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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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als schön gezeichneten -- Gesichte war bloß ihre
Nase es nicht, sondern eckig geschnitten und der
regierenden Wochentäglichkeit mehr Knochen als
Knorpel entgegensetzend. Bei den Weibern be¬
deuten ausgezeichnete, regellose Nasen, z. B.
mit tiefem Wurzel-Einschnitt, oder mit konka¬
ven oder konvexen Biegungen, oder mit Facet¬
ten am Knopfe u. s. w. weit mehr für das Ta¬
lent als bei den Männern; und -- wenige
ausgenommen, die ich selber gesehen -- mußte
immer die Schönheit Etwas dem Genie aufop¬
fern, obwohl nicht so viel als nachher das frem¬
de ihrer, wie wir Männer sämmtlich wol lei¬
der gethan.

Der Graf wurd' ihr vom Fürsten vorge¬
stellt; aber sie hatt' ihn -- ob sie gleich von
ihm gehöret und seinen Vater so lange gesehen
hatte -- nicht gekannt, sondern eher dem Bräu¬
tigamsrock ähnlich gefunden. Dem Rocke konnte
-- oder sollte -- diese blühende Ähnlichkeit
nicht anders als schmeicheln. Die Ähnlichkeit
erklärt den schönen Antheil ganz, den sie jetzt
an Beiden nehmen mußte, weil zu einer Ähn¬
lichkeit immer ein Paar Menschen gehören.

als ſchön gezeichneten — Geſichte war bloß ihre
Naſe es nicht, ſondern eckig geſchnitten und der
regierenden Wochentäglichkeit mehr Knochen als
Knorpel entgegenſetzend. Bei den Weibern be¬
deuten ausgezeichnete, regelloſe Naſen, z. B.
mit tiefem Wurzel-Einſchnitt, oder mit konka¬
ven oder konvexen Biegungen, oder mit Facet¬
ten am Knopfe u. ſ. w. weit mehr für das Ta¬
lent als bei den Männern; und — wenige
ausgenommen, die ich ſelber geſehen — mußte
immer die Schönheit Etwas dem Genie aufop¬
fern, obwohl nicht ſo viel als nachher das frem¬
de ihrer, wie wir Männer ſämmtlich wol lei¬
der gethan.

Der Graf wurd' ihr vom Fürſten vorge¬
ſtellt; aber ſie hatt' ihn — ob ſie gleich von
ihm gehöret und ſeinen Vater ſo lange geſehen
hatte — nicht gekannt, ſondern eher dem Bräu¬
tigamsrock ähnlich gefunden. Dem Rocke konnte
— oder ſollte — dieſe blühende Ähnlichkeit
nicht anders als ſchmeicheln. Die Ähnlichkeit
erklärt den ſchönen Antheil ganz, den ſie jetzt
an Beiden nehmen mußte, weil zu einer Ähn¬
lichkeit immer ein Paar Menſchen gehören.

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[155/0167] als ſchön gezeichneten — Geſichte war bloß ihre Naſe es nicht, ſondern eckig geſchnitten und der regierenden Wochentäglichkeit mehr Knochen als Knorpel entgegenſetzend. Bei den Weibern be¬ deuten ausgezeichnete, regelloſe Naſen, z. B. mit tiefem Wurzel-Einſchnitt, oder mit konka¬ ven oder konvexen Biegungen, oder mit Facet¬ ten am Knopfe u. ſ. w. weit mehr für das Ta¬ lent als bei den Männern; und — wenige ausgenommen, die ich ſelber geſehen — mußte immer die Schönheit Etwas dem Genie aufop¬ fern, obwohl nicht ſo viel als nachher das frem¬ de ihrer, wie wir Männer ſämmtlich wol lei¬ der gethan. Der Graf wurd' ihr vom Fürſten vorge¬ ſtellt; aber ſie hatt' ihn — ob ſie gleich von ihm gehöret und ſeinen Vater ſo lange geſehen hatte — nicht gekannt, ſondern eher dem Bräu¬ tigamsrock ähnlich gefunden. Dem Rocke konnte — oder ſollte — dieſe blühende Ähnlichkeit nicht anders als ſchmeicheln. Die Ähnlichkeit erklärt den ſchönen Antheil ganz, den ſie jetzt an Beiden nehmen mußte, weil zu einer Ähn¬ lichkeit immer ein Paar Menſchen gehören.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/167>, abgerufen am 01.05.2024.