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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Kranke unter diese glänzende Göttin herunter!
Wie fand sie sich unwürdig der vorigen Liebe
für Albano! -- So wenig hatte Spener, der
nur vor Gott demüthig war, sie hindern kön¬
nen, zwei Kleinode aus ihrem vorigen Leben
in ihr jetziges verklärtes heraufzunehmen, die
alte Demuth vor Menschen und das alte be¬
kümmerte Sorgen für Geliebte.

Julienne mocht' ihr noch so oft abgera¬
then haben, sie schlang sich doch an einem Aben¬
de -- wo sie Albano's Wegziehen nach Italien
vernommen -- um Linda's Herz und sagte ihr
mit gewöhnlicher Überwallung, nur Albano ver¬
diene sie. Linda antwortete bewundernd: sie
fasse eine Liebe nicht, die sich selber vernichte;
in Ihrem Falle würde sie sterben. "Und thu'
ichs denn nicht?" sagte Liane.

Julienne bat gleich darauf Lianen, die ver¬
legne edle Gräfin darüber zu schonen. Liane
schwieg unbeleidigt; aber der neue Wunsch er¬
griff sie nun, ihren verlohrnen Albano noch ein¬
mal wiederzusehen und ihm ihre vorige Treue
und seinen Irrthum zu beweisen und ihm mit
sterbendem Herzen ein neues großes zu verma¬

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Kranke unter dieſe glänzende Göttin herunter!
Wie fand ſie ſich unwürdig der vorigen Liebe
für Albano! — So wenig hatte Spener, der
nur vor Gott demüthig war, ſie hindern kön¬
nen, zwei Kleinode aus ihrem vorigen Leben
in ihr jetziges verklärtes heraufzunehmen, die
alte Demuth vor Menſchen und das alte be¬
kümmerte Sorgen für Geliebte.

Julienne mocht' ihr noch ſo oft abgera¬
then haben, ſie ſchlang ſich doch an einem Aben¬
de — wo ſie Albano's Wegziehen nach Italien
vernommen — um Linda's Herz und ſagte ihr
mit gewöhnlicher Überwallung, nur Albano ver¬
diene ſie. Linda antwortete bewundernd: ſie
faſſe eine Liebe nicht, die ſich ſelber vernichte;
in Ihrem Falle würde ſie ſterben. „Und thu'
ichs denn nicht?“ ſagte Liane.

Julienne bat gleich darauf Lianen, die ver¬
legne edle Gräfin darüber zu ſchonen. Liane
ſchwieg unbeleidigt; aber der neue Wunſch er¬
griff ſie nun, ihren verlohrnen Albano noch ein¬
mal wiederzuſehen und ihm ihre vorige Treue
und ſeinen Irrthum zu beweiſen und ihm mit
ſterbendem Herzen ein neues großes zu verma¬

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[371/0383] Kranke unter dieſe glänzende Göttin herunter! Wie fand ſie ſich unwürdig der vorigen Liebe für Albano! — So wenig hatte Spener, der nur vor Gott demüthig war, ſie hindern kön¬ nen, zwei Kleinode aus ihrem vorigen Leben in ihr jetziges verklärtes heraufzunehmen, die alte Demuth vor Menſchen und das alte be¬ kümmerte Sorgen für Geliebte. Julienne mocht' ihr noch ſo oft abgera¬ then haben, ſie ſchlang ſich doch an einem Aben¬ de — wo ſie Albano's Wegziehen nach Italien vernommen — um Linda's Herz und ſagte ihr mit gewöhnlicher Überwallung, nur Albano ver¬ diene ſie. Linda antwortete bewundernd: ſie faſſe eine Liebe nicht, die ſich ſelber vernichte; in Ihrem Falle würde ſie ſterben. „Und thu' ichs denn nicht?“ ſagte Liane. Julienne bat gleich darauf Lianen, die ver¬ legne edle Gräfin darüber zu ſchonen. Liane ſchwieg unbeleidigt; aber der neue Wunſch er¬ griff ſie nun, ihren verlohrnen Albano noch ein¬ mal wiederzuſehen und ihm ihre vorige Treue und ſeinen Irrthum zu beweiſen und ihm mit ſterbendem Herzen ein neues großes zu verma¬ A a 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/383>, abgerufen am 16.05.2024.