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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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gleich den abgenützten Merkmalen des Auges
und des Ohres, seltener kommen und also leich¬
ter und heftiger die verblichene Empfindung er¬
neuern. Aber als er in eine Arkade des Pal¬
lastes, welche bunte Steine und Muscheln stik¬
kend färbten, gerieth, und als er die Wogen
spielend auf die Schwelle der Grotte hüpfen
sah: so deckte sich ihm auf einmal eine bemoo¬
sete Vergangenheit auf -- er durchsuchte seine
Erinnerungen -- die Farbensteine der Grotte
lagen gleichsam voll Inschriften der vorigen
Zeit vor seinem Gedächtniß. -- -- Ach hier war
er ja tausendmal mit seiner Mutter gewesen,
sie hatte ihm die Muscheln gezeigt und die
Nähe der Wellen verboten, und einmal, da
die Sonne aufgieng und da der durchwehte
See und alle Steinchen glänzten, war er auf
ihrem Schooße mitten unter den Lichtern auf¬
gewacht. --

O war denn nun die Stelle nicht geheiligt
und auf ihr seine überwältigende Sehnsucht
nicht entschuldigt, die er heute so lange gehabt,
die schöne Armwunde dem tobenden und quä¬
lenden Blute aufzumachen?

gleich den abgenützten Merkmalen des Auges
und des Ohres, ſeltener kommen und alſo leich¬
ter und heftiger die verblichene Empfindung er¬
neuern. Aber als er in eine Arkade des Pal¬
laſtes, welche bunte Steine und Muſcheln ſtik¬
kend färbten, gerieth, und als er die Wogen
ſpielend auf die Schwelle der Grotte hüpfen
ſah: ſo deckte ſich ihm auf einmal eine bemoo¬
ſete Vergangenheit auf — er durchſuchte ſeine
Erinnerungen — die Farbenſteine der Grotte
lagen gleichſam voll Inſchriften der vorigen
Zeit vor ſeinem Gedächtniß. — — Ach hier war
er ja tauſendmal mit ſeiner Mutter geweſen,
ſie hatte ihm die Muſcheln gezeigt und die
Nähe der Wellen verboten, und einmal, da
die Sonne aufgieng und da der durchwehte
See und alle Steinchen glänzten, war er auf
ihrem Schooße mitten unter den Lichtern auf¬
gewacht. —

O war denn nun die Stelle nicht geheiligt
und auf ihr ſeine überwältigende Sehnſucht
nicht entſchuldigt, die er heute ſo lange gehabt,
die ſchöne Armwunde dem tobenden und quä¬
lenden Blute aufzumachen?

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[50/0070] gleich den abgenützten Merkmalen des Auges und des Ohres, ſeltener kommen und alſo leich¬ ter und heftiger die verblichene Empfindung er¬ neuern. Aber als er in eine Arkade des Pal¬ laſtes, welche bunte Steine und Muſcheln ſtik¬ kend färbten, gerieth, und als er die Wogen ſpielend auf die Schwelle der Grotte hüpfen ſah: ſo deckte ſich ihm auf einmal eine bemoo¬ ſete Vergangenheit auf — er durchſuchte ſeine Erinnerungen — die Farbenſteine der Grotte lagen gleichſam voll Inſchriften der vorigen Zeit vor ſeinem Gedächtniß. — — Ach hier war er ja tauſendmal mit ſeiner Mutter geweſen, ſie hatte ihm die Muſcheln gezeigt und die Nähe der Wellen verboten, und einmal, da die Sonne aufgieng und da der durchwehte See und alle Steinchen glänzten, war er auf ihrem Schooße mitten unter den Lichtern auf¬ gewacht. — O war denn nun die Stelle nicht geheiligt und auf ihr ſeine überwältigende Sehnſucht nicht entſchuldigt, die er heute ſo lange gehabt, die ſchöne Armwunde dem tobenden und quä¬ lenden Blute aufzumachen?

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/70>, abgerufen am 31.10.2024.