Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

in voller Blüte stehn, allein diese rosigen Erstlinge unter den Baumblüten kamen diesmal nicht eher als gegen das Ende des März zum Vorschein, und die übrige Flora rückte langsam nach.

So oft es das Wetter erlaubte, stieg ich mit Paul auf das Schloß, das damals noch nicht so kultivirt war wie jetzt. Im ersten Hofe befand sich eine bescheidene Weinwirtschaft mit sehr primitiven hölzernen Bänken und Tischen. Die junge artige Tochter bediente nach alter Weise selbst die Gäste, und mußte sich manchen unfeinen Scherz der Studenten gefallen lassen. Mein Zeichenbuch hatte ich immer in der Tasche, skizzirte die Felstrümmer und Epheuwände, die allerliebsten kleinen Durchblicke der Fenster und die zerfallenen Spitzbogen. Größere Ansichten versparte ich bis auf den Sommer, und bedauerte nur, daß mein guter Lehrer Dähling mich so viele Jahre an den verwünschten Gypsköpfen hatte arbeiten lassen, ohne daß es ihm, oder auch mir eingefallen wäre, das Landschaftsfach durchzunehmen. Jedoch sah ich bald, daß eine richtige Auffassung der Größen-Verhältnisse hinreiche, um in einfachen Umrissen meine Erinnerungen an so viele Schönheiten zu fixiren. Dies Verfahren habe ich auf allen meinen Reisen beibehalten, und kann noch jetzt fast bei jedem Blatte mich in die Stimmung zurückversetzen, in der es aufgenommen wurde.



Zu unseren Wirtsleuten traten wir bald in ein freundlich-häusliches Verhältniß. Der Schaffner Hepp, ein muntrer Sechziger, war das vollkomne Bild eines leichtlebigen, aufbrausenden und gutmüthigen Pfälzers, dem

in voller Blüte stehn, allein diese rosigen Erstlinge unter den Baumblüten kamen diesmal nicht eher als gegen das Ende des März zum Vorschein, und die übrige Flora rückte langsam nach.

So oft es das Wetter erlaubte, stieg ich mit Paul auf das Schloß, das damals noch nicht so kultivirt war wie jetzt. Im ersten Hofe befand sich eine bescheidene Weinwirtschaft mit sehr primitiven hölzernen Bänken und Tischen. Die junge artige Tochter bediente nach alter Weise selbst die Gäste, und mußte sich manchen unfeinen Scherz der Studenten gefallen lassen. Mein Zeichenbuch hatte ich immer in der Tasche, skizzirte die Felstrümmer und Epheuwände, die allerliebsten kleinen Durchblicke der Fenster und die zerfallenen Spitzbogen. Größere Ansichten versparte ich bis auf den Sommer, und bedauerte nur, daß mein guter Lehrer Dähling mich so viele Jahre an den verwünschten Gypsköpfen hatte arbeiten lassen, ohne daß es ihm, oder auch mir eingefallen wäre, das Landschaftsfach durchzunehmen. Jedoch sah ich bald, daß eine richtige Auffassung der Größen-Verhältnisse hinreiche, um in einfachen Umrissen meine Erinnerungen an so viele Schönheiten zu fixiren. Dies Verfahren habe ich auf allen meinen Reisen beibehalten, und kann noch jetzt fast bei jedem Blatte mich in die Stimmung zurückversetzen, in der es aufgenommen wurde.



Zu unseren Wirtsleuten traten wir bald in ein freundlich-häusliches Verhältniß. Der Schaffner Hepp, ein muntrer Sechziger, war das vollkomne Bild eines leichtlebigen, aufbrausenden und gutmüthigen Pfälzers, dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0328" n="320"/>
in voller Blüte stehn, allein diese rosigen Erstlinge unter den Baumblüten kamen diesmal nicht eher als gegen das Ende des März zum Vorschein, und die übrige Flora rückte langsam nach. </p><lb/>
        <p>So oft es das Wetter erlaubte, stieg ich mit Paul auf das Schloß, das damals noch nicht so kultivirt war wie jetzt. Im ersten Hofe befand sich eine bescheidene Weinwirtschaft mit sehr primitiven hölzernen Bänken und Tischen. Die junge artige Tochter bediente nach alter Weise selbst die Gäste, und mußte sich manchen unfeinen Scherz der Studenten gefallen lassen. Mein Zeichenbuch hatte ich immer in der Tasche, skizzirte die Felstrümmer und Epheuwände, die allerliebsten kleinen Durchblicke der Fenster und die zerfallenen Spitzbogen. Größere Ansichten versparte ich bis auf den Sommer, und bedauerte nur, daß mein guter Lehrer Dähling mich so viele Jahre an den verwünschten Gypsköpfen hatte arbeiten lassen, ohne daß es ihm, oder auch mir eingefallen wäre, das Landschaftsfach durchzunehmen. Jedoch sah ich bald, daß eine richtige Auffassung der Größen-Verhältnisse hinreiche, um in einfachen Umrissen meine Erinnerungen an so viele Schönheiten zu fixiren. Dies Verfahren habe ich auf allen meinen Reisen beibehalten, und kann noch jetzt fast bei jedem Blatte mich in die Stimmung zurückversetzen, in der es aufgenommen wurde. </p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Zu unseren Wirtsleuten traten wir bald in ein freundlich-häusliches Verhältniß. Der Schaffner Hepp, ein muntrer Sechziger, war das vollkomne Bild eines leichtlebigen, aufbrausenden und gutmüthigen Pfälzers, dem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0328] in voller Blüte stehn, allein diese rosigen Erstlinge unter den Baumblüten kamen diesmal nicht eher als gegen das Ende des März zum Vorschein, und die übrige Flora rückte langsam nach. So oft es das Wetter erlaubte, stieg ich mit Paul auf das Schloß, das damals noch nicht so kultivirt war wie jetzt. Im ersten Hofe befand sich eine bescheidene Weinwirtschaft mit sehr primitiven hölzernen Bänken und Tischen. Die junge artige Tochter bediente nach alter Weise selbst die Gäste, und mußte sich manchen unfeinen Scherz der Studenten gefallen lassen. Mein Zeichenbuch hatte ich immer in der Tasche, skizzirte die Felstrümmer und Epheuwände, die allerliebsten kleinen Durchblicke der Fenster und die zerfallenen Spitzbogen. Größere Ansichten versparte ich bis auf den Sommer, und bedauerte nur, daß mein guter Lehrer Dähling mich so viele Jahre an den verwünschten Gypsköpfen hatte arbeiten lassen, ohne daß es ihm, oder auch mir eingefallen wäre, das Landschaftsfach durchzunehmen. Jedoch sah ich bald, daß eine richtige Auffassung der Größen-Verhältnisse hinreiche, um in einfachen Umrissen meine Erinnerungen an so viele Schönheiten zu fixiren. Dies Verfahren habe ich auf allen meinen Reisen beibehalten, und kann noch jetzt fast bei jedem Blatte mich in die Stimmung zurückversetzen, in der es aufgenommen wurde. Zu unseren Wirtsleuten traten wir bald in ein freundlich-häusliches Verhältniß. Der Schaffner Hepp, ein muntrer Sechziger, war das vollkomne Bild eines leichtlebigen, aufbrausenden und gutmüthigen Pfälzers, dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/328
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/328>, abgerufen am 15.06.2024.