Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Rolle seines Bildes fort und jetzt, da er sich weni¬
ger anstrengte, um eine Statue zu spielen, gelang
es ihm besser. Alle seine Gedanken floßen jetzt wie
Balsam über die Narben und aufgerissenen Stellen
seines Innern: "wenn du auch nur meine Freundin
"bist, so genüget es mir und du kannst diesen von
"Sehnsucht empörten Busen stillen. O dieses volle
"Herz würde ohnehin auseinandergetrieben, wenn es
"den Gedanken fassen sollte, daß du mich liebtest."
-- Uebrigens fiel ihm heute zum erstenmal die Un¬
wahrscheinlichkeit seiner neulichen Vermnthung ein,
daß eine so zurückhaltende Person wie sie, sich auf
eine so wenig zurückhaltende Art gegen den blinden
Julius sollte benommen haben, und er fragte sich:
"ist's denn zur Erklärung ihrer Abreise von Hof,
"nicht genug an Jenners und Matthieus unheiliger
"Liebe und an Emanuels heiliger?" -- Damit sie
am Morgen nicht ihre Verwechslung entdeckte, so
gab er seinem wächsernen Repräsentanten und Figu¬
ranten genau seine Stelle.


Rolle ſeines Bildes fort und jetzt, da er ſich weni¬
ger anſtrengte, um eine Statue zu ſpielen, gelang
es ihm beſſer. Alle ſeine Gedanken floßen jetzt wie
Balſam uͤber die Narben und aufgeriſſenen Stellen
ſeines Innern: »wenn du auch nur meine Freundin
»biſt, ſo genuͤget es mir und du kannſt dieſen von
»Sehnſucht empoͤrten Buſen ſtillen. O dieſes volle
»Herz wuͤrde ohnehin auseinandergetrieben, wenn es
»den Gedanken faſſen ſollte, daß du mich liebteſt.»
— Uebrigens fiel ihm heute zum erſtenmal die Un¬
wahrſcheinlichkeit ſeiner neulichen Vermnthung ein,
daß eine ſo zuruͤckhaltende Perſon wie ſie, ſich auf
eine ſo wenig zuruͤckhaltende Art gegen den blinden
Julius ſollte benommen haben, und er fragte ſich:
»iſt's denn zur Erklaͤrung ihrer Abreiſe von Hof,
»nicht genug an Jenners und Matthieus unheiliger
»Liebe und an Emanuels heiliger?» — Damit ſie
am Morgen nicht ihre Verwechslung entdeckte, ſo
gab er ſeinem waͤchſernen Repraͤſentanten und Figu¬
ranten genau ſeine Stelle.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0369" n="359"/>
Rolle &#x017F;eines Bildes fort und jetzt, da er &#x017F;ich weni¬<lb/>
ger an&#x017F;trengte, um eine Statue zu &#x017F;pielen, gelang<lb/>
es ihm be&#x017F;&#x017F;er. Alle &#x017F;eine Gedanken floßen jetzt wie<lb/>
Bal&#x017F;am u&#x0364;ber die Narben und aufgeri&#x017F;&#x017F;enen Stellen<lb/>
&#x017F;eines Innern: »wenn du auch nur meine Freundin<lb/>
»bi&#x017F;t, &#x017F;o genu&#x0364;get es mir und du kann&#x017F;t die&#x017F;en von<lb/>
»Sehn&#x017F;ucht empo&#x0364;rten Bu&#x017F;en &#x017F;tillen. O die&#x017F;es volle<lb/>
»Herz wu&#x0364;rde ohnehin auseinandergetrieben, wenn es<lb/>
»den Gedanken fa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte, daß du mich liebte&#x017F;t.»<lb/>
&#x2014; Uebrigens fiel ihm heute zum er&#x017F;tenmal die Un¬<lb/>
wahr&#x017F;cheinlichkeit &#x017F;einer neulichen Vermnthung ein,<lb/>
daß eine &#x017F;o zuru&#x0364;ckhaltende Per&#x017F;on wie &#x017F;ie, &#x017F;ich auf<lb/>
eine &#x017F;o wenig zuru&#x0364;ckhaltende Art gegen den blinden<lb/>
Julius &#x017F;ollte benommen haben, und er fragte &#x017F;ich:<lb/>
»i&#x017F;t's denn zur Erkla&#x0364;rung ihrer Abrei&#x017F;e von Hof,<lb/>
»nicht genug an Jenners und Matthieus unheiliger<lb/>
»Liebe und an Emanuels heiliger?» &#x2014; Damit &#x017F;ie<lb/>
am Morgen nicht ihre Verwechslung entdeckte, &#x017F;o<lb/>
gab er &#x017F;einem wa&#x0364;ch&#x017F;ernen Repra&#x0364;&#x017F;entanten und Figu¬<lb/>
ranten genau &#x017F;eine Stelle.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0369] Rolle ſeines Bildes fort und jetzt, da er ſich weni¬ ger anſtrengte, um eine Statue zu ſpielen, gelang es ihm beſſer. Alle ſeine Gedanken floßen jetzt wie Balſam uͤber die Narben und aufgeriſſenen Stellen ſeines Innern: »wenn du auch nur meine Freundin »biſt, ſo genuͤget es mir und du kannſt dieſen von »Sehnſucht empoͤrten Buſen ſtillen. O dieſes volle »Herz wuͤrde ohnehin auseinandergetrieben, wenn es »den Gedanken faſſen ſollte, daß du mich liebteſt.» — Uebrigens fiel ihm heute zum erſtenmal die Un¬ wahrſcheinlichkeit ſeiner neulichen Vermnthung ein, daß eine ſo zuruͤckhaltende Perſon wie ſie, ſich auf eine ſo wenig zuruͤckhaltende Art gegen den blinden Julius ſollte benommen haben, und er fragte ſich: »iſt's denn zur Erklaͤrung ihrer Abreiſe von Hof, »nicht genug an Jenners und Matthieus unheiliger »Liebe und an Emanuels heiliger?» — Damit ſie am Morgen nicht ihre Verwechslung entdeckte, ſo gab er ſeinem waͤchſernen Repraͤſentanten und Figu¬ ranten genau ſeine Stelle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/369
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/369>, abgerufen am 27.04.2024.