Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite


nes Reißbrett von Lindenholz wurde in tadelloser Weise mit dem feinsten Schweizer Papier bespannt, um Zeichnungen in schwarzer und rother Kreide auszuführen. Noch rieche ich den feinen Duft des Cedernholzes, wenn sie das Kästchen mit den englischen Bleistiften öffnete. Schon früh hatte ich Perspektive gelernt, und behandelte die perspektivischen Zeichnungen mit besonderer Vorliebe, aber ich wurde oft durch die Kleinheit meines Reißbrettes gehemmt, so oft es nöthig wurde, entfernte Durchschnittspunkte zu gebrauchen. Bei der Tante fand ich ein Reißbrett mit 2 langen schmalen Seitenansätzen, wodurch man jene Entfernungen um das Doppelte vergrößern konnte.

Auch im Zeichnen nach Bildwerken hatte sie sich geübt, und bei einem Besuche im Grunewalde ein Basrelief des dortigen alten Jagdschlosses kopirt, das den Kurfürsten Joachim II. (1531-1572) und seinen Baumeister Casper Theys darstellt. Ein kleiner Aufsatz darüber steht in der Berlinischen Monatschrift Jan. 1807, p. 3. Mit großer Verehrung lasen wir unter dem in Kupfer gestochenen Basrelief: gez. von H. J. L. E., d. h. gezeichnet von Henriette J. L. Eichmann.

Im Parke von Schönhausen waren ihr einige Buchen aufgefallen, die sich in mäßiger Höhe über der Erde getrennt hatten, und dann wieder zusammengewachsen waren. Sie zeichnete diese Stämme für Wildenow, der an dem merkwürdigen Vorkommen großes Interesse nahm. Wir besuchten zusammen die wunderbaren Bäume, und konnten uns nicht genug über diese Trennung und Wiedervereinigung wundern. Später erfuhr ich, daß diese Erscheinung durch die Eigenart der Buche bedingt sei, die ein sehr hartes Holz mit weicher Rinde besitzt. Wenn die Rinden


nes Reißbrett von Lindenholz wurde in tadelloser Weise mit dem feinsten Schweizer Papier bespannt, um Zeichnungen in schwarzer und rother Kreide auszuführen. Noch rieche ich den feinen Duft des Cedernholzes, wenn sie das Kästchen mit den englischen Bleistiften öffnete. Schon früh hatte ich Perspektive gelernt, und behandelte die perspektivischen Zeichnungen mit besonderer Vorliebe, aber ich wurde oft durch die Kleinheit meines Reißbrettes gehemmt, so oft es nöthig wurde, entfernte Durchschnittspunkte zu gebrauchen. Bei der Tante fand ich ein Reißbrett mit 2 langen schmalen Seitenansätzen, wodurch man jene Entfernungen um das Doppelte vergrößern konnte.

Auch im Zeichnen nach Bildwerken hatte sie sich geübt, und bei einem Besuche im Grunewalde ein Basrelief des dortigen alten Jagdschlosses kopirt, das den Kurfürsten Joachim II. (1531–1572) und seinen Baumeister Casper Theys darstellt. Ein kleiner Aufsatz darüber steht in der Berlinischen Monatschrift Jan. 1807, p. 3. Mit großer Verehrung lasen wir unter dem in Kupfer gestochenen Basrelief: gez. von H. J. L. E., d. h. gezeichnet von Henriette J. L. Eichmann.

Im Parke von Schönhausen waren ihr einige Buchen aufgefallen, die sich in mäßiger Höhe über der Erde getrennt hatten, und dann wieder zusammengewachsen waren. Sie zeichnete diese Stämme für Wildenow, der an dem merkwürdigen Vorkommen großes Interesse nahm. Wir besuchten zusammen die wunderbaren Bäume, und konnten uns nicht genug über diese Trennung und Wiedervereinigung wundern. Später erfuhr ich, daß diese Erscheinung durch die Eigenart der Buche bedingt sei, die ein sehr hartes Holz mit weicher Rinde besitzt. Wenn die Rinden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0265" n="253"/><lb/>
nes Reißbrett von Lindenholz wurde in tadelloser Weise mit dem feinsten Schweizer Papier bespannt, um Zeichnungen in schwarzer und rother Kreide auszuführen. Noch rieche ich den feinen Duft des Cedernholzes, wenn sie das Kästchen mit den englischen Bleistiften öffnete. Schon früh hatte ich Perspektive gelernt, und behandelte die perspektivischen Zeichnungen mit besonderer Vorliebe, aber ich wurde oft durch die Kleinheit meines Reißbrettes gehemmt, so oft es nöthig wurde, entfernte Durchschnittspunkte zu gebrauchen. Bei der Tante fand ich ein Reißbrett mit 2 langen schmalen Seitenansätzen, wodurch man jene Entfernungen um das Doppelte vergrößern konnte. </p><lb/>
          <p>Auch im Zeichnen nach Bildwerken hatte sie sich geübt, und bei einem Besuche im Grunewalde ein Basrelief des dortigen alten Jagdschlosses kopirt, das den Kurfürsten Joachim II. (1531&#x2013;1572) und seinen Baumeister Casper Theys darstellt. Ein kleiner Aufsatz darüber steht in der Berlinischen Monatschrift Jan. 1807, p. 3. Mit großer Verehrung lasen wir unter dem in Kupfer gestochenen Basrelief: gez. von H. J. L. E., d. h. gezeichnet von Henriette J. L. Eichmann. </p><lb/>
          <p>Im Parke von Schönhausen waren ihr einige Buchen aufgefallen, die sich in mäßiger Höhe über der Erde getrennt hatten, und dann wieder zusammengewachsen waren. Sie zeichnete diese Stämme für Wildenow, der an dem merkwürdigen Vorkommen großes Interesse nahm. Wir besuchten zusammen die wunderbaren Bäume, und konnten uns nicht genug über diese Trennung und Wiedervereinigung wundern. Später erfuhr ich, daß diese Erscheinung durch die Eigenart der Buche bedingt sei, die ein sehr hartes Holz mit weicher Rinde besitzt. Wenn die Rinden
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0265] nes Reißbrett von Lindenholz wurde in tadelloser Weise mit dem feinsten Schweizer Papier bespannt, um Zeichnungen in schwarzer und rother Kreide auszuführen. Noch rieche ich den feinen Duft des Cedernholzes, wenn sie das Kästchen mit den englischen Bleistiften öffnete. Schon früh hatte ich Perspektive gelernt, und behandelte die perspektivischen Zeichnungen mit besonderer Vorliebe, aber ich wurde oft durch die Kleinheit meines Reißbrettes gehemmt, so oft es nöthig wurde, entfernte Durchschnittspunkte zu gebrauchen. Bei der Tante fand ich ein Reißbrett mit 2 langen schmalen Seitenansätzen, wodurch man jene Entfernungen um das Doppelte vergrößern konnte. Auch im Zeichnen nach Bildwerken hatte sie sich geübt, und bei einem Besuche im Grunewalde ein Basrelief des dortigen alten Jagdschlosses kopirt, das den Kurfürsten Joachim II. (1531–1572) und seinen Baumeister Casper Theys darstellt. Ein kleiner Aufsatz darüber steht in der Berlinischen Monatschrift Jan. 1807, p. 3. Mit großer Verehrung lasen wir unter dem in Kupfer gestochenen Basrelief: gez. von H. J. L. E., d. h. gezeichnet von Henriette J. L. Eichmann. Im Parke von Schönhausen waren ihr einige Buchen aufgefallen, die sich in mäßiger Höhe über der Erde getrennt hatten, und dann wieder zusammengewachsen waren. Sie zeichnete diese Stämme für Wildenow, der an dem merkwürdigen Vorkommen großes Interesse nahm. Wir besuchten zusammen die wunderbaren Bäume, und konnten uns nicht genug über diese Trennung und Wiedervereinigung wundern. Später erfuhr ich, daß diese Erscheinung durch die Eigenart der Buche bedingt sei, die ein sehr hartes Holz mit weicher Rinde besitzt. Wenn die Rinden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/265
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/265>, abgerufen am 09.05.2024.