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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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nur einzelne, lange, eigne Namen, wie Roquai¬
rol und Zesara mit den weiten Maschen seines
Nachtgarns aufgefischt. Kaum war der leise Lek¬
tor hinaus, so trat er mit dem Ohr in der Hand
froh ins Zimmer herein und foderte ihr einen
Bericht von den Berichten ab. Er hielt es un¬
ter seiner Würde, je seinen Argwohn -- der
sich auch in der freundlichsten und frohesten
Laune seine Argus-Ohren und Augen nicht zu¬
machen ließ -- oder sein Horchen nur mit einer
Sylbe oder Schamröthe zu verkleistern oder zu
decken; die schönen Lilien der ungefärbtesten
Unverschämtheit waren ihm nicht aufgemalt,
sondern eingebrannt. Die Ministerin ergriff
sogleich die weibliche Parthei, die Wahrheit zu
sagen -- zur Hälfte; nämlich die angenehme
von Roquairols gut aufgenommenen Annähe¬
rungen zum Wehrfritzischen Hause, dessen Land¬
gut und Landschaftsdirektorat recht anpassend
dem Schwiegervater angegossen waren. Indeß
hatte dieser in der Gattin Antlitz den Trauer¬
rand um dieses frohe Notifikazionsschreiben
viel zu klar und breit gesehen, um nicht nach
dem vortönenden Wort Zesara, das sein zart¬

nur einzelne, lange, eigne Namen, wie Roquai¬
rol und Zeſara mit den weiten Maſchen ſeines
Nachtgarns aufgefiſcht. Kaum war der leiſe Lek¬
tor hinaus, ſo trat er mit dem Ohr in der Hand
froh ins Zimmer herein und foderte ihr einen
Bericht von den Berichten ab. Er hielt es un¬
ter ſeiner Würde, je ſeinen Argwohn — der
ſich auch in der freundlichſten und froheſten
Laune ſeine Argus-Ohren und Augen nicht zu¬
machen ließ — oder ſein Horchen nur mit einer
Sylbe oder Schamröthe zu verkleiſtern oder zu
decken; die ſchönen Lilien der ungefärbteſten
Unverſchämtheit waren ihm nicht aufgemalt,
ſondern eingebrannt. Die Miniſterin ergriff
ſogleich die weibliche Parthei, die Wahrheit zu
ſagen — zur Hälfte; nämlich die angenehme
von Roquairols gut aufgenommenen Annähe¬
rungen zum Wehrfritziſchen Hauſe, deſſen Land¬
gut und Landſchaftsdirektorat recht anpaſſend
dem Schwiegervater angegoſſen waren. Indeß
hatte dieſer in der Gattin Antlitz den Trauer¬
rand um dieſes frohe Notifikazionsſchreiben
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[101/0113] nur einzelne, lange, eigne Namen, wie Roquai¬ rol und Zeſara mit den weiten Maſchen ſeines Nachtgarns aufgefiſcht. Kaum war der leiſe Lek¬ tor hinaus, ſo trat er mit dem Ohr in der Hand froh ins Zimmer herein und foderte ihr einen Bericht von den Berichten ab. Er hielt es un¬ ter ſeiner Würde, je ſeinen Argwohn — der ſich auch in der freundlichſten und froheſten Laune ſeine Argus-Ohren und Augen nicht zu¬ machen ließ — oder ſein Horchen nur mit einer Sylbe oder Schamröthe zu verkleiſtern oder zu decken; die ſchönen Lilien der ungefärbteſten Unverſchämtheit waren ihm nicht aufgemalt, ſondern eingebrannt. Die Miniſterin ergriff ſogleich die weibliche Parthei, die Wahrheit zu ſagen — zur Hälfte; nämlich die angenehme von Roquairols gut aufgenommenen Annähe¬ rungen zum Wehrfritziſchen Hauſe, deſſen Land¬ gut und Landſchaftsdirektorat recht anpaſſend dem Schwiegervater angegoſſen waren. Indeß hatte dieſer in der Gattin Antlitz den Trauer¬ rand um dieſes frohe Notifikazionsſchreiben viel zu klar und breit geſehen, um nicht nach dem vortönenden Wort Zeſara, das ſein zart¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/113>, abgerufen am 14.05.2024.