re -- und wie bei der Musik im Traum, ist hier der Mensch zugleich der Instrumentenma¬ cher, Komponist und Spieler, ohne im gering¬ sten einen andern Lehrmeister dazu gehabt zu ha¬ ben als wieder sich, den Schüler selber.
Immer betrunkner und glücklicher wurde Walt, als er auf dieser ersten Schäferpfeife, auf diesem ersten Alphorn fort blies, dem Morgen¬ winde entgegen, der die Töne in die Brust zurück wehte; und zulezt wurd' ihm, als komme das verwehte Getön aus weiter Ferne her. Da er lange so gieng und träumte -- da er von dem Bergrücken bald links in die Hirtenstücken der Wiesen hinunter sah und zu den Kirchthürmen von Altengrün -- von Jodiz -- von Thalhau¬ sen -- von Wilhelmslust -- von Kirchenfelda -- und die Jagd- und Lustschlösser erblickte, deren beide Namen allein, wie romantische Zauberwor¬ te, alte Gegenden und Paradiese der Kinderseele erscheinen liessen -- da er bald wieder rechts hin¬ unter schauete auf die zweite Ebene, worin sich der gerade Fluß seines Thales, die Rosana, frei geworden auf einem blumigen Tanzplaz schlän¬
re — und wie bei der Muſik im Traum, iſt hier der Menſch zugleich der Inſtrumentenma¬ cher, Komponiſt und Spieler, ohne im gering¬ ſten einen andern Lehrmeiſter dazu gehabt zu ha¬ ben als wieder ſich, den Schuͤler ſelber.
Immer betrunkner und gluͤcklicher wurde Walt, als er auf dieſer erſten Schaͤferpfeife, auf dieſem erſten Alphorn fort blies, dem Morgen¬ winde entgegen, der die Toͤne in die Bruſt zuruͤck wehte; und zulezt wurd' ihm, als komme das verwehte Getoͤn aus weiter Ferne her. Da er lange ſo gieng und traͤumte — da er von dem Bergruͤcken bald links in die Hirtenſtuͤcken der Wieſen hinunter ſah und zu den Kirchthuͤrmen von Altengruͤn — von Jodiz — von Thalhau¬ ſen — von Wilhelmsluſt — von Kirchenfelda — und die Jagd- und Luſtſchloͤſſer erblickte, deren beide Namen allein, wie romantiſche Zauberwor¬ te, alte Gegenden und Paradieſe der Kinderſeele erſcheinen lieſſen — da er bald wieder rechts hin¬ unter ſchauete auf die zweite Ebene, worin ſich der gerade Fluß ſeines Thales, die Roſana, frei geworden auf einem blumigen Tanzplaz ſchlaͤn¬
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re — und wie bei der Muſik im Traum, iſt
hier der Menſch zugleich der Inſtrumentenma¬
cher, Komponiſt und Spieler, ohne im gering¬
ſten einen andern Lehrmeiſter dazu gehabt zu ha¬
ben als wieder ſich, den Schuͤler ſelber.
Immer betrunkner und gluͤcklicher wurde
Walt, als er auf dieſer erſten Schaͤferpfeife, auf
dieſem erſten Alphorn fort blies, dem Morgen¬
winde entgegen, der die Toͤne in die Bruſt zuruͤck
wehte; und zulezt wurd' ihm, als komme das
verwehte Getoͤn aus weiter Ferne her. Da er
lange ſo gieng und traͤumte — da er von dem
Bergruͤcken bald links in die Hirtenſtuͤcken der
Wieſen hinunter ſah und zu den Kirchthuͤrmen
von Altengruͤn — von Jodiz — von Thalhau¬
ſen — von Wilhelmsluſt — von Kirchenfelda —
und die Jagd- und Luſtſchloͤſſer erblickte, deren
beide Namen allein, wie romantiſche Zauberwor¬
te, alte Gegenden und Paradieſe der Kinderſeele
erſcheinen lieſſen — da er bald wieder rechts hin¬
unter ſchauete auf die zweite Ebene, worin ſich
der gerade Fluß ſeines Thales, die Roſana, frei
geworden auf einem blumigen Tanzplaz ſchlaͤn¬
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/101>, abgerufen am 16.06.2024.
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