Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

improvisirten Schauspielen zuweilen einen Banditen mit hölzernem Dolche und fürchterlichen Gesichtsverzerrungen darstellte, nahm jene Heldenthat für sich ganz allein in Anspruch.

Trotz aller drohenden politischen Gewitterwolken bezogen wir auch im Frühling 1813 den großen Garten in der Blumenstraße. Es entspann sich ein lebhafter Verkehr zwischen dem Stadt- und Landhause, indem die neusten Nachrichten nicht schnell genug hinaus- und hereingebracht werden konnten. Wenn Fritz aus der Hartungschen Schule zum Vesperbrodt hinauskam, so hatte er gewöhnlich irgend ein merkwürdiges Erlebniß mitzutheilen, z. B. er habe eine Batterie von 12 Kanonen die Königs Straße hinunterziehn sehn, beim Stillehalten habe ein Kanonier sich einen Schnaps geben lassen, und den umstehenden Leuten versichert, es werde nächstens eine große Schlacht geben; "und der konnte es doch wohl wissen!" setzte Fritz mit gläubigem Vertrauen hinzu. "Gerade so gut als du", erwiederte ihm der Grosvater Eichmann, "du hättest doch gleich merken können, daß er euch etwas auf die Nase binden wollte."

Aber der Kanonier hatte doch Recht gehabt. Noch einmal versuchten die Preußen ihr Waffenglück gegen Napoleon in der Schlacht bei Bautzen, wovon die Nachricht am 27. Mai nach Berlin gelangte. Die Erbitterung des Kampfes war wo möglich noch größer als bei Lützen. Der französische Marschall Duroc ward an der Seite des Kaisers Napoleon von einer Kanonenkugel dahingerafft. Bis zum Abend behaupteten die Preußen das Schlachtfeld, doch hielten die Führer es für gerathen, in der Nacht den Rückzug anzutreten, den die Franzosen nicht beun-

improvisirten Schauspielen zuweilen einen Banditen mit hölzernem Dolche und fürchterlichen Gesichtsverzerrungen darstellte, nahm jene Heldenthat für sich ganz allein in Anspruch.

Trotz aller drohenden politischen Gewitterwolken bezogen wir auch im Frühling 1813 den großen Garten in der Blumenstraße. Es entspann sich ein lebhafter Verkehr zwischen dem Stadt- und Landhause, indem die neusten Nachrichten nicht schnell genug hinaus- und hereingebracht werden konnten. Wenn Fritz aus der Hartungschen Schule zum Vesperbrodt hinauskam, so hatte er gewöhnlich irgend ein merkwürdiges Erlebniß mitzutheilen, z. B. er habe eine Batterie von 12 Kanonen die Königs Straße hinunterziehn sehn, beim Stillehalten habe ein Kanonier sich einen Schnaps geben lassen, und den umstehenden Leuten versichert, es werde nächstens eine große Schlacht geben; „und der konnte es doch wohl wissen!“ setzte Fritz mit gläubigem Vertrauen hinzu. „Gerade so gut als du“, erwiederte ihm der Grosvater Eichmann, „du hättest doch gleich merken können, daß er euch etwas auf die Nase binden wollte.“

Aber der Kanonier hatte doch Recht gehabt. Noch einmal versuchten die Preußen ihr Waffenglück gegen Napoléon in der Schlacht bei Bautzen, wovon die Nachricht am 27. Mai nach Berlin gelangte. Die Erbitterung des Kampfes war wo möglich noch größer als bei Lützen. Der französische Marschall Duroc ward an der Seite des Kaisers Napoléon von einer Kanonenkugel dahingerafft. Bis zum Abend behaupteten die Preußen das Schlachtfeld, doch hielten die Führer es für gerathen, in der Nacht den Rückzug anzutreten, den die Franzosen nicht beun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0374" n="362"/>
improvisirten Schauspielen zuweilen einen Banditen mit hölzernem Dolche und fürchterlichen Gesichtsverzerrungen darstellte, nahm jene Heldenthat für sich ganz allein in Anspruch. </p><lb/>
          <p>Trotz aller drohenden politischen Gewitterwolken bezogen wir auch im Frühling 1813 den großen Garten in der Blumenstraße. Es entspann sich ein lebhafter Verkehr zwischen dem Stadt- und Landhause, indem die neusten Nachrichten nicht schnell genug hinaus- und hereingebracht werden konnten. Wenn Fritz aus der Hartungschen Schule zum Vesperbrodt hinauskam, so hatte er gewöhnlich irgend ein merkwürdiges Erlebniß mitzutheilen, z. B. er habe eine Batterie von 12 Kanonen die Königs Straße hinunterziehn sehn, beim Stillehalten habe ein Kanonier sich einen Schnaps geben lassen, und den umstehenden Leuten versichert, es werde nächstens eine große Schlacht geben; &#x201E;und der konnte es doch wohl wissen!&#x201C; setzte Fritz mit gläubigem Vertrauen hinzu. &#x201E;Gerade so gut als du&#x201C;, erwiederte ihm der Grosvater Eichmann, &#x201E;du hättest doch gleich merken können, daß er euch etwas auf die Nase binden wollte.&#x201C; </p><lb/>
          <p>Aber der Kanonier hatte doch Recht gehabt. Noch einmal versuchten die Preußen ihr Waffenglück gegen Napoléon in der Schlacht bei Bautzen, wovon die Nachricht am 27. Mai nach Berlin gelangte. Die Erbitterung des Kampfes war wo möglich noch größer als bei Lützen. Der französische Marschall Duroc ward an der Seite des Kaisers Napoléon von einer Kanonenkugel dahingerafft. Bis zum Abend behaupteten die Preußen das Schlachtfeld, doch hielten die Führer es für gerathen, in der Nacht den Rückzug anzutreten, den die Franzosen nicht beun-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0374] improvisirten Schauspielen zuweilen einen Banditen mit hölzernem Dolche und fürchterlichen Gesichtsverzerrungen darstellte, nahm jene Heldenthat für sich ganz allein in Anspruch. Trotz aller drohenden politischen Gewitterwolken bezogen wir auch im Frühling 1813 den großen Garten in der Blumenstraße. Es entspann sich ein lebhafter Verkehr zwischen dem Stadt- und Landhause, indem die neusten Nachrichten nicht schnell genug hinaus- und hereingebracht werden konnten. Wenn Fritz aus der Hartungschen Schule zum Vesperbrodt hinauskam, so hatte er gewöhnlich irgend ein merkwürdiges Erlebniß mitzutheilen, z. B. er habe eine Batterie von 12 Kanonen die Königs Straße hinunterziehn sehn, beim Stillehalten habe ein Kanonier sich einen Schnaps geben lassen, und den umstehenden Leuten versichert, es werde nächstens eine große Schlacht geben; „und der konnte es doch wohl wissen!“ setzte Fritz mit gläubigem Vertrauen hinzu. „Gerade so gut als du“, erwiederte ihm der Grosvater Eichmann, „du hättest doch gleich merken können, daß er euch etwas auf die Nase binden wollte.“ Aber der Kanonier hatte doch Recht gehabt. Noch einmal versuchten die Preußen ihr Waffenglück gegen Napoléon in der Schlacht bei Bautzen, wovon die Nachricht am 27. Mai nach Berlin gelangte. Die Erbitterung des Kampfes war wo möglich noch größer als bei Lützen. Der französische Marschall Duroc ward an der Seite des Kaisers Napoléon von einer Kanonenkugel dahingerafft. Bis zum Abend behaupteten die Preußen das Schlachtfeld, doch hielten die Führer es für gerathen, in der Nacht den Rückzug anzutreten, den die Franzosen nicht beun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/374
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/374>, abgerufen am 08.05.2024.