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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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dem wie besessen herumsetzenden Pfarrer gehörte: er
konnte zweierlei unmöglich ausspüren, seine Bibel
und seine Puderquaste. Drei Minuten vorher hatt'
er gejammert: "Komm' ich denn in meinem elenden
"Leben nicht so weit, daß ichs, sobald ich meine
"Hand einmal in den Glückstopf gebracht, wo ich
"etwas damit herauskrebsen konnte, daß ichs so¬
"gleich errathen kann, daß der böse Feind sicher vor¬
"her allen seinen Unrath im Topf deponirt hat? Den
"heb' ich statt der Krebse heraus und weiter nichts.
-- Es wär' heute hübsch geworden, sah der Teufel
"-- wir hätten bis Abends um vier Uhr keine Lust
"gehabt, sondern Hundsarbeit -- dann wärs losge¬
"gangen, das Essen im Gartenhaus, das Gratuliren
"und Salutiren und wahrer Spas. . . . Euch ist er
"auch noch bescheert; mir aber schenkt, wenn der
"Püster und die Bibel nicht erscheinen, blos etwas
"Ruß und Asche (die etwa vom Souper nachbleiben)
"damit ich damit dem Fuchs (Pferd) das Gebiß ab¬
"bürste -- und Abends kann ich neben dem Garten¬
"hause den Rettich ausjäten."

Hier muste er mit der niedergelassenen Flagge
seines Kopfes, mit der Trottelmütze den eintretenden
Britten salutiren -- als aus der Mütze ein Haar-
Büschel ausfiel, der zwar nicht die gesuchte Bibel
aber der gegebene Püster war. Es muß nämlich die
Lese- und Denk-Welt, der man oft wichtiger

dem wie beſeſſen herumſetzenden Pfarrer gehoͤrte: er
konnte zweierlei unmoͤglich ausſpuͤren, ſeine Bibel
und ſeine Puderquaſte. Drei Minuten vorher hatt'
er gejammert: »Komm' ich denn in meinem elenden
»Leben nicht ſo weit, daß ichs, ſobald ich meine
»Hand einmal in den Gluͤckstopf gebracht, wo ich
»etwas damit herauskrebſen konnte, daß ichs ſo¬
»gleich errathen kann, daß der boͤſe Feind ſicher vor¬
»her allen ſeinen Unrath im Topf deponirt hat? Den
»heb' ich ſtatt der Krebſe heraus und weiter nichts.
— Es waͤr' heute huͤbſch geworden, ſah der Teufel
»— wir haͤtten bis Abends um vier Uhr keine Luſt
»gehabt, ſondern Hundsarbeit — dann waͤrs losge¬
»gangen, das Eſſen im Gartenhaus, das Gratuliren
»und Salutiren und wahrer Spas. . . . Euch iſt er
»auch noch beſcheert; mir aber ſchenkt, wenn der
»Puͤſter und die Bibel nicht erſcheinen, blos etwas
»Ruß und Aſche (die etwa vom Souper nachbleiben)
»damit ich damit dem Fuchs (Pferd) das Gebiß ab¬
»buͤrſte — und Abends kann ich neben dem Garten¬
»hauſe den Rettich ausjaͤten.«

Hier muſte er mit der niedergelaſſenen Flagge
ſeines Kopfes, mit der Trottelmuͤtze den eintretenden
Britten ſalutiren — als aus der Muͤtze ein Haar-
Buͤſchel ausfiel, der zwar nicht die geſuchte Bibel
aber der gegebene Puͤſter war. Es muß naͤmlich die
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[117/0128] dem wie beſeſſen herumſetzenden Pfarrer gehoͤrte: er konnte zweierlei unmoͤglich ausſpuͤren, ſeine Bibel und ſeine Puderquaſte. Drei Minuten vorher hatt' er gejammert: »Komm' ich denn in meinem elenden »Leben nicht ſo weit, daß ichs, ſobald ich meine »Hand einmal in den Gluͤckstopf gebracht, wo ich »etwas damit herauskrebſen konnte, daß ichs ſo¬ »gleich errathen kann, daß der boͤſe Feind ſicher vor¬ »her allen ſeinen Unrath im Topf deponirt hat? Den »heb' ich ſtatt der Krebſe heraus und weiter nichts. — Es waͤr' heute huͤbſch geworden, ſah der Teufel »— wir haͤtten bis Abends um vier Uhr keine Luſt »gehabt, ſondern Hundsarbeit — dann waͤrs losge¬ »gangen, das Eſſen im Gartenhaus, das Gratuliren »und Salutiren und wahrer Spas. . . . Euch iſt er »auch noch beſcheert; mir aber ſchenkt, wenn der »Puͤſter und die Bibel nicht erſcheinen, blos etwas »Ruß und Aſche (die etwa vom Souper nachbleiben) »damit ich damit dem Fuchs (Pferd) das Gebiß ab¬ »buͤrſte — und Abends kann ich neben dem Garten¬ »hauſe den Rettich ausjaͤten.« Hier muſte er mit der niedergelaſſenen Flagge ſeines Kopfes, mit der Trottelmuͤtze den eintretenden Britten ſalutiren — als aus der Muͤtze ein Haar- Buͤſchel ausfiel, der zwar nicht die geſuchte Bibel aber der gegebene Puͤſter war. Es muß naͤmlich die Leſe- und Denk-Welt, der man oft wichtiger

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/128>, abgerufen am 12.05.2024.