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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Studiosus juris Beuster wegen seines großen Sprachtalentes. Das französische und englische sprach und las er nicht nur mit großer Geläufigkeit, sondern es machte ihm sogar Vergnügen, die Kollegia französisch oder englisch nachzuschreiben. Auch lud er sich bei seinen Freunden zu Gaste, um broschirte Bücher aufzuschneiden, und steckte mich mit dieser Liebhaberei an. Noch jetzt ist es mir ein angenehmes Geschäft, mit einem recht scharfen Messer die Broschüren, wenn sie vom Buchbinder kommen, aufzuschneiden, doch ist es mir unmöglich, dasselbe mit einem stumpfen Messer oder gar mit einem Falzbeine zu verrichten. Beusters specielle Fähigkeit für Sprachen konnte zu den schönsten Hoffnungen berechtigen, allein er starb wenige Jahre nach Vollendung seiner akademischen Laufbahn.

Martins, ein kleiner bildschöner Jurist, war ohne Zweifel der geistreichste des ganzen Kreises. Es gewährte mir das gröste Behagen, ihn über irgend ein Thema sprechen zu hören, oder mit ihm zu disputiren. Die griechischen und lateinischen Klassiker las er ohne Anstoß; er überraschte uns durch treffende philologische Sprach- und Sachbemerkungen. Später wurde er als Referendarius oder gar als Assessor in eine ärgerliche Untersuchung verwickelt, weil er bei einem Zweckessen in Naumburg trunkenen Muthes ein Pereat auf den "russischen Kaiser und die ganze russische Brut" ausgebracht. Im Jahre 1848 gehörte er zu den ausgeprägtesten Demokraten; in seiner Arbeitstube hingen zwei französische Kupferstiche: der Schwur im Ballhause und die Stürmung der Bastille im Jahre 1789. Als Rechtsanwalt vertheidigte er die Polen in dem großen Prozesse des Jahres 1846, konnte aber

Studiosus juris Beuster wegen seines großen Sprachtalentes. Das französische und englische sprach und las er nicht nur mit großer Geläufigkeit, sondern es machte ihm sogar Vergnügen, die Kollegia französisch oder englisch nachzuschreiben. Auch lud er sich bei seinen Freunden zu Gaste, um broschirte Bücher aufzuschneiden, und steckte mich mit dieser Liebhaberei an. Noch jetzt ist es mir ein angenehmes Geschäft, mit einem recht scharfen Messer die Broschüren, wenn sie vom Buchbinder kommen, aufzuschneiden, doch ist es mir unmöglich, dasselbe mit einem stumpfen Messer oder gar mit einem Falzbeine zu verrichten. Beusters specielle Fähigkeit für Sprachen konnte zu den schönsten Hoffnungen berechtigen, allein er starb wenige Jahre nach Vollendung seiner akademischen Laufbahn.

Martins, ein kleiner bildschöner Jurist, war ohne Zweifel der geistreichste des ganzen Kreises. Es gewährte mir das gröste Behagen, ihn über irgend ein Thema sprechen zu hören, oder mit ihm zu disputiren. Die griechischen und lateinischen Klassiker las er ohne Anstoß; er überraschte uns durch treffende philologische Sprach- und Sachbemerkungen. Später wurde er als Referendarius oder gar als Assessor in eine ärgerliche Untersuchung verwickelt, weil er bei einem Zweckessen in Naumburg trunkenen Muthes ein Pereat auf den „russischen Kaiser und die ganze russische Brut“ ausgebracht. Im Jahre 1848 gehörte er zu den ausgeprägtesten Demokraten; in seiner Arbeitstube hingen zwei französische Kupferstiche: der Schwur im Ballhause und die Stürmung der Bastille im Jahre 1789. Als Rechtsanwalt vertheidigte er die Polen in dem großen Prozesse des Jahres 1846, konnte aber

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Studiosus juris Beuster wegen seines großen Sprachtalentes. Das französische und englische sprach und las er nicht nur mit großer Geläufigkeit, sondern es machte ihm sogar Vergnügen, die Kollegia französisch oder englisch nachzuschreiben. Auch lud er sich bei seinen Freunden zu Gaste, um broschirte Bücher aufzuschneiden, und steckte mich mit dieser Liebhaberei an. Noch jetzt ist es mir ein angenehmes Geschäft, mit einem recht scharfen Messer die Broschüren, wenn sie vom Buchbinder kommen, aufzuschneiden, doch ist es mir unmöglich, dasselbe mit einem stumpfen Messer oder gar mit einem Falzbeine zu verrichten. Beusters specielle Fähigkeit für Sprachen konnte zu den schönsten Hoffnungen berechtigen, allein er starb wenige Jahre nach Vollendung seiner akademischen Laufbahn. </p><lb/>
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[148/0156] Studiosus juris Beuster wegen seines großen Sprachtalentes. Das französische und englische sprach und las er nicht nur mit großer Geläufigkeit, sondern es machte ihm sogar Vergnügen, die Kollegia französisch oder englisch nachzuschreiben. Auch lud er sich bei seinen Freunden zu Gaste, um broschirte Bücher aufzuschneiden, und steckte mich mit dieser Liebhaberei an. Noch jetzt ist es mir ein angenehmes Geschäft, mit einem recht scharfen Messer die Broschüren, wenn sie vom Buchbinder kommen, aufzuschneiden, doch ist es mir unmöglich, dasselbe mit einem stumpfen Messer oder gar mit einem Falzbeine zu verrichten. Beusters specielle Fähigkeit für Sprachen konnte zu den schönsten Hoffnungen berechtigen, allein er starb wenige Jahre nach Vollendung seiner akademischen Laufbahn. Martins, ein kleiner bildschöner Jurist, war ohne Zweifel der geistreichste des ganzen Kreises. Es gewährte mir das gröste Behagen, ihn über irgend ein Thema sprechen zu hören, oder mit ihm zu disputiren. Die griechischen und lateinischen Klassiker las er ohne Anstoß; er überraschte uns durch treffende philologische Sprach- und Sachbemerkungen. Später wurde er als Referendarius oder gar als Assessor in eine ärgerliche Untersuchung verwickelt, weil er bei einem Zweckessen in Naumburg trunkenen Muthes ein Pereat auf den „russischen Kaiser und die ganze russische Brut“ ausgebracht. Im Jahre 1848 gehörte er zu den ausgeprägtesten Demokraten; in seiner Arbeitstube hingen zwei französische Kupferstiche: der Schwur im Ballhause und die Stürmung der Bastille im Jahre 1789. Als Rechtsanwalt vertheidigte er die Polen in dem großen Prozesse des Jahres 1846, konnte aber

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/156>, abgerufen am 30.04.2024.