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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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das sogenannte "Donnerhäuschen*)" und rieth
ihm, es diesen Sommer zu bewohnen. Albano
schied endlich, aber sein bewegtes Herz war ein
Meer, in welchem die Morgensonne glühend
noch halb steht und in welches sich in Abend
ein bleifarbiges Gewitter taucht und das glän¬
zend schwillt unter dem Sturm. Er sah aus
der Tiefe nach dem nachblickenden Greise hin¬
auf; aber er hätte sich heut kaum gewundert,
wenn dieser versunken oder aufgestiegen wäre.
In zornig-muthigen Entschlüssen, für seine
Liebe, wornach kalte Hände griffen, mit seinem
Leben zu bürgen und zu opfern, schritt er durch
den vom Vergrößerungsspiegel der Nacht zum
schwarzen Riesen-Troß aufgezognen Tartarus
ohne alle Furcht; so ist die Geisterwelt nur
ein Welttheil unserer innern, und das Ich fürch¬
tet nur das Ich. Da er vor dem Altare
des Herzens in der stummen Nacht, wo nichts
laut war als der Gedanke, stand, so rieth ihm
der kühne Geist einigemale, den alten Todten

*) Es hatte den Namen von seiner Höhe und von
dem öftern Einschlagen des Blitzes.

das ſogenannte „Donnerhäuschen*)“ und rieth
ihm, es dieſen Sommer zu bewohnen. Albano
ſchied endlich, aber ſein bewegtes Herz war ein
Meer, in welchem die Morgenſonne glühend
noch halb ſteht und in welches ſich in Abend
ein bleifarbiges Gewitter taucht und das glän¬
zend ſchwillt unter dem Sturm. Er ſah aus
der Tiefe nach dem nachblickenden Greiſe hin¬
auf; aber er hätte ſich heut kaum gewundert,
wenn dieſer verſunken oder aufgeſtiegen wäre.
In zornig-muthigen Entſchlüſſen, für ſeine
Liebe, wornach kalte Hände griffen, mit ſeinem
Leben zu bürgen und zu opfern, ſchritt er durch
den vom Vergrößerungsſpiegel der Nacht zum
ſchwarzen Rieſen-Troß aufgezognen Tartarus
ohne alle Furcht; ſo iſt die Geiſterwelt nur
ein Welttheil unſerer innern, und das Ich fürch¬
tet nur das Ich. Da er vor dem Altare
des Herzens in der ſtummen Nacht, wo nichts
laut war als der Gedanke, ſtand, ſo rieth ihm
der kühne Geiſt einigemale, den alten Todten

*) Es hatte den Namen von ſeiner Höhe und von
dem öftern Einſchlagen des Blitzes.
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[119/0127] das ſogenannte „Donnerhäuschen *)“ und rieth ihm, es dieſen Sommer zu bewohnen. Albano ſchied endlich, aber ſein bewegtes Herz war ein Meer, in welchem die Morgenſonne glühend noch halb ſteht und in welches ſich in Abend ein bleifarbiges Gewitter taucht und das glän¬ zend ſchwillt unter dem Sturm. Er ſah aus der Tiefe nach dem nachblickenden Greiſe hin¬ auf; aber er hätte ſich heut kaum gewundert, wenn dieſer verſunken oder aufgeſtiegen wäre. In zornig-muthigen Entſchlüſſen, für ſeine Liebe, wornach kalte Hände griffen, mit ſeinem Leben zu bürgen und zu opfern, ſchritt er durch den vom Vergrößerungsſpiegel der Nacht zum ſchwarzen Rieſen-Troß aufgezognen Tartarus ohne alle Furcht; ſo iſt die Geiſterwelt nur ein Welttheil unſerer innern, und das Ich fürch¬ tet nur das Ich. Da er vor dem Altare des Herzens in der ſtummen Nacht, wo nichts laut war als der Gedanke, ſtand, ſo rieth ihm der kühne Geiſt einigemale, den alten Todten *) Es hatte den Namen von ſeiner Höhe und von dem öftern Einſchlagen des Blitzes.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/127>, abgerufen am 29.04.2024.