Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

tertianer sah ich zu ihm dem Studenten, wie zu einem Halbgotte in die Höhe; wenn ich neben ihm stand, und ihn mit Leichtigkeit im großen Scheller lateinische Vokabeln aufschlagen sah, so zweifelte ich oft im stillen, ob ich eine solche Stufe der Gelehrsamkeit würde erklimmen können.

Der Grosvater Eichmann hatte von seiner Schulzeit her eine Anzahl lateinischer Brocken im Gedächtnisse behalten, die er hin und wieder zum Besten gab, ungeähr so wie der Ludimagister Schwalbe in Müllers Siegfried von Lindenberg. Wenn die erste Flasche leer war, so sagte er: Eichmann'n, du könntest uns wohl noch eine langen! und wenn diese erschien, so folgte der Vers:

Qui bibit ex negis, ex frischibus incipit ille!

Wenn er sich zu seinem Nachmittagspaziergange anschickte, so hieß es:

Post coenam stabis vel passus mille meabis.

Mit besonders kräftigem Schwunge sprach er:

Nos Poloni non curamus quantitatem syllabarum!

Um nun mit meinem Latein nicht zurückzubleiben, so citirte ich manchmal aus dem Stegreife einige grammatische Versus memoriales, wie:

Bei a und e in Prima hat

Allzeit das femininum Statt,

oder den Hexameter, der die acht partes orationis enthielt:

Vae tibi ridenti, quia mox post gaudia flebis!

oder einen andern mit den Interrogationen:

Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando?

tertianer sah ich zu ihm dem Studenten, wie zu einem Halbgotte in die Höhe; wenn ich neben ihm stand, und ihn mit Leichtigkeit im großen Scheller lateinische Vokabeln aufschlagen sah, so zweifelte ich oft im stillen, ob ich eine solche Stufe der Gelehrsamkeit würde erklimmen können.

Der Grosvater Eichmann hatte von seiner Schulzeit her eine Anzahl lateinischer Brocken im Gedächtnisse behalten, die er hin und wieder zum Besten gab, ungeähr so wie der Ludimagister Schwalbe in Müllers Siegfried von Lindenberg. Wenn die erste Flasche leer war, so sagte er: Eichmann’n, du könntest uns wohl noch eine langen! und wenn diese erschien, so folgte der Vers:

Qui bibit ex negis, ex frischibus incipit ille!

Wenn er sich zu seinem Nachmittagspaziergange anschickte, so hieß es:

Post coenam stabis vel passus mille meabis.

Mit besonders kräftigem Schwunge sprach er:

Nos Pōloni non cūramus quantītatem syllābarum!

Um nun mit meinem Latein nicht zurückzubleiben, so citirte ich manchmal aus dem Stegreife einige grammatische Versus memoriales, wie:

Bei a und e in Prima hat

Allzeit das femininum Statt,

oder den Hexameter, der die acht partes orationis enthielt:

Vae tibi ridenti, quia mox post gaudia flebis!

oder einen andern mit den Interrogationen:

Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0242" n="230"/>
tertianer sah ich zu ihm dem Studenten, wie zu einem Halbgotte in die Höhe; wenn ich neben ihm stand, und ihn mit Leichtigkeit im großen <hi rendition="#b">Scheller</hi> lateinische Vokabeln aufschlagen sah, so zweifelte ich oft im stillen, ob ich eine solche Stufe der Gelehrsamkeit würde erklimmen können. </p><lb/>
          <p>Der Grosvater Eichmann hatte von seiner Schulzeit her eine Anzahl lateinischer Brocken im Gedächtnisse behalten, die er hin und wieder zum Besten gab, ungeähr so wie der Ludimagister Schwalbe in Müllers Siegfried von Lindenberg. Wenn die erste Flasche leer war, so sagte er: Eichmann&#x2019;n, du könntest uns wohl noch eine langen! und wenn diese erschien, so folgte der Vers: </p><lb/>
          <p>Qui bibit ex negis, ex frischibus incipit ille! </p><lb/>
          <p>Wenn er sich zu seinem Nachmittagspaziergange anschickte, so hieß es: </p><lb/>
          <p>Post coenam stabis vel passus mille meabis. </p><lb/>
          <p>Mit besonders kräftigem Schwunge sprach er: </p><lb/>
          <p>Nos P&#x014D;loni non c&#x016B;ramus quant&#x012B;tatem syll&#x0101;barum! </p><lb/>
          <p>Um nun mit meinem Latein nicht zurückzubleiben, so citirte ich manchmal aus dem Stegreife einige grammatische Versus memoriales, wie: </p><lb/>
          <p>Bei <hi rendition="#i">a</hi> und <hi rendition="#i">e</hi> in Prima hat </p><lb/>
          <p>Allzeit das femininum Statt, </p><lb/>
          <p>oder den Hexameter, der die acht partes orationis enthielt: </p><lb/>
          <p>Vae tibi ridenti, quia mox post gaudia flebis! </p><lb/>
          <p>oder einen andern mit den Interrogationen: </p><lb/>
          <p>Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando?
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0242] tertianer sah ich zu ihm dem Studenten, wie zu einem Halbgotte in die Höhe; wenn ich neben ihm stand, und ihn mit Leichtigkeit im großen Scheller lateinische Vokabeln aufschlagen sah, so zweifelte ich oft im stillen, ob ich eine solche Stufe der Gelehrsamkeit würde erklimmen können. Der Grosvater Eichmann hatte von seiner Schulzeit her eine Anzahl lateinischer Brocken im Gedächtnisse behalten, die er hin und wieder zum Besten gab, ungeähr so wie der Ludimagister Schwalbe in Müllers Siegfried von Lindenberg. Wenn die erste Flasche leer war, so sagte er: Eichmann’n, du könntest uns wohl noch eine langen! und wenn diese erschien, so folgte der Vers: Qui bibit ex negis, ex frischibus incipit ille! Wenn er sich zu seinem Nachmittagspaziergange anschickte, so hieß es: Post coenam stabis vel passus mille meabis. Mit besonders kräftigem Schwunge sprach er: Nos Pōloni non cūramus quantītatem syllābarum! Um nun mit meinem Latein nicht zurückzubleiben, so citirte ich manchmal aus dem Stegreife einige grammatische Versus memoriales, wie: Bei a und e in Prima hat Allzeit das femininum Statt, oder den Hexameter, der die acht partes orationis enthielt: Vae tibi ridenti, quia mox post gaudia flebis! oder einen andern mit den Interrogationen: Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/242
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/242>, abgerufen am 27.04.2024.