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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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stieg der Stern der Liebe wie ein kleiner hell-
blinkender Mond im Morgen auf, die Morgen-
röthe glühte ihnen entgegen und die Sonne
zog in die Rosen-Gluth hinein -- Hinter
ihnen über den Bergen, wo sie sich gefunden
hatten, wölbte sich ein Regenbogen hoch in
den Himmel. Und so kamen sie an, eine Seele
in die andere gesunken, den Nachtschimmer
in den Tages-Glanz ziehend und ihre Blicke
waren traumtrunken.

O Schicksal, warum lässest du so wenige
deiner Menschen eine solche Nacht, ach nur
eine Stunde daraus erleben? Sie würden
sie nie vergessen, sie würden mit ihr als mit
dem Frühlings Weiß und Roth die Wüsten
des Lebens färben -- sie würden zwar weinen
und schmachten, aber nicht nach Zukunft, son-
dern nach Vergangenheit -- und sie würden,
wenn sie stürben, auch sagen: auch ich war in
Arkadien? --

Warum muß blos die Dichtkunst das zei-
gen, was Du versagst, und die armen blüten-

ſtieg der Stern der Liebe wie ein kleiner hell-
blinkender Mond im Morgen auf, die Morgen-
röthe gluͤhte ihnen entgegen und die Sonne
zog in die Roſen-Gluth hinein — Hinter
ihnen uͤber den Bergen, wo ſie ſich gefunden
hatten, woͤlbte ſich ein Regenbogen hoch in
den Himmel. Und ſo kamen ſie an, eine Seele
in die andere geſunken, den Nachtſchimmer
in den Tages-Glanz ziehend und ihre Blicke
waren traumtrunken.

O Schickſal, warum laͤſſeſt du ſo wenige
deiner Menſchen eine ſolche Nacht, ach nur
eine Stunde daraus erleben? Sie wuͤrden
ſie nie vergeſſen, ſie wuͤrden mit ihr als mit
dem Fruͤhlings Weiß und Roth die Wuͤſten
des Lebens faͤrben — ſie würden zwar weinen
und ſchmachten, aber nicht nach Zukunft, ſon-
dern nach Vergangenheit — und ſie wuͤrden,
wenn ſie ſtuͤrben, auch ſagen: auch ich war in
Arkadien? —

Warum muß blos die Dichtkunſt das zei-
gen, was Du verſagſt, und die armen bluͤten-

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[98/0104] ſtieg der Stern der Liebe wie ein kleiner hell- blinkender Mond im Morgen auf, die Morgen- röthe gluͤhte ihnen entgegen und die Sonne zog in die Roſen-Gluth hinein — Hinter ihnen uͤber den Bergen, wo ſie ſich gefunden hatten, woͤlbte ſich ein Regenbogen hoch in den Himmel. Und ſo kamen ſie an, eine Seele in die andere geſunken, den Nachtſchimmer in den Tages-Glanz ziehend und ihre Blicke waren traumtrunken. O Schickſal, warum laͤſſeſt du ſo wenige deiner Menſchen eine ſolche Nacht, ach nur eine Stunde daraus erleben? Sie wuͤrden ſie nie vergeſſen, ſie wuͤrden mit ihr als mit dem Fruͤhlings Weiß und Roth die Wuͤſten des Lebens faͤrben — ſie würden zwar weinen und ſchmachten, aber nicht nach Zukunft, ſon- dern nach Vergangenheit — und ſie wuͤrden, wenn ſie ſtuͤrben, auch ſagen: auch ich war in Arkadien? — Warum muß blos die Dichtkunſt das zei- gen, was Du verſagſt, und die armen bluͤten-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/104>, abgerufen am 29.04.2024.