Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"Zimmer mutterseelenallein miethe, wie Eine
"weibliche die vier Gehirnkammern des Kopf-Gy¬
"näzeums bewohnt? Ganz unmöglich! und sie thuns
"auch nicht: sondern -- aber wer übermässigen Witz
"scheuet, gehe mir jetzt aus den Füssen -- in die
"zwei Flügel dieser Rotunda und in die Seitenge¬
"bäude wird hineinlogirt was hineingeht d. h. mehr
"als herausgeht -- wie in einem Zoll- oder Tauben¬
"hause gehts aus und ein -- man kann nicht zäh¬
"len, wenn man zusieht -- es ist ein schöner Tem¬
"pel, der Durchgangsgerechtigkeit hat --
"Solche kehren sich an die wenigen gar nicht, die
"sich einschränken und die Frontloge des Herzens
"nur Einem Liebhaber und die 2 Seitenlogen tau¬
"send Freunden geben."

Gleichwol konnt' es Jean Paul -- es mochte im¬
merhin Platz genug übrig seyn -- nie so weit trei¬
ben, daß er nur in die zwei Koloniekörbe, nämlich
in die Herzohren hineingekommen wäre, welches doch
das Allerwenigste ist. Weil sein eines Bein zu ab¬
brevirt und weil sein Gesicht wieder zu prolongirt
ist: so quartiren sie den guten Schelm blos am käl,
testen Orte ganz oben unter den Kopf-Mansarden
ein nicht weit von den Haarnadeln -- und da sitzt
er noch jetzt und scherzet (schreibend) sein eilftes
Kapitel hinaus. . . .


»Zimmer mutterſeelenallein miethe, wie Eine
»weibliche die vier Gehirnkammern des Kopf-Gy¬
»naͤzeums bewohnt? Ganz unmoͤglich! und ſie thuns
»auch nicht: ſondern — aber wer uͤbermaͤſſigen Witz
»ſcheuet, gehe mir jetzt aus den Fuͤſſen — in die
»zwei Fluͤgel dieſer Rotunda und in die Seitenge¬
»baͤude wird hineinlogirt was hineingeht d. h. mehr
»als herausgeht — wie in einem Zoll- oder Tauben¬
»hauſe gehts aus und ein — man kann nicht zaͤh¬
»len, wenn man zuſieht — es iſt ein ſchoͤner Tem¬
»pel, der Durchgangsgerechtigkeit hat —
»Solche kehren ſich an die wenigen gar nicht, die
»ſich einſchraͤnken und die Frontloge des Herzens
»nur Einem Liebhaber und die 2 Seitenlogen tau¬
»ſend Freunden geben.»

Gleichwol konnt' es Jean Paul — es mochte im¬
merhin Platz genug uͤbrig ſeyn — nie ſo weit trei¬
ben, daß er nur in die zwei Koloniekoͤrbe, naͤmlich
in die Herzohren hineingekommen waͤre, welches doch
das Allerwenigſte iſt. Weil ſein eines Bein zu ab¬
brevirt und weil ſein Geſicht wieder zu prolongirt
iſt: ſo quartiren ſie den guten Schelm blos am kaͤl,
teſten Orte ganz oben unter den Kopf-Manſarden
ein nicht weit von den Haarnadeln — und da ſitzt
er noch jetzt und ſcherzet (ſchreibend) ſein eilftes
Kapitel hinaus. . . .


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0288" n="277"/>
»Zimmer <hi rendition="#g">mutter&#x017F;eelenallein</hi> miethe, wie Eine<lb/>
»weibliche die vier Gehirnkammern des Kopf-Gy¬<lb/>
»na&#x0364;zeums bewohnt? Ganz unmo&#x0364;glich! und &#x017F;ie thuns<lb/>
»auch nicht: &#x017F;ondern &#x2014; aber wer u&#x0364;berma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Witz<lb/>
»&#x017F;cheuet, gehe mir jetzt aus den Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x2014; in die<lb/>
»zwei Flu&#x0364;gel die&#x017F;er Rotunda und in die Seitenge¬<lb/>
»ba&#x0364;ude wird hineinlogirt was hineingeht d. h. mehr<lb/>
»als herausgeht &#x2014; wie in einem Zoll- oder Tauben¬<lb/>
»hau&#x017F;e gehts aus und ein &#x2014; man kann nicht za&#x0364;<lb/>
»len, wenn man zu&#x017F;ieht &#x2014; es i&#x017F;t ein &#x017F;cho&#x0364;ner <hi rendition="#g">Tem¬</hi><lb/>
»<hi rendition="#g">pel</hi>, der <hi rendition="#g">Durchgangsgerechtigkeit</hi> hat &#x2014;<lb/>
»Solche kehren &#x017F;ich an die wenigen gar nicht, die<lb/>
»&#x017F;ich ein&#x017F;chra&#x0364;nken und die Frontloge des Herzens<lb/>
»nur Einem Liebhaber und die 2 Seitenlogen tau¬<lb/>
»&#x017F;end Freunden geben.»</p><lb/>
          <p>Gleichwol konnt' es Jean Paul &#x2014; es mochte im¬<lb/>
merhin Platz genug u&#x0364;brig &#x017F;eyn &#x2014; nie &#x017F;o weit trei¬<lb/>
ben, daß er nur in die zwei Kolonieko&#x0364;rbe, na&#x0364;mlich<lb/>
in die Herzohren hineingekommen wa&#x0364;re, welches doch<lb/>
das Allerwenig&#x017F;te i&#x017F;t. Weil &#x017F;ein eines Bein zu ab¬<lb/>
brevirt und weil &#x017F;ein Ge&#x017F;icht wieder zu prolongirt<lb/>
i&#x017F;t: &#x017F;o quartiren &#x017F;ie den guten Schelm blos am <hi rendition="#g">ka&#x0364;l</hi>,<lb/><hi rendition="#g">te&#x017F;ten</hi> Orte ganz oben unter den <hi rendition="#g">Kopf</hi>-Man&#x017F;arden<lb/>
ein nicht weit von den Haarnadeln &#x2014; und da &#x017F;itzt<lb/>
er noch jetzt und &#x017F;cherzet (&#x017F;chreibend) &#x017F;ein eilftes<lb/>
Kapitel hinaus. . . .</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0288] »Zimmer mutterſeelenallein miethe, wie Eine »weibliche die vier Gehirnkammern des Kopf-Gy¬ »naͤzeums bewohnt? Ganz unmoͤglich! und ſie thuns »auch nicht: ſondern — aber wer uͤbermaͤſſigen Witz »ſcheuet, gehe mir jetzt aus den Fuͤſſen — in die »zwei Fluͤgel dieſer Rotunda und in die Seitenge¬ »baͤude wird hineinlogirt was hineingeht d. h. mehr »als herausgeht — wie in einem Zoll- oder Tauben¬ »hauſe gehts aus und ein — man kann nicht zaͤh¬ »len, wenn man zuſieht — es iſt ein ſchoͤner Tem¬ »pel, der Durchgangsgerechtigkeit hat — »Solche kehren ſich an die wenigen gar nicht, die »ſich einſchraͤnken und die Frontloge des Herzens »nur Einem Liebhaber und die 2 Seitenlogen tau¬ »ſend Freunden geben.» Gleichwol konnt' es Jean Paul — es mochte im¬ merhin Platz genug uͤbrig ſeyn — nie ſo weit trei¬ ben, daß er nur in die zwei Koloniekoͤrbe, naͤmlich in die Herzohren hineingekommen waͤre, welches doch das Allerwenigſte iſt. Weil ſein eines Bein zu ab¬ brevirt und weil ſein Geſicht wieder zu prolongirt iſt: ſo quartiren ſie den guten Schelm blos am kaͤl, teſten Orte ganz oben unter den Kopf-Manſarden ein nicht weit von den Haarnadeln — und da ſitzt er noch jetzt und ſcherzet (ſchreibend) ſein eilftes Kapitel hinaus. . . .

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/288
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/288>, abgerufen am 24.05.2024.