Der alte Röper hatte mithin wenig Schlaf mehr, weil er besorgte, die Kirchen Greifgeier zögen dem Maussenbacher Altar das Ehrenkleid aus und näh¬ men den mit silbernen und seidnen Lettern aufs Tuch genähten Schuldschein mit, der besagt, wer's hergeschenkt. Sein Justitiarius Kolb, dem ein Diebsfang Zobelfang und Perlenfischerei ist, um¬ gab daher die Kirche mit allerlei Falkenaugen; es wäre aber nichts gewesen, wenn nicht der Falken¬ bergische Bediente Robisch am Sonntage Abends sobald die Kirche zugeschlossen war, zum Schulmei¬ ster gesagt hätte, "er solle sie so lassen, er hätte die Kirchleute gezählet und drei wären nicht mit heraus." Kurz man blockirte den Tempel bis Nachts und -- zog glücklicher Weise drei versteckte Tuchkorsaren aus dem Andachtsorte heraus. Am Morgen erstaunt alles, die drei Kirchgänger fahren auf einen Leiterwagen zum Scheerauer Thor hin¬ ein und haben sämtlich schwarze Röcke und Un¬ terkleider an -- Abends sind sie verschwunden. Für den Hof (wenn er nicht noch geschlafen hätte) war's ein häßlicher Prospekt, daß eine Räuberbande so gut wie er Hoftrauer angelegt und sich deswegen die Trauergarderobe aus Kirchen gestohlen hatte.
Der alte Roͤper hatte mithin wenig Schlaf mehr, weil er beſorgte, die Kirchen Greifgeier zoͤgen dem Mauſſenbacher Altar das Ehrenkleid aus und naͤh¬ men den mit ſilbernen und ſeidnen Lettern aufs Tuch genaͤhten Schuldſchein mit, der beſagt, wer's hergeſchenkt. Sein Juſtitiarius Kolb, dem ein Diebsfang Zobelfang und Perlenfiſcherei iſt, um¬ gab daher die Kirche mit allerlei Falkenaugen; es waͤre aber nichts geweſen, wenn nicht der Falken¬ bergiſche Bediente Robiſch am Sonntage Abends ſobald die Kirche zugeſchloſſen war, zum Schulmei¬ ſter geſagt haͤtte, „er ſolle ſie ſo laſſen, er haͤtte die Kirchleute gezaͤhlet und drei waͤren nicht mit heraus.“ Kurz man blockirte den Tempel bis Nachts und — zog gluͤcklicher Weiſe drei verſteckte Tuchkorſaren aus dem Andachtsorte heraus. Am Morgen erſtaunt alles, die drei Kirchgaͤnger fahren auf einen Leiterwagen zum Scheerauer Thor hin¬ ein und haben ſaͤmtlich ſchwarze Roͤcke und Un¬ terkleider an — Abends ſind ſie verſchwunden. Fuͤr den Hof (wenn er nicht noch geſchlafen haͤtte) war's ein haͤßlicher Proſpekt, daß eine Raͤuberbande ſo gut wie er Hoftrauer angelegt und ſich deswegen die Trauergarderobe aus Kirchen geſtohlen hatte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="152"/>
Der alte Roͤper hatte mithin wenig Schlaf mehr,<lb/>
weil er beſorgte, die Kirchen Greifgeier zoͤgen dem<lb/>
Mauſſenbacher Altar das Ehrenkleid aus und naͤh¬<lb/>
men den mit ſilbernen und ſeidnen Lettern aufs<lb/>
Tuch genaͤhten Schuldſchein mit, der beſagt, wer's<lb/>
hergeſchenkt. Sein Juſtitiarius <hirendition="#g">Kolb</hi>, dem ein<lb/>
Diebsfang Zobelfang und Perlenfiſcherei iſt, um¬<lb/>
gab daher die Kirche mit allerlei Falkenaugen; es<lb/>
waͤre aber nichts geweſen, wenn nicht der Falken¬<lb/>
bergiſche Bediente <hirendition="#g">Robiſch</hi> am Sonntage Abends<lb/>ſobald die Kirche zugeſchloſſen war, zum Schulmei¬<lb/>ſter geſagt haͤtte, „er ſolle ſie ſo laſſen, er haͤtte<lb/>
die Kirchleute gezaͤhlet und drei waͤren nicht mit<lb/>
heraus.“ Kurz man blockirte den Tempel bis<lb/>
Nachts und — zog gluͤcklicher Weiſe drei verſteckte<lb/>
Tuchkorſaren aus dem Andachtsorte heraus. Am<lb/>
Morgen erſtaunt alles, die drei Kirchgaͤnger fahren<lb/>
auf einen Leiterwagen zum Scheerauer Thor hin¬<lb/>
ein und haben ſaͤmtlich <hirendition="#g">ſchwarze</hi> Roͤcke und Un¬<lb/>
terkleider an — Abends ſind ſie verſchwunden. Fuͤr<lb/>
den Hof (wenn er <choice><sic>uicht</sic><corr>nicht</corr></choice> noch geſchlafen haͤtte) war's<lb/>
ein haͤßlicher Proſpekt, daß eine Raͤuberbande ſo<lb/>
gut wie er Hoftrauer angelegt und ſich deswegen<lb/>
die Trauergarderobe aus Kirchen geſtohlen hatte.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[152/0188]
Der alte Roͤper hatte mithin wenig Schlaf mehr,
weil er beſorgte, die Kirchen Greifgeier zoͤgen dem
Mauſſenbacher Altar das Ehrenkleid aus und naͤh¬
men den mit ſilbernen und ſeidnen Lettern aufs
Tuch genaͤhten Schuldſchein mit, der beſagt, wer's
hergeſchenkt. Sein Juſtitiarius Kolb, dem ein
Diebsfang Zobelfang und Perlenfiſcherei iſt, um¬
gab daher die Kirche mit allerlei Falkenaugen; es
waͤre aber nichts geweſen, wenn nicht der Falken¬
bergiſche Bediente Robiſch am Sonntage Abends
ſobald die Kirche zugeſchloſſen war, zum Schulmei¬
ſter geſagt haͤtte, „er ſolle ſie ſo laſſen, er haͤtte
die Kirchleute gezaͤhlet und drei waͤren nicht mit
heraus.“ Kurz man blockirte den Tempel bis
Nachts und — zog gluͤcklicher Weiſe drei verſteckte
Tuchkorſaren aus dem Andachtsorte heraus. Am
Morgen erſtaunt alles, die drei Kirchgaͤnger fahren
auf einen Leiterwagen zum Scheerauer Thor hin¬
ein und haben ſaͤmtlich ſchwarze Roͤcke und Un¬
terkleider an — Abends ſind ſie verſchwunden. Fuͤr
den Hof (wenn er nicht noch geſchlafen haͤtte) war's
ein haͤßlicher Proſpekt, daß eine Raͤuberbande ſo
gut wie er Hoftrauer angelegt und ſich deswegen
die Trauergarderobe aus Kirchen geſtohlen hatte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/188>, abgerufen am 13.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.