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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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gen Kriege auch ein berühmter Offizier und bei
Shakespear die Erde: und das ganze Gebet einer al¬
ten Frau; und nach Brüce liebten die Hebräer die¬
sen Vokalis vorzüglich: das ist aber im Grunde hier
unnütze Gelehrsamkeit -- logirten die Priniessin und
der kouleurte Eheherr. Viktor wollte sich mit sei¬
nem heutigen Anzug und seinem heutigen Herzen
nicht in den Taumel der Welt mischen -- und wäre
doch gern bei allem gewesen.

Aus Kusseviz drängte sich ein rothes weißes klei¬
nes Häusgen hervor, so roth wie ein Eichhornbauer
und so frölich wie ein Gartenhaus. Er trat hinan
und an dessen wiederscheinende Fenster -- aber wie¬
der davon zurück: er wollte ein altes Menschenpaar,
für das die Glocke die Orgel gewesen, gar hinausbe¬
ten lassen. Als er mit seinem vom Wiederschein
der heutigen Verklärung erhöhten Gesichte hinein¬
trat: wandte ein alter Mann einen Silberkopf, der
wie ein lichter Mond über den Abend seines Lebens
stand, mit lächelnden Runzeln gegen den Gast --
Nur ein Heuchler -- der Agioteur der Tugend --
ist nach dem Beten nicht sanfter und gefälliger.
Die alte Frau legte zuerst die Mine der Andacht ab.
Viktor begehrte mit seiner siegenden Unbefangenheit
-- ein Nachtquartier. Es ihm bewilligen -- das
konnten nur so zufriedne Leute wie diese; es verlan¬
gen -- das konnte nur einer der so wie er die Wir¬

gen Kriege auch ein beruͤhmter Offizier und bei
Shakeſpear die Erde: und das ganze Gebet einer al¬
ten Frau; und nach Bruͤce liebten die Hebraͤer die¬
ſen Vokalis vorzuͤglich: das iſt aber im Grunde hier
unnuͤtze Gelehrſamkeit — logirten die Prinieſſin und
der kouleurte Eheherr. Viktor wollte ſich mit ſei¬
nem heutigen Anzug und ſeinem heutigen Herzen
nicht in den Taumel der Welt miſchen — und waͤre
doch gern bei allem geweſen.

Aus Kuſſeviz draͤngte ſich ein rothes weißes klei¬
nes Haͤusgen hervor, ſo roth wie ein Eichhornbauer
und ſo froͤlich wie ein Gartenhaus. Er trat hinan
und an deſſen wiederſcheinende Fenſter — aber wie¬
der davon zuruͤck: er wollte ein altes Menſchenpaar,
fuͤr das die Glocke die Orgel geweſen, gar hinausbe¬
ten laſſen. Als er mit ſeinem vom Wiederſchein
der heutigen Verklaͤrung erhoͤhten Geſichte hinein¬
trat: wandte ein alter Mann einen Silberkopf, der
wie ein lichter Mond uͤber den Abend ſeines Lebens
ſtand, mit laͤchelnden Runzeln gegen den Gaſt —
Nur ein Heuchler — der Agioteur der Tugend —
iſt nach dem Beten nicht ſanfter und gefaͤlliger.
Die alte Frau legte zuerſt die Mine der Andacht ab.
Viktor begehrte mit ſeiner ſiegenden Unbefangenheit
— ein Nachtquartier. Es ihm bewilligen — das
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[233/0244] gen Kriege auch ein beruͤhmter Offizier und bei Shakeſpear die Erde: und das ganze Gebet einer al¬ ten Frau; und nach Bruͤce liebten die Hebraͤer die¬ ſen Vokalis vorzuͤglich: das iſt aber im Grunde hier unnuͤtze Gelehrſamkeit — logirten die Prinieſſin und der kouleurte Eheherr. Viktor wollte ſich mit ſei¬ nem heutigen Anzug und ſeinem heutigen Herzen nicht in den Taumel der Welt miſchen — und waͤre doch gern bei allem geweſen. Aus Kuſſeviz draͤngte ſich ein rothes weißes klei¬ nes Haͤusgen hervor, ſo roth wie ein Eichhornbauer und ſo froͤlich wie ein Gartenhaus. Er trat hinan und an deſſen wiederſcheinende Fenſter — aber wie¬ der davon zuruͤck: er wollte ein altes Menſchenpaar, fuͤr das die Glocke die Orgel geweſen, gar hinausbe¬ ten laſſen. Als er mit ſeinem vom Wiederſchein der heutigen Verklaͤrung erhoͤhten Geſichte hinein¬ trat: wandte ein alter Mann einen Silberkopf, der wie ein lichter Mond uͤber den Abend ſeines Lebens ſtand, mit laͤchelnden Runzeln gegen den Gaſt — Nur ein Heuchler — der Agioteur der Tugend — iſt nach dem Beten nicht ſanfter und gefaͤlliger. Die alte Frau legte zuerſt die Mine der Andacht ab. Viktor begehrte mit ſeiner ſiegenden Unbefangenheit — ein Nachtquartier. Es ihm bewilligen — das konnten nur ſo zufriedne Leute wie dieſe; es verlan¬ gen — das konnte nur einer der ſo wie er die Wir¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/244>, abgerufen am 13.05.2024.