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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Walt neulich Saiten aufgezogen hatte. Diese
sprach von dem Tode ihres Mannes und der Ein¬
äscherung eines Pallastes, den sie im belagerten
Toulon gehabt, aus welchem sie nichts gerettet,
als was sie zur Erinnerung ewig aufbewahrte, ei¬
nen Nachttopf aus feinstem Porzellan. Der Zug
entzückte den Notar durch den vornehmen Zynis¬
mus, womit er in Hoppelpoppel Leute von Welt
koloriren konnte. Selten sieht ein romantischer
Anfänger einen alten General oder jungen Hofjun¬
ker im Zwielicht z. B. pissen, ohne sich an den
Schreibtisch wieder zu setzen und wieder zu schrei¬
ben: "Herren vom Hofe stellen sich gemeinhin
im Zwielicht in Ecken." Man sprach viel franzö¬
sisch; und Walt that was er konnte und sagte häu¬
fig: comment? -- Flitte zeigt' ihm nachher den
Germanismus in der Frage.

Sie gingen in die weibliche ihm durch Vult
bekannte Pensions-Anstalt, worin noch mehr Gal¬
lizismen und noch mehr Schönheiten regierten.
Flitten war nicht nachzufliegen im freien Artigsein;
doch wars ihm genug, nur nachzublicken und zwi¬
schen den Beeten voll Seelenlilien eng die eine Fu߬

Walt neulich Saiten aufgezogen hatte. Dieſe
ſprach von dem Tode ihres Mannes und der Ein¬
aͤſcherung eines Pallaſtes, den ſie im belagerten
Toulon gehabt, aus welchem ſie nichts gerettet,
als was ſie zur Erinnerung ewig aufbewahrte, ei¬
nen Nachttopf aus feinſtem Porzellan. Der Zug
entzuͤckte den Notar durch den vornehmen Zynis¬
mus, womit er in Hoppelpoppel Leute von Welt
koloriren konnte. Selten ſieht ein romantiſcher
Anfaͤnger einen alten General oder jungen Hofjun¬
ker im Zwielicht z. B. piſſen, ohne ſich an den
Schreibtiſch wieder zu ſetzen und wieder zu ſchrei¬
ben: „Herren vom Hofe ſtellen ſich gemeinhin
im Zwielicht in Ecken.“ Man ſprach viel franzoͤ¬
ſiſch; und Walt that was er konnte und ſagte haͤu¬
fig: comment? — Flitte zeigt' ihm nachher den
Germanismus in der Frage.

Sie gingen in die weibliche ihm durch Vult
bekannte Penſions-Anſtalt, worin noch mehr Gal¬
liziſmen und noch mehr Schoͤnheiten regierten.
Flitten war nicht nachzufliegen im freien Artigſein;
doch wars ihm genug, nur nachzublicken und zwi¬
ſchen den Beeten voll Seelenlilien eng die eine Fu߬

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[38/0044] Walt neulich Saiten aufgezogen hatte. Dieſe ſprach von dem Tode ihres Mannes und der Ein¬ aͤſcherung eines Pallaſtes, den ſie im belagerten Toulon gehabt, aus welchem ſie nichts gerettet, als was ſie zur Erinnerung ewig aufbewahrte, ei¬ nen Nachttopf aus feinſtem Porzellan. Der Zug entzuͤckte den Notar durch den vornehmen Zynis¬ mus, womit er in Hoppelpoppel Leute von Welt koloriren konnte. Selten ſieht ein romantiſcher Anfaͤnger einen alten General oder jungen Hofjun¬ ker im Zwielicht z. B. piſſen, ohne ſich an den Schreibtiſch wieder zu ſetzen und wieder zu ſchrei¬ ben: „Herren vom Hofe ſtellen ſich gemeinhin im Zwielicht in Ecken.“ Man ſprach viel franzoͤ¬ ſiſch; und Walt that was er konnte und ſagte haͤu¬ fig: comment? — Flitte zeigt' ihm nachher den Germanismus in der Frage. Sie gingen in die weibliche ihm durch Vult bekannte Penſions-Anſtalt, worin noch mehr Gal¬ liziſmen und noch mehr Schoͤnheiten regierten. Flitten war nicht nachzufliegen im freien Artigſein; doch wars ihm genug, nur nachzublicken und zwi¬ ſchen den Beeten voll Seelenlilien eng die eine Fu߬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/44>, abgerufen am 28.04.2024.