Wina las lange auf dem Blatt Noten nach, die er gar nicht blies, bis sie endlich Vults End- Absichten merkte und erfüllte. Wie flog sie dann der Flöte nach, um mit Blicken zu denken -- und Walts Stand-Ufer vorüber, um ihn anzuschauen -- und freudig über die kalte Fläche, weil ihre freundschaftlichen Wünsche so schön begünstigt wa¬ ren und dieser Nacht nichts mehr fehlte, als die erste des künftigen Jahrs. Welche erfreuete Blicke warf sie auf ihre Freundin und zum Sternenhim¬ mel! Dazu ging nun die umher irrende Flöte, die wie mit einem Springstabe den Notar vom Eis der Erde ans Empyreums-Eis des Himmels aufhob. Alles war zwar selig, Vult besonders, Walt aber am meisten. Ach wolltest du mir nicht -- sagte Vult herfahrend mit vergnügtem Gesicht -- ein Paar Doppel-Louis vorstrecken nur auf zwei Stunden, armer Wicht?" -- Ich? fragte Walt. Aber jener fuhr und blies fröhlich weiter; um als Chorführer mit Sphärenmusiken den himm¬ lischen Körpern auf dem Eise vor- und nach zu schweben. Wenn die Tonkunst, welche schon in die gemeine feste Welt gewaltsam ihre poetische ein¬
Wina las lange auf dem Blatt Noten nach, die er gar nicht blies, bis ſie endlich Vults End- Abſichten merkte und erfuͤllte. Wie flog ſie dann der Floͤte nach, um mit Blicken zu denken — und Walts Stand-Ufer voruͤber, um ihn anzuſchauen — und freudig uͤber die kalte Flaͤche, weil ihre freundſchaftlichen Wuͤnſche ſo ſchoͤn beguͤnſtigt wa¬ ren und dieſer Nacht nichts mehr fehlte, als die erſte des kuͤnftigen Jahrs. Welche erfreuete Blicke warf ſie auf ihre Freundin und zum Sternenhim¬ mel! Dazu ging nun die umher irrende Floͤte, die wie mit einem Springſtabe den Notar vom Eis der Erde ans Empyreums-Eis des Himmels aufhob. Alles war zwar ſelig, Vult beſonders, Walt aber am meiſten. Ach wollteſt du mir nicht — ſagte Vult herfahrend mit vergnuͤgtem Geſicht — ein Paar Doppel-Louis vorſtrecken nur auf zwei Stunden, armer Wicht?“ — Ich? fragte Walt. Aber jener fuhr und blies froͤhlich weiter; um als Chorfuͤhrer mit Sphaͤrenmuſiken den himm¬ liſchen Koͤrpern auf dem Eiſe vor- und nach zu ſchweben. Wenn die Tonkunſt, welche ſchon in die gemeine feſte Welt gewaltſam ihre poetiſche ein¬
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Wina las lange auf dem Blatt Noten nach,
die er gar nicht blies, bis ſie endlich Vults End-
Abſichten merkte und erfuͤllte. Wie flog ſie dann
der Floͤte nach, um mit Blicken zu denken — und
Walts Stand-Ufer voruͤber, um ihn anzuſchauen
— und freudig uͤber die kalte Flaͤche, weil ihre
freundſchaftlichen Wuͤnſche ſo ſchoͤn beguͤnſtigt wa¬
ren und dieſer Nacht nichts mehr fehlte, als die
erſte des kuͤnftigen Jahrs. Welche erfreuete Blicke
warf ſie auf ihre Freundin und zum Sternenhim¬
mel! Dazu ging nun die umher irrende Floͤte,
die wie mit einem Springſtabe den Notar vom
Eis der Erde ans Empyreums-Eis des Himmels
aufhob. Alles war zwar ſelig, Vult beſonders,
Walt aber am meiſten. Ach wollteſt du mir nicht
— ſagte Vult herfahrend mit vergnuͤgtem Geſicht
— ein Paar Doppel-Louis vorſtrecken nur auf
zwei Stunden, armer Wicht?“ — Ich? fragte
Walt. Aber jener fuhr und blies froͤhlich weiter;
um als Chorfuͤhrer mit Sphaͤrenmuſiken den himm¬
liſchen Koͤrpern auf dem Eiſe vor- und nach zu
ſchweben. Wenn die Tonkunſt, welche ſchon in
die gemeine feſte Welt gewaltſam ihre poetiſche ein¬
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/238>, abgerufen am 13.05.2024.
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