Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"Herz." -- So aber kann der chymische Prozeß
seiner Verliebung noch so lang werden wie ein ju¬
ristischer, und ich bin auf drei Alphabete gefaßt.

Hier aber will ich etwas bekennen, was der Le¬
ser aus Hochmuth verheimlicht: daß ich und er bei
jeder auftretenden Dame in diesen Posttagen einen
Fehlschuß zum Salutiren gethan -- jede hiel¬
ten wir für die Heldin des Helden -- anfangs Aga¬
then -- dann Klotilden -- dann als er in die Uhr
der Fürstin seine Liebeserklärung sperrte, sagte ich:
"ich weiß schon den ganzen Handel voraus" --
dann sagten wir beide: wir hatten doch Recht mit
Klotilden" -- dann griff ich aus Noth zu Marien
und sagte: "ich will mir aber weiter nichts merken
lassen" endlich wird's eine, wo keiner von uns
daran dachte (wenigstens ich nicht,) Joachime. --
So kann mir's selber ergehen, wenn ich heirathe. . .

Eh' ich zum Schalttage aus dem Posttag über¬
gehe, sind noch folgende Minuten zu passiren: Klo¬
tilde legte die Postiche-Wangen, joues de Paris,
die Schminke ab und setzte jetzt ihr einwelkendes
Herz seltener dem Druck der Hof-Serviettenpresse
aus. Der Fürst, der ihrentwegen bei seiner Gemah¬
lin hospitirt hatte, blieb öfter aus und sprach dann
bei Schleunes ein: gleichwohl dachte die Fürstin
edel genug, um nicht meinen Viktor durch einen zu¬
rückgenommenen Dank die zurückgenommene Gunst

»Herz.« — So aber kann der chymiſche Prozeß
ſeiner Verliebung noch ſo lang werden wie ein ju¬
riſtiſcher, und ich bin auf drei Alphabete gefaßt.

Hier aber will ich etwas bekennen, was der Le¬
ſer aus Hochmuth verheimlicht: daß ich und er bei
jeder auftretenden Dame in dieſen Poſttagen einen
Fehlſchuß zum Salutiren gethan — jede hiel¬
ten wir fuͤr die Heldin des Helden — anfangs Aga¬
then — dann Klotilden — dann als er in die Uhr
der Fuͤrſtin ſeine Liebeserklaͤrung ſperrte, ſagte ich:
»ich weiß ſchon den ganzen Handel voraus« —
dann ſagten wir beide: wir hatten doch Recht mit
Klotilden« — dann griff ich aus Noth zu Marien
und ſagte: »ich will mir aber weiter nichts merken
laſſen« endlich wird's eine, wo keiner von uns
daran dachte (wenigſtens ich nicht,) Joachime. —
So kann mir's ſelber ergehen, wenn ich heirathe. . .

Eh' ich zum Schalttage aus dem Poſttag uͤber¬
gehe, ſind noch folgende Minuten zu paſſiren: Klo¬
tilde legte die Poſtiche-Wangen, joues de Paris,
die Schminke ab und ſetzte jetzt ihr einwelkendes
Herz ſeltener dem Druck der Hof-Serviettenpreſſe
aus. Der Fuͤrſt, der ihrentwegen bei ſeiner Gemah¬
lin hoſpitirt hatte, blieb oͤfter aus und ſprach dann
bei Schleunes ein: gleichwohl dachte die Fuͤrſtin
edel genug, um nicht meinen Viktor durch einen zu¬
ruͤckgenommenen Dank die zuruͤckgenommene Gunſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="234"/>
»Herz.« &#x2014; So aber kann der chymi&#x017F;che Prozeß<lb/>
&#x017F;einer Verliebung noch &#x017F;o lang werden wie ein ju¬<lb/>
ri&#x017F;ti&#x017F;cher, und ich bin auf drei Alphabete gefaßt.</p><lb/>
          <p>Hier aber will ich etwas bekennen, was der Le¬<lb/>
&#x017F;er aus Hochmuth verheimlicht: daß ich und er bei<lb/>
jeder auftretenden Dame in die&#x017F;en Po&#x017F;ttagen einen<lb/><hi rendition="#g">Fehl&#x017F;chuß</hi> zum <hi rendition="#g">Salutiren</hi> gethan &#x2014; jede hiel¬<lb/>
ten wir fu&#x0364;r die Heldin des Helden &#x2014; anfangs Aga¬<lb/>
then &#x2014; dann Klotilden &#x2014; dann als er in die Uhr<lb/>
der Fu&#x0364;r&#x017F;tin &#x017F;eine Liebeserkla&#x0364;rung &#x017F;perrte, &#x017F;agte ich:<lb/>
»ich weiß &#x017F;chon den ganzen Handel voraus« &#x2014;<lb/>
dann &#x017F;agten wir beide: wir hatten doch Recht mit<lb/>
Klotilden« &#x2014; dann griff ich aus Noth zu Marien<lb/>
und &#x017F;agte: »ich will mir aber weiter nichts merken<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en« endlich wird's eine, wo keiner von uns<lb/>
daran dachte (wenig&#x017F;tens ich nicht,) Joachime. &#x2014;<lb/>
So kann mir's &#x017F;elber ergehen, wenn ich heirathe. . .</p><lb/>
          <p>Eh' ich zum Schalttage aus dem Po&#x017F;ttag u&#x0364;ber¬<lb/>
gehe, &#x017F;ind noch folgende Minuten zu pa&#x017F;&#x017F;iren: Klo¬<lb/>
tilde legte die Po&#x017F;tiche-Wangen, <hi rendition="#aq">joues de Paris</hi>,<lb/>
die Schminke ab und &#x017F;etzte jetzt ihr einwelkendes<lb/>
Herz &#x017F;eltener dem Druck der Hof-Serviettenpre&#x017F;&#x017F;e<lb/>
aus. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t, der ihrentwegen bei &#x017F;einer Gemah¬<lb/>
lin ho&#x017F;pitirt hatte, blieb o&#x0364;fter aus und &#x017F;prach dann<lb/>
bei Schleunes ein: gleichwohl dachte die Fu&#x0364;r&#x017F;tin<lb/>
edel genug, um nicht meinen Viktor durch einen zu¬<lb/>
ru&#x0364;ckgenommenen Dank die zuru&#x0364;ckgenommene Gun&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0244] »Herz.« — So aber kann der chymiſche Prozeß ſeiner Verliebung noch ſo lang werden wie ein ju¬ riſtiſcher, und ich bin auf drei Alphabete gefaßt. Hier aber will ich etwas bekennen, was der Le¬ ſer aus Hochmuth verheimlicht: daß ich und er bei jeder auftretenden Dame in dieſen Poſttagen einen Fehlſchuß zum Salutiren gethan — jede hiel¬ ten wir fuͤr die Heldin des Helden — anfangs Aga¬ then — dann Klotilden — dann als er in die Uhr der Fuͤrſtin ſeine Liebeserklaͤrung ſperrte, ſagte ich: »ich weiß ſchon den ganzen Handel voraus« — dann ſagten wir beide: wir hatten doch Recht mit Klotilden« — dann griff ich aus Noth zu Marien und ſagte: »ich will mir aber weiter nichts merken laſſen« endlich wird's eine, wo keiner von uns daran dachte (wenigſtens ich nicht,) Joachime. — So kann mir's ſelber ergehen, wenn ich heirathe. . . Eh' ich zum Schalttage aus dem Poſttag uͤber¬ gehe, ſind noch folgende Minuten zu paſſiren: Klo¬ tilde legte die Poſtiche-Wangen, joues de Paris, die Schminke ab und ſetzte jetzt ihr einwelkendes Herz ſeltener dem Druck der Hof-Serviettenpreſſe aus. Der Fuͤrſt, der ihrentwegen bei ſeiner Gemah¬ lin hoſpitirt hatte, blieb oͤfter aus und ſprach dann bei Schleunes ein: gleichwohl dachte die Fuͤrſtin edel genug, um nicht meinen Viktor durch einen zu¬ ruͤckgenommenen Dank die zuruͤckgenommene Gunſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/244
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/244>, abgerufen am 28.04.2024.