Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr vor; ich sehe recht deutlich das lange über
den ganzen Strom gespannte Netz, das Dich
fassen, schnüren und würgen soll; Dein Vater
und noch Andere ziehen darin Euch beide ein¬
ander zu, Gott weiß warum. -- Darum, kommt
Sie jetzt und dein Reisen ist nur Schein. --
Meine arme Schwester ist bald besiegt, näm¬
lich ermordet; besonders da man dazu bei ih¬
rem Geisterglauben keine andere Stimme braucht
als jene körperlose, die über dem alten Für¬
stenherzen dem Deinigen die Gränze anwies!

Welche Lichter in der Zukunft, die zwischen
finstern Verhältnissen und Gebüschen, in Mord-
Winkeln brennen! -- Wie es sey, ich trete in
die Höhlen hinein; ich danke Gott, daß das
ohnmächtige, kalt-schwitzende Leben wieder
einen Herzschlag, eine Leidenschaft gewinnt; und
dann oder jetzt thue gegen mich, der ich sicher
und versteckt und unredlich handeln konnte, was
Du magst. Schlage Dich heut oder morgen mit
mir. Es soll mich freuen, wenn Du mich in
den längsten Schlaf auf den Rücken bringst.
O, das Opium des Lebens macht nur Anfangs
lebhaft, dann schläfrig, o so schläfrig! Gern

Titan III. T

ihr vor; ich ſehe recht deutlich das lange über
den ganzen Strom geſpannte Netz, das Dich
faſſen, ſchnüren und würgen ſoll; Dein Vater
und noch Andere ziehen darin Euch beide ein¬
ander zu, Gott weiß warum. — Darum, kommt
Sie jetzt und dein Reiſen iſt nur Schein. —
Meine arme Schweſter iſt bald beſiegt, näm¬
lich ermordet; beſonders da man dazu bei ih¬
rem Geiſterglauben keine andere Stimme braucht
als jene körperloſe, die über dem alten Für¬
ſtenherzen dem Deinigen die Gränze anwies!

Welche Lichter in der Zukunft, die zwiſchen
finſtern Verhältniſſen und Gebüſchen, in Mord-
Winkeln brennen! — Wie es ſey, ich trete in
die Höhlen hinein; ich danke Gott, daß das
ohnmächtige, kalt-ſchwitzende Leben wieder
einen Herzſchlag, eine Leidenſchaft gewinnt; und
dann oder jetzt thue gegen mich, der ich ſicher
und verſteckt und unredlich handeln konnte, was
Du magſt. Schlage Dich heut oder morgen mit
mir. Es ſoll mich freuen, wenn Du mich in
den längſten Schlaf auf den Rücken bringſt.
O, das Opium des Lebens macht nur Anfangs
lebhaft, dann ſchläfrig, o ſo ſchläfrig! Gern

Titan III. T
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0301" n="289"/>
ihr vor; ich &#x017F;ehe recht deutlich das lange über<lb/>
den ganzen Strom ge&#x017F;pannte Netz, das Dich<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;chnüren und würgen &#x017F;oll; Dein Vater<lb/>
und noch Andere ziehen darin Euch beide ein¬<lb/>
ander zu, Gott weiß warum. &#x2014; Darum, kommt<lb/><hi rendition="#g">Sie</hi> jetzt und dein Rei&#x017F;en i&#x017F;t nur Schein. &#x2014;<lb/>
Meine arme Schwe&#x017F;ter i&#x017F;t bald be&#x017F;iegt, näm¬<lb/>
lich ermordet; be&#x017F;onders da man dazu bei ih¬<lb/>
rem Gei&#x017F;terglauben keine andere Stimme braucht<lb/>
als jene körperlo&#x017F;e, die über dem alten Für¬<lb/>
&#x017F;tenherzen dem Deinigen die Gränze anwies!</p><lb/>
          <p>Welche Lichter in der Zukunft, die zwi&#x017F;chen<lb/>
fin&#x017F;tern Verhältni&#x017F;&#x017F;en und Gebü&#x017F;chen, in Mord-<lb/>
Winkeln brennen! &#x2014; Wie es &#x017F;ey, ich trete in<lb/>
die Höhlen hinein; ich danke Gott, daß das<lb/>
ohnmächtige, <hi rendition="#g">kalt-&#x017F;chwitzende</hi> Leben wieder<lb/>
einen Herz&#x017F;chlag, eine Leiden&#x017F;chaft gewinnt; und<lb/>
dann oder jetzt thue gegen mich, der ich &#x017F;icher<lb/>
und ver&#x017F;teckt und unredlich handeln konnte, was<lb/>
Du mag&#x017F;t. Schlage Dich heut oder morgen mit<lb/>
mir. Es &#x017F;oll mich freuen, wenn Du mich in<lb/>
den läng&#x017F;ten Schlaf auf den Rücken bring&#x017F;t.<lb/>
O, das Opium des Lebens macht nur Anfangs<lb/>
lebhaft, dann &#x017F;chläfrig, o &#x017F;o &#x017F;chläfrig! Gern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Titan <hi rendition="#aq">III</hi>. T<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0301] ihr vor; ich ſehe recht deutlich das lange über den ganzen Strom geſpannte Netz, das Dich faſſen, ſchnüren und würgen ſoll; Dein Vater und noch Andere ziehen darin Euch beide ein¬ ander zu, Gott weiß warum. — Darum, kommt Sie jetzt und dein Reiſen iſt nur Schein. — Meine arme Schweſter iſt bald beſiegt, näm¬ lich ermordet; beſonders da man dazu bei ih¬ rem Geiſterglauben keine andere Stimme braucht als jene körperloſe, die über dem alten Für¬ ſtenherzen dem Deinigen die Gränze anwies! Welche Lichter in der Zukunft, die zwiſchen finſtern Verhältniſſen und Gebüſchen, in Mord- Winkeln brennen! — Wie es ſey, ich trete in die Höhlen hinein; ich danke Gott, daß das ohnmächtige, kalt-ſchwitzende Leben wieder einen Herzſchlag, eine Leidenſchaft gewinnt; und dann oder jetzt thue gegen mich, der ich ſicher und verſteckt und unredlich handeln konnte, was Du magſt. Schlage Dich heut oder morgen mit mir. Es ſoll mich freuen, wenn Du mich in den längſten Schlaf auf den Rücken bringſt. O, das Opium des Lebens macht nur Anfangs lebhaft, dann ſchläfrig, o ſo ſchläfrig! Gern Titan III. T

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/301
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/301>, abgerufen am 29.04.2024.