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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Morgen so innig-seelig ist, aber ihn nicht mehr
weiß. -- Und wie, steht ihm nicht Lilar offen
und sieht ers nicht gewiß, sobald nur Liane
es auch sehen kann? --

Nie war er sanfter. Der aufmerksame
Lektor legte in dieser warmen fruchtbaren Säezeit
einigen guten Saamen ein. Er sagte, als sie
miteinander noch in die Mondnacht heraussa¬
hen, Albano habe heute fast bloß stachlichte
und sperrige Wahrheiten vorgebracht; die nur
erbittern, nicht erleuchten. -- Zu einer andern
Zeit hätt' ihn der Graf befragt ob ers wie
Froulay und Bouverot hätte machen sollen,
die einander ganz tolerant Theses und Anti¬
theses vortrugen wie ein akademischer Respon¬
dent und Opponent, die vorher bei einander lo¬
gische Wunden und Pflaster von gleicher Länge
bestellen --; aber heute war er ihm sehr gut.
Augusti hatte so delikat und liebreich für Mut¬
ter und Tochter gesorgt -- er hatte ohne
Schwärzen und Schminken viel Gutes, aber
nicht hastig gesagt und man hatte seinem Aus¬
einandersetzen ruhig zugehört -- er hatte we¬
der geschmeichelt noch beleidigt. Albano ver¬

Morgen ſo innig-ſeelig iſt, aber ihn nicht mehr
weiß. — Und wie, ſteht ihm nicht Lilar offen
und ſieht ers nicht gewiß, ſobald nur Liane
es auch ſehen kann? —

Nie war er ſanfter. Der aufmerkſame
Lektor legte in dieſer warmen fruchtbaren Säezeit
einigen guten Saamen ein. Er ſagte, als ſie
miteinander noch in die Mondnacht herausſa¬
hen, Albano habe heute faſt bloß ſtachlichte
und ſperrige Wahrheiten vorgebracht; die nur
erbittern, nicht erleuchten. — Zu einer andern
Zeit hätt' ihn der Graf befragt ob ers wie
Froulay und Bouverot hätte machen ſollen,
die einander ganz tolerant Theſes und Anti¬
theſes vortrugen wie ein akademiſcher Reſpon¬
dent und Opponent, die vorher bei einander lo¬
giſche Wunden und Pflaſter von gleicher Länge
beſtellen —; aber heute war er ihm ſehr gut.
Auguſti hatte ſo delikat und liebreich für Mut¬
ter und Tochter geſorgt — er hatte ohne
Schwärzen und Schminken viel Gutes, aber
nicht haſtig geſagt und man hatte ſeinem Aus¬
einanderſetzen ruhig zugehört — er hatte we¬
der geſchmeichelt noch beleidigt. Albano ver¬

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[394/0414] Morgen ſo innig-ſeelig iſt, aber ihn nicht mehr weiß. — Und wie, ſteht ihm nicht Lilar offen und ſieht ers nicht gewiß, ſobald nur Liane es auch ſehen kann? — Nie war er ſanfter. Der aufmerkſame Lektor legte in dieſer warmen fruchtbaren Säezeit einigen guten Saamen ein. Er ſagte, als ſie miteinander noch in die Mondnacht herausſa¬ hen, Albano habe heute faſt bloß ſtachlichte und ſperrige Wahrheiten vorgebracht; die nur erbittern, nicht erleuchten. — Zu einer andern Zeit hätt' ihn der Graf befragt ob ers wie Froulay und Bouverot hätte machen ſollen, die einander ganz tolerant Theſes und Anti¬ theſes vortrugen wie ein akademiſcher Reſpon¬ dent und Opponent, die vorher bei einander lo¬ giſche Wunden und Pflaſter von gleicher Länge beſtellen —; aber heute war er ihm ſehr gut. Auguſti hatte ſo delikat und liebreich für Mut¬ ter und Tochter geſorgt — er hatte ohne Schwärzen und Schminken viel Gutes, aber nicht haſtig geſagt und man hatte ſeinem Aus¬ einanderſetzen ruhig zugehört — er hatte we¬ der geſchmeichelt noch beleidigt. Albano ver¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/414>, abgerufen am 01.05.2024.