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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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darauf, lieber Herr Major, so lange die Elbe bei Hamburg vorbeifließt, so lange wird Hamburg eine blühende Handelstadt bleiben, und wenn man nach einigen Jahren die Kellerräume der Bank revidiren wird, so wird nicht mehr viel an den geraubten Millionen fehlen!

Von den aus dem Felde heimkehrenden Freunden waren mehrere mit in Paris gewesen. Ihre Schilderungen erweckten uns jedoch keine große Lust, das moderne Babel zu sehn, gegen welches unser Berlin kaum als eine Stadt dritten oder vierten Ranges gelten konnte. Zwar bewegte man sich in den lichtstrahlenden Arkaden des Palais Royal allabendlich wie in einem Feuermeere, die feine Eleganz der Restaurationen, die vornehme Weite der Foyers in den meisten Theatern, die Breite der schönen steinernen Quais an der Seine setzten die nordischen Besucher in Verwunderung, doch fehlte es nicht an Schattenseiten. Die endlose Länge der engen schmutzigen Straßen, das Gedränge auf den mit Bäumen besetzten Boulevards, der rastlose Lärm der dahineilenden Wagen, das zudringliche Geschrei der Verkäufer - alles dies erweckte in den einziehenden Siegern, besonders wenn einer sich einmal allein in dem Labyrinthe der Straßen verirrte, ein gewisses Gefühl von Bangigkeit. Was konnten wohl 30,000 oder 40,000 Soldaten ausrichten, wenn 800,000 Pariser sich feindlich gegen sie erheben wollten? Aber die Pariser waren keineswegs feindlich gesinnt. Sie fühlten wohl die Schmach, nach mehreren Jahrhunderten wieder einen auswärtigen Feind in ihren Mauern zu sehn, doch empfingen sie die verbündeten Truppen als ihre Befreier von einer eisernen Militärherrschaft, die von Jahr zu Jahr immer unerträglicher auf ihnen gelastet hatte.

darauf, lieber Herr Major, so lange die Elbe bei Hamburg vorbeifließt, so lange wird Hamburg eine blühende Handelstadt bleiben, und wenn man nach einigen Jahren die Kellerräume der Bank revidiren wird, so wird nicht mehr viel an den geraubten Millionen fehlen!

Von den aus dem Felde heimkehrenden Freunden waren mehrere mit in Paris gewesen. Ihre Schilderungen erweckten uns jedoch keine große Lust, das moderne Babel zu sehn, gegen welches unser Berlin kaum als eine Stadt dritten oder vierten Ranges gelten konnte. Zwar bewegte man sich in den lichtstrahlenden Arkaden des Palais Royal allabendlich wie in einem Feuermeere, die feine Eleganz der Restaurationen, die vornehme Weite der Foyers in den meisten Theatern, die Breite der schönen steinernen Quais an der Seine setzten die nordischen Besucher in Verwunderung, doch fehlte es nicht an Schattenseiten. Die endlose Länge der engen schmutzigen Straßen, das Gedränge auf den mit Bäumen besetzten Boulevards, der rastlose Lärm der dahineilenden Wagen, das zudringliche Geschrei der Verkäufer – alles dies erweckte in den einziehenden Siegern, besonders wenn einer sich einmal allein in dem Labyrinthe der Straßen verirrte, ein gewisses Gefühl von Bangigkeit. Was konnten wohl 30,000 oder 40,000 Soldaten ausrichten, wenn 800,000 Pariser sich feindlich gegen sie erheben wollten? Aber die Pariser waren keineswegs feindlich gesinnt. Sie fühlten wohl die Schmach, nach mehreren Jahrhunderten wieder einen auswärtigen Feind in ihren Mauern zu sehn, doch empfingen sie die verbündeten Truppen als ihre Befreier von einer eisernen Militärherrschaft, die von Jahr zu Jahr immer unerträglicher auf ihnen gelastet hatte.

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[447/0459] darauf, lieber Herr Major, so lange die Elbe bei Hamburg vorbeifließt, so lange wird Hamburg eine blühende Handelstadt bleiben, und wenn man nach einigen Jahren die Kellerräume der Bank revidiren wird, so wird nicht mehr viel an den geraubten Millionen fehlen! Von den aus dem Felde heimkehrenden Freunden waren mehrere mit in Paris gewesen. Ihre Schilderungen erweckten uns jedoch keine große Lust, das moderne Babel zu sehn, gegen welches unser Berlin kaum als eine Stadt dritten oder vierten Ranges gelten konnte. Zwar bewegte man sich in den lichtstrahlenden Arkaden des Palais Royal allabendlich wie in einem Feuermeere, die feine Eleganz der Restaurationen, die vornehme Weite der Foyers in den meisten Theatern, die Breite der schönen steinernen Quais an der Seine setzten die nordischen Besucher in Verwunderung, doch fehlte es nicht an Schattenseiten. Die endlose Länge der engen schmutzigen Straßen, das Gedränge auf den mit Bäumen besetzten Boulevards, der rastlose Lärm der dahineilenden Wagen, das zudringliche Geschrei der Verkäufer – alles dies erweckte in den einziehenden Siegern, besonders wenn einer sich einmal allein in dem Labyrinthe der Straßen verirrte, ein gewisses Gefühl von Bangigkeit. Was konnten wohl 30,000 oder 40,000 Soldaten ausrichten, wenn 800,000 Pariser sich feindlich gegen sie erheben wollten? Aber die Pariser waren keineswegs feindlich gesinnt. Sie fühlten wohl die Schmach, nach mehreren Jahrhunderten wieder einen auswärtigen Feind in ihren Mauern zu sehn, doch empfingen sie die verbündeten Truppen als ihre Befreier von einer eisernen Militärherrschaft, die von Jahr zu Jahr immer unerträglicher auf ihnen gelastet hatte.

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/459>, abgerufen am 30.04.2024.