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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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und gab dem gewandten Schauspieler Fritz die herrlichste Gelegenheit, unsere beiderseitigen Versuche zur Erlangung gesellschaftlicher Grazie mimisch zu verspotten.

Nicht lange nachher kam der Oberst eines polnischen Ulanenregiments, von Lubinski, der längere Zeit bei uns blieb, und sich mithin dem Gedächtnisse fester einprägte. Eine gedrungene, breitschultrige Gestalt von elastischen, kräftigen Bewegungen und sehr freundlichem Gesichtsausdrucke. Jeden Morgen ritt er hinaus auf das Köpnicker Feld, um sein Regiment zu exerciren. Mit wahrer Wonne sahen wir zu, wenn ihm im Hofe sein spiegelblanker, reichgeschirrter Rappe vorgeführt ward, wie er sich rasch in den Sattel des ungeduldigen Thieres schwang, und in tanzenden, leichten Kurbetten, anmuthig grüßend dahinschwebte. Sein Adjutant, hochgewachsen und schlank, geschmeidig wie ein Aal, hatte ein wahres Falkenauge, das er zuweilen mit unheimlichem Glanze über die Tafel dahinblitzen ließ. Beide Offiziere waren unter sich innig befreundet, und bewegten sich in den feinsten, aristokratischen Formen, deren äußere Glätte den Polen ganz besonders gut steht. Wir wurden von den älteren Tischgenossen darauf aufmerksam gemacht, daß die beiden Gäste unter sich niemals polnisch, sondern nur französisch sprachen, um nicht zu der Muthmaßung Anlaß zu geben, als ob sie über jemand von der Gesellschaft irgend eine Bemerkung machten. Ueber Politik waren sie weit zurückhaltender als die beiden Pariser, nur glaubten wir zu bemerken, daß die unergründlichen Augen des Adjutanten einen besonders infernalischen Ausdruck annahmen, wenn von dem Kaiser Napoleon und dessen Zwecken bei diesem russischen Kriege die Rede war.

und gab dem gewandten Schauspieler Fritz die herrlichste Gelegenheit, unsere beiderseitigen Versuche zur Erlangung gesellschaftlicher Grazie mimisch zu verspotten.

Nicht lange nachher kam der Oberst eines polnischen Ulanenregiments, von Lubinski, der längere Zeit bei uns blieb, und sich mithin dem Gedächtnisse fester einprägte. Eine gedrungene, breitschultrige Gestalt von elastischen, kräftigen Bewegungen und sehr freundlichem Gesichtsausdrucke. Jeden Morgen ritt er hinaus auf das Köpnicker Feld, um sein Regiment zu exerciren. Mit wahrer Wonne sahen wir zu, wenn ihm im Hofe sein spiegelblanker, reichgeschirrter Rappe vorgeführt ward, wie er sich rasch in den Sattel des ungeduldigen Thieres schwang, und in tanzenden, leichten Kurbetten, anmuthig grüßend dahinschwebte. Sein Adjutant, hochgewachsen und schlank, geschmeidig wie ein Aal, hatte ein wahres Falkenauge, das er zuweilen mit unheimlichem Glanze über die Tafel dahinblitzen ließ. Beide Offiziere waren unter sich innig befreundet, und bewegten sich in den feinsten, aristokratischen Formen, deren äußere Glätte den Polen ganz besonders gut steht. Wir wurden von den älteren Tischgenossen darauf aufmerksam gemacht, daß die beiden Gäste unter sich niemals polnisch, sondern nur französisch sprachen, um nicht zu der Muthmaßung Anlaß zu geben, als ob sie über jemand von der Gesellschaft irgend eine Bemerkung machten. Ueber Politik waren sie weit zurückhaltender als die beiden Pariser, nur glaubten wir zu bemerken, daß die unergründlichen Augen des Adjutanten einen besonders infernalischen Ausdruck annahmen, wenn von dem Kaiser Napoléon und dessen Zwecken bei diesem russischen Kriege die Rede war.

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[316/0328] und gab dem gewandten Schauspieler Fritz die herrlichste Gelegenheit, unsere beiderseitigen Versuche zur Erlangung gesellschaftlicher Grazie mimisch zu verspotten. Nicht lange nachher kam der Oberst eines polnischen Ulanenregiments, von Lubinski, der längere Zeit bei uns blieb, und sich mithin dem Gedächtnisse fester einprägte. Eine gedrungene, breitschultrige Gestalt von elastischen, kräftigen Bewegungen und sehr freundlichem Gesichtsausdrucke. Jeden Morgen ritt er hinaus auf das Köpnicker Feld, um sein Regiment zu exerciren. Mit wahrer Wonne sahen wir zu, wenn ihm im Hofe sein spiegelblanker, reichgeschirrter Rappe vorgeführt ward, wie er sich rasch in den Sattel des ungeduldigen Thieres schwang, und in tanzenden, leichten Kurbetten, anmuthig grüßend dahinschwebte. Sein Adjutant, hochgewachsen und schlank, geschmeidig wie ein Aal, hatte ein wahres Falkenauge, das er zuweilen mit unheimlichem Glanze über die Tafel dahinblitzen ließ. Beide Offiziere waren unter sich innig befreundet, und bewegten sich in den feinsten, aristokratischen Formen, deren äußere Glätte den Polen ganz besonders gut steht. Wir wurden von den älteren Tischgenossen darauf aufmerksam gemacht, daß die beiden Gäste unter sich niemals polnisch, sondern nur französisch sprachen, um nicht zu der Muthmaßung Anlaß zu geben, als ob sie über jemand von der Gesellschaft irgend eine Bemerkung machten. Ueber Politik waren sie weit zurückhaltender als die beiden Pariser, nur glaubten wir zu bemerken, daß die unergründlichen Augen des Adjutanten einen besonders infernalischen Ausdruck annahmen, wenn von dem Kaiser Napoléon und dessen Zwecken bei diesem russischen Kriege die Rede war.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/328>, abgerufen am 08.05.2024.