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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Freude dabei, nur keine Schadenfreude." Aber die
Lustigkeit über die Holz-Einbusse wurde Walten
etwas verkümmert, als er den alten Schulzen
aus der Stadt schreiten und ins Holz dringen sah,
Märtirerkrone und Zepter tragend. Auf die ange¬
plätzten Stämme lief Lukas zu -- fragte, sagte
dieß oder das und keifte -- durchschnitt den Gehau
nach allen Ecken -- stritt ohne Vollmacht wider
alles -- flog als ein flüchtiges Waldgericht und
Forstkollegium hin und her, an jeden Busch, neben
jede Säge -- machte die Wüste, seines Gesichts im¬
mer dürrer und arabischer, je mehrere Erben an¬
kamen, die größten Baumschänder, die er sich den¬
ken konnte -- sah seufzend zu jedem Gipfel auf, der
stürzen wollte -- und trieb nichts durch als forst¬
gerecht den Weg, auf welchem der fallende Baum
das Buschholz schonen mußte.

Walt schaute erbärmlich herüber; so leicht er
sonst sein schwarzes Schicksal wie sein weisses nur zu
dichterischer Farbengebung verrieb, gleichsam zu
Kohle und zu Kreide: so konnt' er sich doch den Holz¬
schlag des Schlagholzes zu keinem dichterischen
Baumschlag ausmalen, weil ihn der Vater pei¬

Freude dabei, nur keine Schadenfreude.“ Aber die
Luſtigkeit uͤber die Holz-Einbuſſe wurde Walten
etwas verkuͤmmert, als er den alten Schulzen
aus der Stadt ſchreiten und ins Holz dringen ſah,
Maͤrtirerkrone und Zepter tragend. Auf die ange¬
plaͤtzten Staͤmme lief Lukas zu — fragte, ſagte
dieß oder das und keifte — durchſchnitt den Gehau
nach allen Ecken — ſtritt ohne Vollmacht wider
alles — flog als ein fluͤchtiges Waldgericht und
Forſtkollegium hin und her, an jeden Buſch, neben
jede Saͤge — machte die Wuͤſte, ſeines Geſichts im¬
mer duͤrrer und arabiſcher, je mehrere Erben an¬
kamen, die groͤßten Baumſchaͤnder, die er ſich den¬
ken konnte — ſah ſeufzend zu jedem Gipfel auf, der
ſtuͤrzen wollte — und trieb nichts durch als forſt¬
gerecht den Weg, auf welchem der fallende Baum
das Buſchholz ſchonen mußte.

Walt ſchaute erbaͤrmlich heruͤber; ſo leicht er
ſonſt ſein ſchwarzes Schickſal wie ſein weiſſes nur zu
dichteriſcher Farbengebung verrieb, gleichſam zu
Kohle und zu Kreide: ſo konnt' er ſich doch den Holz¬
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[23/0029] Freude dabei, nur keine Schadenfreude.“ Aber die Luſtigkeit uͤber die Holz-Einbuſſe wurde Walten etwas verkuͤmmert, als er den alten Schulzen aus der Stadt ſchreiten und ins Holz dringen ſah, Maͤrtirerkrone und Zepter tragend. Auf die ange¬ plaͤtzten Staͤmme lief Lukas zu — fragte, ſagte dieß oder das und keifte — durchſchnitt den Gehau nach allen Ecken — ſtritt ohne Vollmacht wider alles — flog als ein fluͤchtiges Waldgericht und Forſtkollegium hin und her, an jeden Buſch, neben jede Saͤge — machte die Wuͤſte, ſeines Geſichts im¬ mer duͤrrer und arabiſcher, je mehrere Erben an¬ kamen, die groͤßten Baumſchaͤnder, die er ſich den¬ ken konnte — ſah ſeufzend zu jedem Gipfel auf, der ſtuͤrzen wollte — und trieb nichts durch als forſt¬ gerecht den Weg, auf welchem der fallende Baum das Buſchholz ſchonen mußte. Walt ſchaute erbaͤrmlich heruͤber; ſo leicht er ſonſt ſein ſchwarzes Schickſal wie ſein weiſſes nur zu dichteriſcher Farbengebung verrieb, gleichſam zu Kohle und zu Kreide: ſo konnt' er ſich doch den Holz¬ ſchlag des Schlagholzes zu keinem dichteriſchen Baumſchlag ausmalen, weil ihn der Vater pei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/29>, abgerufen am 28.04.2024.