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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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durchwinden und überblümen, und für Ihr gan¬
zes, ganzes Herz? -- -- Meines -- -- das hat¬
ten Sie ja schon ohnedas und weiter hab' ich nichts;
für alle schöne Stunden, für alle Ihre Reize für
alle Ihre Liebe, für alles was Sie geben, hab'
ich nichts als nur dieses treue, glückliche, warme
Herz . . . .

Ja, ich habe nur dieses; aber wenn der gött¬
liche Funke der höchsten Liebe im Menschen-Herzen
glühen kann, so ruht er in meinem und brennt
für die, die ich nur lieben aber nicht belohnen
kann. -- Du höherer Funke wirst in meinem Her¬
zen für sie fortglimmen, wenn es Thränen über¬
schwemmen, oder Unglück zusammendrückt, oder
der Tod einäschert . . . . Beata! auf der Erde
kann kein Mensch dem andern sagen, wie er ihn
liebe: die Freundschaft und die Liebe gehen mit
verschlossenen Lippen über diese Kugel und der in¬
nere Mensch hat keine Zunge -- ach wenn der
Mensch draussen im ewigen Tempel, der sich bis
an die Unendlichkeit hinaufwölbt, mitten im Krei¬
se von singenden Chören, heiligen Stätten, op¬
fernden Altären, vor einem betäubt niederfallen
und beten will: o so sinkt er ja so gut wie seine

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durchwinden und uͤberbluͤmen, und fuͤr Ihr gan¬
zes, ganzes Herz? — — Meines — — das hat¬
ten Sie ja ſchon ohnedas und weiter hab' ich nichts;
fuͤr alle ſchoͤne Stunden, fuͤr alle Ihre Reize fuͤr
alle Ihre Liebe, fuͤr alles was Sie geben, hab'
ich nichts als nur dieſes treue, gluͤckliche, warme
Herz . . . .

Ja, ich habe nur dieſes; aber wenn der goͤtt¬
liche Funke der hoͤchſten Liebe im Menſchen-Herzen
gluͤhen kann, ſo ruht er in meinem und brennt
fuͤr die, die ich nur lieben aber nicht belohnen
kann. — Du hoͤherer Funke wirſt in meinem Her¬
zen fuͤr ſie fortglimmen, wenn es Thraͤnen uͤber¬
ſchwemmen, oder Ungluͤck zuſammendruͤckt, oder
der Tod einaͤſchert . . . . Beata! auf der Erde
kann kein Menſch dem andern ſagen, wie er ihn
liebe: die Freundſchaft und die Liebe gehen mit
verſchloſſenen Lippen uͤber dieſe Kugel und der in¬
nere Menſch hat keine Zunge — ach wenn der
Menſch drauſſen im ewigen Tempel, der ſich bis
an die Unendlichkeit hinaufwoͤlbt, mitten im Krei¬
ſe von ſingenden Choͤren, heiligen Staͤtten, op¬
fernden Altaͤren, vor einem betaͤubt niederfallen
und beten will: o ſo ſinkt er ja ſo gut wie ſeine

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[195/0205] durchwinden und uͤberbluͤmen, und fuͤr Ihr gan¬ zes, ganzes Herz? — — Meines — — das hat¬ ten Sie ja ſchon ohnedas und weiter hab' ich nichts; fuͤr alle ſchoͤne Stunden, fuͤr alle Ihre Reize fuͤr alle Ihre Liebe, fuͤr alles was Sie geben, hab' ich nichts als nur dieſes treue, gluͤckliche, warme Herz . . . . Ja, ich habe nur dieſes; aber wenn der goͤtt¬ liche Funke der hoͤchſten Liebe im Menſchen-Herzen gluͤhen kann, ſo ruht er in meinem und brennt fuͤr die, die ich nur lieben aber nicht belohnen kann. — Du hoͤherer Funke wirſt in meinem Her¬ zen fuͤr ſie fortglimmen, wenn es Thraͤnen uͤber¬ ſchwemmen, oder Ungluͤck zuſammendruͤckt, oder der Tod einaͤſchert . . . . Beata! auf der Erde kann kein Menſch dem andern ſagen, wie er ihn liebe: die Freundſchaft und die Liebe gehen mit verſchloſſenen Lippen uͤber dieſe Kugel und der in¬ nere Menſch hat keine Zunge — ach wenn der Menſch drauſſen im ewigen Tempel, der ſich bis an die Unendlichkeit hinaufwoͤlbt, mitten im Krei¬ ſe von ſingenden Choͤren, heiligen Staͤtten, op¬ fernden Altaͤren, vor einem betaͤubt niederfallen und beten will: o ſo ſinkt er ja ſo gut wie ſeine N 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/205>, abgerufen am 29.04.2024.