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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Akteur auf einmal war, weil ein schlechter Unter¬
schied ist) malte in sein Drama Beaten hinein und
wollte ihr durch ihre Kopie schmeicheln und hofte,
sie würde mit agiren und ihr Portrait zu ihrer Rol¬
le machen. Alles das dacht' er von Gustav auch;
aber unten werden wir eben sehen.

Gustav war im alten Schlosse -- indeß über
seine Ohrennerven alle Visitenräder giengen und
alle Besuchs-Prozessionen um seine Augen schwärm¬
ten, -- todten-allein. Er arbeitete sich in seine
künftige Bestimmung hinein: mehr als funfzig
Legazionssekretaire werden denken, er lernte Brie¬
fe und Herzen aufmachen, Weiber und Berichte
deschiffriren, Amour, Cour und Spitzbübereien
machen -- die funfzig Sekretaire irren; sie wer¬
den ferner denken, er lernte kleinschreiben, um
das Porto zu schwächen, ferner Chiffern und Titel
machen, ferner wissen, wessen Name im öffent¬
lichen Instrument, das an drei Potenzen kömmt,
zuerst stehe -- und daß jede Potenz in ihrem In¬
strument zuerst stehe -- sie haben Recht; aber er
that mehr: er lernte in der Einsamkeit die Gesell¬
schaft ertragen und lieben. Fern von Menschen
wachsen Grundsätze; unter ihnen Handlun¬

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Akteur auf einmal war, weil ein ſchlechter Unter¬
ſchied iſt) malte in ſein Drama Beaten hinein und
wollte ihr durch ihre Kopie ſchmeicheln und hofte,
ſie wuͤrde mit agiren und ihr Portrait zu ihrer Rol¬
le machen. Alles das dacht' er von Guſtav auch;
aber unten werden wir eben ſehen.

Guſtav war im alten Schloſſe — indeß uͤber
ſeine Ohrennerven alle Viſitenraͤder giengen und
alle Beſuchs-Prozeſſionen um ſeine Augen ſchwaͤrm¬
ten, — todten-allein. Er arbeitete ſich in ſeine
kuͤnftige Beſtimmung hinein: mehr als funfzig
Legazionsſekretaire werden denken, er lernte Brie¬
fe und Herzen aufmachen, Weiber und Berichte
deſchiffriren, Amour, Cour und Spitzbuͤbereien
machen — die funfzig Sekretaire irren; ſie wer¬
den ferner denken, er lernte kleinſchreiben, um
das Porto zu ſchwaͤchen, ferner Chiffern und Titel
machen, ferner wiſſen, weſſen Name im oͤffent¬
lichen Inſtrument, das an drei Potenzen koͤmmt,
zuerſt ſtehe — und daß jede Potenz in ihrem In¬
ſtrument zuerſt ſtehe — ſie haben Recht; aber er
that mehr: er lernte in der Einſamkeit die Geſell¬
ſchaft ertragen und lieben. Fern von Menſchen
wachſen Grundſaͤtze; unter ihnen Handlun¬

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[3/0013] Akteur auf einmal war, weil ein ſchlechter Unter¬ ſchied iſt) malte in ſein Drama Beaten hinein und wollte ihr durch ihre Kopie ſchmeicheln und hofte, ſie wuͤrde mit agiren und ihr Portrait zu ihrer Rol¬ le machen. Alles das dacht' er von Guſtav auch; aber unten werden wir eben ſehen. Guſtav war im alten Schloſſe — indeß uͤber ſeine Ohrennerven alle Viſitenraͤder giengen und alle Beſuchs-Prozeſſionen um ſeine Augen ſchwaͤrm¬ ten, — todten-allein. Er arbeitete ſich in ſeine kuͤnftige Beſtimmung hinein: mehr als funfzig Legazionsſekretaire werden denken, er lernte Brie¬ fe und Herzen aufmachen, Weiber und Berichte deſchiffriren, Amour, Cour und Spitzbuͤbereien machen — die funfzig Sekretaire irren; ſie wer¬ den ferner denken, er lernte kleinſchreiben, um das Porto zu ſchwaͤchen, ferner Chiffern und Titel machen, ferner wiſſen, weſſen Name im oͤffent¬ lichen Inſtrument, das an drei Potenzen koͤmmt, zuerſt ſtehe — und daß jede Potenz in ihrem In¬ ſtrument zuerſt ſtehe — ſie haben Recht; aber er that mehr: er lernte in der Einſamkeit die Geſell¬ ſchaft ertragen und lieben. Fern von Menſchen wachſen Grundſaͤtze; unter ihnen Handlun¬ A 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/13>, abgerufen am 25.04.2024.