Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Ach! ich kenne einige schlafende Gestalten auf
diesen Wolken! . . .

"Alle diese Wolken ziehen mit ihren Schläfern
nach Morgen -- und sobald der große gute Gott
aufgeht in der Gestalt der Sonne: so wachen sie
alle auf und leben und jauchzen ewig."

O siehe! die Wolken gen Osten glühen höher
und drängen sich in Ein Glut-Meer zusammen --
die steigende Sonne nahet sich -- alle Schlummern¬
den lächelen lebendiger aus dem seeligen Traum
dem Wachen entgegen --

O ihr ewig geliebten kenntlichen Gestalten!
wenn ich in eure großen himmelstrunknen Augen
wieder werde schauen können . . . -

Ein Sonnenblitz schlug empor -- Gott ruhte
flammend vor der zweiten Welt -- alle geschlossene
Augen fuhren auf. -- --

Ach! auch meine: bloß die Erdensonne gieng
auf -- ich klebte noch auf der streitenden Abend-
Kugel -- die kürzeste Nacht war über meinen
Schlummer vorübergeeilet als wäre sie die letzte
des Lebens gewesen.

Es sei! aber heute richtet sich mein Geist auf
mit seinen irdischen Kräften -- ich erhebe meine

Ach! ich kenne einige ſchlafende Geſtalten auf
dieſen Wolken! . . .

„Alle dieſe Wolken ziehen mit ihren Schlaͤfern
nach Morgen — und ſobald der große gute Gott
aufgeht in der Geſtalt der Sonne: ſo wachen ſie
alle auf und leben und jauchzen ewig.“

O ſiehe! die Wolken gen Oſten gluͤhen hoͤher
und draͤngen ſich in Ein Glut-Meer zuſammen —
die ſteigende Sonne nahet ſich — alle Schlummern¬
den laͤchelen lebendiger aus dem ſeeligen Traum
dem Wachen entgegen —

O ihr ewig geliebten kenntlichen Geſtalten!
wenn ich in eure großen himmelstrunknen Augen
wieder werde ſchauen koͤnnen . . . –

Ein Sonnenblitz ſchlug empor — Gott ruhte
flammend vor der zweiten Welt — alle geſchloſſene
Augen fuhren auf. — —

Ach! auch meine: bloß die Erdenſonne gieng
auf — ich klebte noch auf der ſtreitenden Abend-
Kugel — die kuͤrzeſte Nacht war uͤber meinen
Schlummer voruͤbergeeilet als waͤre ſie die letzte
des Lebens geweſen.

Es ſei! aber heute richtet ſich mein Geiſt auf
mit ſeinen irdiſchen Kraͤften — ich erhebe meine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0468" n="458"/>
          <p>Ach! ich kenne einige &#x017F;chlafende Ge&#x017F;talten auf<lb/>
die&#x017F;en Wolken! . . .</p><lb/>
          <p>&#x201E;Alle die&#x017F;e Wolken ziehen mit ihren Schla&#x0364;fern<lb/>
nach Morgen &#x2014; und &#x017F;obald der große gute Gott<lb/>
aufgeht in der Ge&#x017F;talt der Sonne: &#x017F;o wachen &#x017F;ie<lb/>
alle auf und leben und jauchzen ewig.&#x201C;</p><lb/>
          <p>O &#x017F;iehe! die Wolken gen O&#x017F;ten glu&#x0364;hen ho&#x0364;her<lb/>
und dra&#x0364;ngen &#x017F;ich in Ein Glut-Meer zu&#x017F;ammen &#x2014;<lb/>
die &#x017F;teigende Sonne nahet &#x017F;ich &#x2014; alle Schlummern¬<lb/>
den la&#x0364;chelen lebendiger aus dem &#x017F;eeligen Traum<lb/>
dem Wachen entgegen &#x2014;</p><lb/>
          <p>O ihr ewig geliebten kenntlichen Ge&#x017F;talten!<lb/>
wenn ich in eure großen himmelstrunknen Augen<lb/>
wieder werde &#x017F;chauen ko&#x0364;nnen . . . &#x2013;</p><lb/>
          <p>Ein Sonnenblitz &#x017F;chlug empor &#x2014; Gott ruhte<lb/>
flammend vor der zweiten Welt &#x2014; alle ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Augen fuhren auf. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ach! auch meine: bloß die Erden&#x017F;onne gieng<lb/>
auf &#x2014; ich klebte noch auf der &#x017F;treitenden Abend-<lb/>
Kugel &#x2014; die ku&#x0364;rze&#x017F;te Nacht war u&#x0364;ber meinen<lb/>
Schlummer voru&#x0364;bergeeilet als wa&#x0364;re &#x017F;ie die letzte<lb/>
des Lebens gewe&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Es &#x017F;ei! aber heute richtet &#x017F;ich mein Gei&#x017F;t auf<lb/>
mit &#x017F;einen irdi&#x017F;chen Kra&#x0364;ften &#x2014; ich erhebe meine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0468] Ach! ich kenne einige ſchlafende Geſtalten auf dieſen Wolken! . . . „Alle dieſe Wolken ziehen mit ihren Schlaͤfern nach Morgen — und ſobald der große gute Gott aufgeht in der Geſtalt der Sonne: ſo wachen ſie alle auf und leben und jauchzen ewig.“ O ſiehe! die Wolken gen Oſten gluͤhen hoͤher und draͤngen ſich in Ein Glut-Meer zuſammen — die ſteigende Sonne nahet ſich — alle Schlummern¬ den laͤchelen lebendiger aus dem ſeeligen Traum dem Wachen entgegen — O ihr ewig geliebten kenntlichen Geſtalten! wenn ich in eure großen himmelstrunknen Augen wieder werde ſchauen koͤnnen . . . – Ein Sonnenblitz ſchlug empor — Gott ruhte flammend vor der zweiten Welt — alle geſchloſſene Augen fuhren auf. — — Ach! auch meine: bloß die Erdenſonne gieng auf — ich klebte noch auf der ſtreitenden Abend- Kugel — die kuͤrzeſte Nacht war uͤber meinen Schlummer voruͤbergeeilet als waͤre ſie die letzte des Lebens geweſen. Es ſei! aber heute richtet ſich mein Geiſt auf mit ſeinen irdiſchen Kraͤften — ich erhebe meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/468
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/468>, abgerufen am 04.05.2024.