Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

lauer Rosenthal mit seiner sonstigen anonymen
im Leipziger anzustellen, wo ihn ausser den we¬
nigen, die er nicht richtig bezahlen konnte, fast
keine Kaze kannte. Wie oft war er in jener un¬
bekannten Zeit versucht, öffentlich auf Einem
Beine zu tanzen, oder auch mit zwei zinnernen
Kaffeekannen in der Hand, oder gerade zu eine
Flammen-Rede über Himmel und Erde zu hal¬
ten, um nur Seelen-Bekannte sich ans Herz
zu holen! -- So sehr sezt der Mensch -- der
älter kaum bedeutenden Menschen und Büchern
zuläuft -- jünger schon blos neuen Leuten und
Werken feurig nach.

Mit Freuden bemerkt' er im Gehen, wie
Vult in seine Ruhe und Würde so viel insinuan¬
te Verbindlichkeit, und in sein Gespräch so viele
selber an Ort und Stelle geerntete Kenntnisse von
Europens Bilderkabinetten, Künstlern, berühm¬
ten Leuten und öffentlichen Pläzen zu legen wuste,
daß er wirklich bezauberte; worinn ihn freilich
seine Verbindung mit seinen schwarzen Augen
(darinn bestand besonders seine schwarze Kunst
bei Weibern) und wieder die Kälte, welche impo¬

lauer Roſenthal mit ſeiner ſonſtigen anonymen
im Leipziger anzuſtellen, wo ihn auſſer den we¬
nigen, die er nicht richtig bezahlen konnte, faſt
keine Kaze kannte. Wie oft war er in jener un¬
bekannten Zeit verſucht, oͤffentlich auf Einem
Beine zu tanzen, oder auch mit zwei zinnernen
Kaffeekannen in der Hand, oder gerade zu eine
Flammen-Rede uͤber Himmel und Erde zu hal¬
ten, um nur Seelen-Bekannte ſich ans Herz
zu holen! — So ſehr ſezt der Menſch — der
aͤlter kaum bedeutenden Menſchen und Buͤchern
zulaͤuft — juͤnger ſchon blos neuen Leuten und
Werken feurig nach.

Mit Freuden bemerkt' er im Gehen, wie
Vult in ſeine Ruhe und Wuͤrde ſo viel inſinuan¬
te Verbindlichkeit, und in ſein Geſpraͤch ſo viele
ſelber an Ort und Stelle geerntete Kenntniſſe von
Europens Bilderkabinetten, Kuͤnſtlern, beruͤhm¬
ten Leuten und oͤffentlichen Plaͤzen zu legen wuſte,
daß er wirklich bezauberte; worinn ihn freilich
ſeine Verbindung mit ſeinen ſchwarzen Augen
(darinn beſtand beſonders ſeine ſchwarze Kunſt
bei Weibern) und wieder die Kaͤlte, welche impo¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="231"/>
lauer Ro&#x017F;enthal mit &#x017F;einer &#x017F;on&#x017F;tigen anonymen<lb/>
im Leipziger anzu&#x017F;tellen, wo ihn au&#x017F;&#x017F;er den we¬<lb/>
nigen, die er nicht richtig bezahlen konnte, fa&#x017F;t<lb/>
keine Kaze kannte. Wie oft war er in jener un¬<lb/>
bekannten Zeit ver&#x017F;ucht, o&#x0364;ffentlich auf Einem<lb/>
Beine zu tanzen, oder auch mit zwei zinnernen<lb/>
Kaffeekannen in der Hand, oder gerade zu eine<lb/>
Flammen-Rede u&#x0364;ber Himmel und Erde zu hal¬<lb/>
ten, um nur Seelen-Bekannte &#x017F;ich ans Herz<lb/>
zu holen! &#x2014; So &#x017F;ehr &#x017F;ezt der Men&#x017F;ch &#x2014; der<lb/>
a&#x0364;lter kaum bedeutenden Men&#x017F;chen und Bu&#x0364;chern<lb/>
zula&#x0364;uft &#x2014; ju&#x0364;nger &#x017F;chon blos neuen Leuten und<lb/>
Werken feurig nach.</p><lb/>
        <p>Mit Freuden bemerkt' er im Gehen, wie<lb/>
Vult in &#x017F;eine Ruhe und Wu&#x0364;rde &#x017F;o viel in&#x017F;inuan¬<lb/>
te Verbindlichkeit, und in &#x017F;ein Ge&#x017F;pra&#x0364;ch &#x017F;o viele<lb/>
&#x017F;elber an Ort und Stelle geerntete Kenntni&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
Europens Bilderkabinetten, Ku&#x0364;n&#x017F;tlern, beru&#x0364;hm¬<lb/>
ten Leuten und o&#x0364;ffentlichen Pla&#x0364;zen zu legen wu&#x017F;te,<lb/>
daß er wirklich bezauberte; worinn ihn freilich<lb/>
&#x017F;eine Verbindung mit &#x017F;einen &#x017F;chwarzen Augen<lb/>
(darinn be&#x017F;tand be&#x017F;onders &#x017F;eine &#x017F;chwarze Kun&#x017F;t<lb/>
bei Weibern) und wieder die Ka&#x0364;lte, welche impo¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0241] lauer Roſenthal mit ſeiner ſonſtigen anonymen im Leipziger anzuſtellen, wo ihn auſſer den we¬ nigen, die er nicht richtig bezahlen konnte, faſt keine Kaze kannte. Wie oft war er in jener un¬ bekannten Zeit verſucht, oͤffentlich auf Einem Beine zu tanzen, oder auch mit zwei zinnernen Kaffeekannen in der Hand, oder gerade zu eine Flammen-Rede uͤber Himmel und Erde zu hal¬ ten, um nur Seelen-Bekannte ſich ans Herz zu holen! — So ſehr ſezt der Menſch — der aͤlter kaum bedeutenden Menſchen und Buͤchern zulaͤuft — juͤnger ſchon blos neuen Leuten und Werken feurig nach. Mit Freuden bemerkt' er im Gehen, wie Vult in ſeine Ruhe und Wuͤrde ſo viel inſinuan¬ te Verbindlichkeit, und in ſein Geſpraͤch ſo viele ſelber an Ort und Stelle geerntete Kenntniſſe von Europens Bilderkabinetten, Kuͤnſtlern, beruͤhm¬ ten Leuten und oͤffentlichen Plaͤzen zu legen wuſte, daß er wirklich bezauberte; worinn ihn freilich ſeine Verbindung mit ſeinen ſchwarzen Augen (darinn beſtand beſonders ſeine ſchwarze Kunſt bei Weibern) und wieder die Kaͤlte, welche impo¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/241
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/241>, abgerufen am 02.05.2024.