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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Während dieser kurzen Zeit konnte es mir nicht entgehn, daß August meiner Schwester eine stille innige Neigung zugewendet. Dies schmerzte mich, denn ich bemerkte ebenfalls, daß dieses Gefühl keine Erwiederung fand. Gern hätte ich mich mit ihm darüber ausgesprochen; ich gab ihm mehr als einmal Gelegenheit dazu, allein er war so verschämt, daß er diese aufkeimende Regung kaum sich selbst gestehn mochte, geschweige denn einem anderen, und wäre es sein vertrautester Freund gewesen.

Auch von anderen Seiten wurden meiner Schwester geheime und offene Huldigungen dargebracht, ohne daß sie sonderlich Notiz davon nahm. Der tapfre, aber einsylbige Rittmeister von Wurmb wußte am Theetische so lange zu manövriren, bis sein Stuhl neben dem meiner Schwester zu stehn kam. Ein weimarscher Legationsrath Cruikshank, der sich auf seine schönen Zähne etwas zu Gute that, ließ es niemals, so oft er kam, an galanten Redensarten fehlen, zog aber sehr bald seine diplomatischen Fühlhörner ein, als er wahrnahm, daß er auf kein Entgegenkommen rechnen könne. Einst erhielt meine Schwester an ihrem Geburtstage (2. Okt.) einen allerliebsten anonymen Brief, der in sinniger Weise alle ihre guten Eigenschaften hervorhob, und zuletzt das baldige Erscheinen des Schreibers ankündigte, um seine Werbung mündlich anzubringen. Wir hatten nach der Handschrift unsern lieben Zeichenlehrer Dähling im Verdachte der Autorschaft; er läugnete aber mit so ehrlicher Miene, daß wir seinen Worten nicht mistrauen konnten; bald genug stellte es sich heraus, daß der Scherz von dem Konsistorialrath Delbrück, dem ehemaligen Erzieher des Kronprinzen herrühre. Ob er mit seiner Werbung Ernst gemacht, ist mir nicht er-

Während dieser kurzen Zeit konnte es mir nicht entgehn, daß August meiner Schwester eine stille innige Neigung zugewendet. Dies schmerzte mich, denn ich bemerkte ebenfalls, daß dieses Gefühl keine Erwiederung fand. Gern hätte ich mich mit ihm darüber ausgesprochen; ich gab ihm mehr als einmal Gelegenheit dazu, allein er war so verschämt, daß er diese aufkeimende Regung kaum sich selbst gestehn mochte, geschweige denn einem anderen, und wäre es sein vertrautester Freund gewesen.

Auch von anderen Seiten wurden meiner Schwester geheime und offene Huldigungen dargebracht, ohne daß sie sonderlich Notiz davon nahm. Der tapfre, aber einsylbige Rittmeister von Wurmb wußte am Theetische so lange zu manövriren, bis sein Stuhl neben dem meiner Schwester zu stehn kam. Ein weimarscher Legationsrath Cruikshank, der sich auf seine schönen Zähne etwas zu Gute that, ließ es niemals, so oft er kam, an galanten Redensarten fehlen, zog aber sehr bald seine diplomatischen Fühlhörner ein, als er wahrnahm, daß er auf kein Entgegenkommen rechnen könne. Einst erhielt meine Schwester an ihrem Geburtstage (2. Okt.) einen allerliebsten anonymen Brief, der in sinniger Weise alle ihre guten Eigenschaften hervorhob, und zuletzt das baldige Erscheinen des Schreibers ankündigte, um seine Werbung mündlich anzubringen. Wir hatten nach der Handschrift unsern lieben Zeichenlehrer Dähling im Verdachte der Autorschaft; er läugnete aber mit so ehrlicher Miene, daß wir seinen Worten nicht mistrauen konnten; bald genug stellte es sich heraus, daß der Scherz von dem Konsistorialrath Delbrück, dem ehemaligen Erzieher des Kronprinzen herrühre. Ob er mit seiner Werbung Ernst gemacht, ist mir nicht er-

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[185/0193] Während dieser kurzen Zeit konnte es mir nicht entgehn, daß August meiner Schwester eine stille innige Neigung zugewendet. Dies schmerzte mich, denn ich bemerkte ebenfalls, daß dieses Gefühl keine Erwiederung fand. Gern hätte ich mich mit ihm darüber ausgesprochen; ich gab ihm mehr als einmal Gelegenheit dazu, allein er war so verschämt, daß er diese aufkeimende Regung kaum sich selbst gestehn mochte, geschweige denn einem anderen, und wäre es sein vertrautester Freund gewesen. Auch von anderen Seiten wurden meiner Schwester geheime und offene Huldigungen dargebracht, ohne daß sie sonderlich Notiz davon nahm. Der tapfre, aber einsylbige Rittmeister von Wurmb wußte am Theetische so lange zu manövriren, bis sein Stuhl neben dem meiner Schwester zu stehn kam. Ein weimarscher Legationsrath Cruikshank, der sich auf seine schönen Zähne etwas zu Gute that, ließ es niemals, so oft er kam, an galanten Redensarten fehlen, zog aber sehr bald seine diplomatischen Fühlhörner ein, als er wahrnahm, daß er auf kein Entgegenkommen rechnen könne. Einst erhielt meine Schwester an ihrem Geburtstage (2. Okt.) einen allerliebsten anonymen Brief, der in sinniger Weise alle ihre guten Eigenschaften hervorhob, und zuletzt das baldige Erscheinen des Schreibers ankündigte, um seine Werbung mündlich anzubringen. Wir hatten nach der Handschrift unsern lieben Zeichenlehrer Dähling im Verdachte der Autorschaft; er läugnete aber mit so ehrlicher Miene, daß wir seinen Worten nicht mistrauen konnten; bald genug stellte es sich heraus, daß der Scherz von dem Konsistorialrath Delbrück, dem ehemaligen Erzieher des Kronprinzen herrühre. Ob er mit seiner Werbung Ernst gemacht, ist mir nicht er-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/193>, abgerufen am 06.05.2024.