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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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sen ihn machen -- Töchter und Fichtensamen in die
urbaren Forstplätze hin. Wer bemerkt nicht die
Endabsicht daß manche Tochter darum von der Na¬
tur gewisse Reize in benannten Zahlen hat, damit
irgend ein Landsasse, ein infulirter Abt, ein Kardi¬
naldiakonus, ein appanagirter Prinz oder ein bloßer
Land-Edelmann herkomme und besagte Reizende
nehme und als Brautführer oder englischer Brautva¬
ter sie schon ganz fertig irgend einem sonstigen Tro¬
pfen übergebe als eine auf den Kauf gemachte Frau?
Und finden wir bei den Heidelbeeren eine geringere
Vorsorge der Natur? Merket nicht derselbe Linnee
in derselben Abhandlung an, daß sie in einen näh¬
renden Saft gehüllet sind, damit sie den Fuchs an¬
reizen, sie zu fressen, worauf der Schelm -- ver¬
dauen kann er sie nicht -- so gut er weiß ihr Säe¬
mann wird? --

O mein Inneres ist ernsthafter als ihr meint; die
Eltern ärgern mich, die Seelenverkäufer sind, die
Töchter dauern mich, die Negersklavinnen werden --
ach ists dann ein Wunder, wenn die Töchter, die
auf dem westindischen Markte tanzen, lachen, reden,
singen mußten, um vom Herrn einer Plantage heim¬
geführt zu werden, wenn diese sag' ich eben so skla¬
visch behandelt werden als sie verkauft und einge¬
kauft wurden? Ihr armen Lämmer! -- Und doch,
ihr seid eben so arg wie eure Schaf-Mütter und

ſen ihn machen — Toͤchter und Fichtenſamen in die
urbaren Forſtplaͤtze hin. Wer bemerkt nicht die
Endabſicht daß manche Tochter darum von der Na¬
tur gewiſſe Reize in benannten Zahlen hat, damit
irgend ein Landſaſſe, ein infulirter Abt, ein Kardi¬
naldiakonus, ein appanagirter Prinz oder ein bloßer
Land-Edelmann herkomme und beſagte Reizende
nehme und als Brautfuͤhrer oder engliſcher Brautva¬
ter ſie ſchon ganz fertig irgend einem ſonſtigen Tro¬
pfen uͤbergebe als eine auf den Kauf gemachte Frau?
Und finden wir bei den Heidelbeeren eine geringere
Vorſorge der Natur? Merket nicht derſelbe Linnee
in derſelben Abhandlung an, daß ſie in einen naͤh¬
renden Saft gehuͤllet ſind, damit ſie den Fuchs an¬
reizen, ſie zu freſſen, worauf der Schelm — ver¬
dauen kann er ſie nicht — ſo gut er weiß ihr Saͤe¬
mann wird? —

O mein Inneres iſt ernſthafter als ihr meint; die
Eltern aͤrgern mich, die Seelenverkaͤufer ſind, die
Toͤchter dauern mich, die Negerſklavinnen werden —
ach iſts dann ein Wunder, wenn die Toͤchter, die
auf dem weſtindiſchen Markte tanzen, lachen, reden,
ſingen mußten, um vom Herrn einer Plantage heim¬
gefuͤhrt zu werden, wenn dieſe ſag' ich eben ſo ſkla¬
viſch behandelt werden als ſie verkauft und einge¬
kauft wurden? Ihr armen Laͤmmer! — Und doch,
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[139/0149] ſen ihn machen — Toͤchter und Fichtenſamen in die urbaren Forſtplaͤtze hin. Wer bemerkt nicht die Endabſicht daß manche Tochter darum von der Na¬ tur gewiſſe Reize in benannten Zahlen hat, damit irgend ein Landſaſſe, ein infulirter Abt, ein Kardi¬ naldiakonus, ein appanagirter Prinz oder ein bloßer Land-Edelmann herkomme und beſagte Reizende nehme und als Brautfuͤhrer oder engliſcher Brautva¬ ter ſie ſchon ganz fertig irgend einem ſonſtigen Tro¬ pfen uͤbergebe als eine auf den Kauf gemachte Frau? Und finden wir bei den Heidelbeeren eine geringere Vorſorge der Natur? Merket nicht derſelbe Linnee in derſelben Abhandlung an, daß ſie in einen naͤh¬ renden Saft gehuͤllet ſind, damit ſie den Fuchs an¬ reizen, ſie zu freſſen, worauf der Schelm — ver¬ dauen kann er ſie nicht — ſo gut er weiß ihr Saͤe¬ mann wird? — O mein Inneres iſt ernſthafter als ihr meint; die Eltern aͤrgern mich, die Seelenverkaͤufer ſind, die Toͤchter dauern mich, die Negerſklavinnen werden — ach iſts dann ein Wunder, wenn die Toͤchter, die auf dem weſtindiſchen Markte tanzen, lachen, reden, ſingen mußten, um vom Herrn einer Plantage heim¬ gefuͤhrt zu werden, wenn dieſe ſag' ich eben ſo ſkla¬ viſch behandelt werden als ſie verkauft und einge¬ kauft wurden? Ihr armen Laͤmmer! — Und doch, ihr ſeid eben ſo arg wie eure Schaf-Muͤtter und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/149>, abgerufen am 28.04.2024.