätz, vermischt mit gellendem krampfhaften Lachen und ohrenzerreißendem Kreischen. Ich saß mit meiner Schwester still in einer Ecke; wir suchten uns in unsre Lesebücher zu vertiefen und hörten misvergnügt in den wüsten Lärm hinaus. Ganz besonders zuwider war uns eine reiche Wittwe, die mit einem winzig kleinen, braunen Schooßmops, Namens Caro, in eigner Equipage angefahren kam. So gern wir sonst mit Hunden spielten, so erregte doch Caro wegen seines mürrischen Wesens unsern Abscheu, und weil wir gehört, daß er durch Branntwein in seiner unnatürlichen Kleinheit erhalten werde. Wir ertrugen die Langeweile dieser Abende mit Geduld, so lange wir allein waren; als Fritz in unser Haus kam, wurde es besser. Er war so erfinderisch, daß er es möglich machte, in unsrer Lese-Ecke kleine Komödien aufzuführen, worin er die Kreischtöne der Cousinen und Tanten auf das glücklichste nachahmte. Unsern Feind Caro suchte er anfangs durch ein zuvorkommendes Wesen zu gewinnen, als aber dies nichts half, so verfolgte er ihn mit allen möglichen Neckereien. Er hatte bemerkt, daß Caro besonders zornig wurde, wenn er sein eignes Knurren und Bellen nachgemacht hörte. Dies wußte Fritz mit der grösten Natürlichkeit hervorzubringen, und das Bell-Duett hörte nicht eher auf, als bis die Grosmutter Eichmann heftig keifend dazwischen fuhr. Für eine wahre Wohlthat hielten wir es, als wir uns nach einigen Jahren von diesem widerwärtigen Kränzchen emancipiren durften. Dem Onkel Eichmann, damals Kabinetsekretär beim

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/240
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/240>, abgerufen am 27.04.2024.