Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

und sie mit der Mutter noch vor Mitter¬
nacht eine Reichskammergerichts-Revision, einen
Münzprobazions-Tag über alles gehalten hat¬
te, was ein Mensch vom Land anziehen kann
in der Stadt: so packte sie dort auf und
hier -- ab.

"Ach ich fürchte mich drinnen, (sagte sie zu
"Albano,) sie sind alle zu gescheut und ich bin
"nun so dumm!" -- Er fand außer dem Fa¬
milienkleebat noch die Prinzessin und die kleine
Helena aus Lilar, dieses schöne Medaillon ei¬
nes schönen Tages für sein gerührtes Herz. Un¬
beschreiblich ergriff ihn Lianens weibliche Annä¬
herung an Rabette, gleichsam als theil' er sie
mit ihr. Mit Leutseeligkeit und Zartheit kam
die Milde, die ohne Falsch und Stolz war,
der verlegnen Gespielin zu Hülfe, auf deren
Gesicht die angeborne lachende und beredte
Natur jetzt sonderbar gegen den künstlichen
Stummen-Ernst abstach. Karl war mit seiner
gewandten Vertraulichkeit mehr im Stand, sie
zu umstricken als loszuwickeln; blos Liane gab
ihrer Seele und Zunge schon durch den Stick¬
rahmen freies Feld; Rabette schrieb mit der

Titan II. G

und ſie mit der Mutter noch vor Mitter¬
nacht eine Reichskammergerichts-Reviſion, einen
Münzprobazions-Tag über alles gehalten hat¬
te, was ein Menſch vom Land anziehen kann
in der Stadt: ſo packte ſie dort auf und
hier — ab.

„Ach ich fürchte mich drinnen, (ſagte ſie zu
„Albano,) ſie ſind alle zu geſcheut und ich bin
„nun ſo dumm!“ — Er fand außer dem Fa¬
milienkleebat noch die Prinzeſſin und die kleine
Helena aus Lilar, dieſes ſchöne Medaillon ei¬
nes ſchönen Tages für ſein gerührtes Herz. Un¬
beſchreiblich ergriff ihn Lianens weibliche Annä¬
herung an Rabette, gleichſam als theil' er ſie
mit ihr. Mit Leutſeeligkeit und Zartheit kam
die Milde, die ohne Falſch und Stolz war,
der verlegnen Geſpielin zu Hülfe, auf deren
Geſicht die angeborne lachende und beredte
Natur jetzt ſonderbar gegen den künſtlichen
Stummen-Ernſt abſtach. Karl war mit ſeiner
gewandten Vertraulichkeit mehr im Stand, ſie
zu umſtricken als loszuwickeln; blos Liane gab
ihrer Seele und Zunge ſchon durch den Stick¬
rahmen freies Feld; Rabette ſchrieb mit der

Titan II. G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="97"/>
und &#x017F;ie mit der Mutter noch vor Mitter¬<lb/>
nacht eine Reichskammergerichts-Revi&#x017F;ion, einen<lb/>
Münzprobazions-Tag über alles gehalten hat¬<lb/>
te, was ein Men&#x017F;ch vom Land anziehen kann<lb/>
in der Stadt: &#x017F;o packte &#x017F;ie dort auf und<lb/>
hier &#x2014; ab.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ach ich fürchte mich drinnen, (&#x017F;agte &#x017F;ie zu<lb/>
&#x201E;Albano,) &#x017F;ie &#x017F;ind alle zu ge&#x017F;cheut und ich bin<lb/>
&#x201E;nun &#x017F;o dumm!&#x201C; &#x2014; Er fand außer dem Fa¬<lb/>
milienkleebat noch die Prinze&#x017F;&#x017F;in und die kleine<lb/>
Helena aus Lilar, die&#x017F;es &#x017F;chöne Medaillon ei¬<lb/>
nes &#x017F;chönen Tages für &#x017F;ein gerührtes Herz. Un¬<lb/>
be&#x017F;chreiblich ergriff ihn Lianens weibliche Annä¬<lb/>
herung an Rabette, gleich&#x017F;am als theil' er &#x017F;ie<lb/>
mit ihr. Mit Leut&#x017F;eeligkeit und Zartheit kam<lb/>
die Milde, die ohne Fal&#x017F;ch und Stolz war,<lb/>
der verlegnen Ge&#x017F;pielin zu Hülfe, auf deren<lb/>
Ge&#x017F;icht <choice><sic>dle</sic><corr>die</corr></choice> angeborne lachende und beredte<lb/>
Natur jetzt &#x017F;onderbar gegen den kün&#x017F;tlichen<lb/>
Stummen-Ern&#x017F;t ab&#x017F;tach. Karl war mit &#x017F;einer<lb/>
gewandten Vertraulichkeit mehr im Stand, &#x017F;ie<lb/>
zu um&#x017F;tricken als loszuwickeln; blos Liane gab<lb/>
ihrer Seele und Zunge &#x017F;chon durch den Stick¬<lb/>
rahmen freies Feld; Rabette &#x017F;chrieb mit der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Titan <hi rendition="#aq">II</hi>. G<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0105] und ſie mit der Mutter noch vor Mitter¬ nacht eine Reichskammergerichts-Reviſion, einen Münzprobazions-Tag über alles gehalten hat¬ te, was ein Menſch vom Land anziehen kann in der Stadt: ſo packte ſie dort auf und hier — ab. „Ach ich fürchte mich drinnen, (ſagte ſie zu „Albano,) ſie ſind alle zu geſcheut und ich bin „nun ſo dumm!“ — Er fand außer dem Fa¬ milienkleebat noch die Prinzeſſin und die kleine Helena aus Lilar, dieſes ſchöne Medaillon ei¬ nes ſchönen Tages für ſein gerührtes Herz. Un¬ beſchreiblich ergriff ihn Lianens weibliche Annä¬ herung an Rabette, gleichſam als theil' er ſie mit ihr. Mit Leutſeeligkeit und Zartheit kam die Milde, die ohne Falſch und Stolz war, der verlegnen Geſpielin zu Hülfe, auf deren Geſicht die angeborne lachende und beredte Natur jetzt ſonderbar gegen den künſtlichen Stummen-Ernſt abſtach. Karl war mit ſeiner gewandten Vertraulichkeit mehr im Stand, ſie zu umſtricken als loszuwickeln; blos Liane gab ihrer Seele und Zunge ſchon durch den Stick¬ rahmen freies Feld; Rabette ſchrieb mit der Titan II. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/105
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/105>, abgerufen am 29.04.2024.