Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

und hinüber. ""Ich muß, ich will"" rief ich ru¬
dernd. Mir schritt ein zorniger Riese nach, der
die Wellen mit einer scharfen Mondsichel ab¬
mähte; über mir lief ein kleines festes Gewit¬
ter aus der zusammengepreßten Dunstkugel der
Erde gemacht, es hieß die Giftkugel des Him¬
mels und schmetterte unaufhörlich nieder.

Auf dem hohen Gebürge rief eine Blume
mich freundlich hinauf; das Gebürge watete
der See dämmend entgegen; aber es rührte
nun beinahe an die herüberfliegenden Wel¬
ten und seine großen Feuerblumen waren nur
als rothe Knospen in den tiefen Äther gesäet.
Das Wasser kochte -- der Riese und die Gift¬
kugel wurden grimmiger -- zwei lange Wolken
standen wie aufgezogne Fallbrücken nieder und
auf ihnen rauschte der Regen in Wellen-Sprün¬
gen herab -- das Wasser und mein Schiffchen
stieg, aber nicht genug. ""Es geht hier (sagte
""der Riese lachend,) kein Wasserfall herauf!""

Da dacht' ich an meinen Tod und nannte
leise einen frommen Namen. -- -- Plötzlich
schwamm hoch im Himmel eine weisse Welt un¬
ter einem Schleier her, eine einzige glänzende

und hinüber. „„Ich muß, ich will““ rief ich ru¬
dernd. Mir ſchritt ein zorniger Rieſe nach, der
die Wellen mit einer ſcharfen Mondſichel ab¬
mähte; über mir lief ein kleines feſtes Gewit¬
ter aus der zuſammengepreßten Dunſtkugel der
Erde gemacht, es hieß die Giftkugel des Him¬
mels und ſchmetterte unaufhörlich nieder.

Auf dem hohen Gebürge rief eine Blume
mich freundlich hinauf; das Gebürge watete
der See dämmend entgegen; aber es rührte
nun beinahe an die herüberfliegenden Wel¬
ten und ſeine großen Feuerblumen waren nur
als rothe Knoſpen in den tiefen Äther geſäet.
Das Waſſer kochte — der Rieſe und die Gift¬
kugel wurden grimmiger — zwei lange Wolken
ſtanden wie aufgezogne Fallbrücken nieder und
auf ihnen rauſchte der Regen in Wellen-Sprün¬
gen herab — das Waſſer und mein Schiffchen
ſtieg, aber nicht genug. „„Es geht hier (ſagte
„„der Rieſe lachend,) kein Waſſerfall herauf!““

Da dacht' ich an meinen Tod und nannte
leiſe einen frommen Namen. — — Plötzlich
ſchwamm hoch im Himmel eine weiſſe Welt un¬
ter einem Schleier her, eine einzige glänzende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0434" n="422"/>
und hinüber. &#x201E;&#x201E;Ich muß, ich will&#x201C;&#x201C; rief ich ru¬<lb/>
dernd. Mir &#x017F;chritt ein zorniger Rie&#x017F;e nach, der<lb/>
die Wellen mit einer &#x017F;charfen Mond&#x017F;ichel ab¬<lb/>
mähte; über mir lief ein kleines fe&#x017F;tes Gewit¬<lb/>
ter aus der zu&#x017F;ammengepreßten Dun&#x017F;tkugel der<lb/>
Erde gemacht, es hieß die Giftkugel des Him¬<lb/>
mels und &#x017F;chmetterte unaufhörlich nieder.</p><lb/>
          <p>Auf dem hohen Gebürge rief eine Blume<lb/>
mich freundlich hinauf; das Gebürge watete<lb/>
der See dämmend entgegen; aber es rührte<lb/>
nun beinahe an die herüberfliegenden Wel¬<lb/>
ten und &#x017F;eine großen Feuerblumen waren nur<lb/>
als rothe Kno&#x017F;pen in den tiefen Äther ge&#x017F;äet.<lb/>
Das Wa&#x017F;&#x017F;er kochte &#x2014; der Rie&#x017F;e und die Gift¬<lb/>
kugel wurden grimmiger &#x2014; zwei lange Wolken<lb/>
&#x017F;tanden wie aufgezogne Fallbrücken nieder und<lb/>
auf ihnen rau&#x017F;chte der Regen in Wellen-Sprün¬<lb/>
gen herab &#x2014; das Wa&#x017F;&#x017F;er und mein Schiffchen<lb/>
&#x017F;tieg, aber nicht genug. &#x201E;&#x201E;Es geht hier (&#x017F;agte<lb/>
&#x201E;&#x201E;der Rie&#x017F;e lachend,) kein Wa&#x017F;&#x017F;erfall herauf!&#x201C;&#x201C;</p><lb/>
          <p>Da dacht' ich an meinen Tod und nannte<lb/>
lei&#x017F;e einen frommen Namen. &#x2014; &#x2014; Plötzlich<lb/>
&#x017F;chwamm hoch im Himmel eine wei&#x017F;&#x017F;e Welt un¬<lb/>
ter einem Schleier her, eine einzige glänzende<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0434] und hinüber. „„Ich muß, ich will““ rief ich ru¬ dernd. Mir ſchritt ein zorniger Rieſe nach, der die Wellen mit einer ſcharfen Mondſichel ab¬ mähte; über mir lief ein kleines feſtes Gewit¬ ter aus der zuſammengepreßten Dunſtkugel der Erde gemacht, es hieß die Giftkugel des Him¬ mels und ſchmetterte unaufhörlich nieder. Auf dem hohen Gebürge rief eine Blume mich freundlich hinauf; das Gebürge watete der See dämmend entgegen; aber es rührte nun beinahe an die herüberfliegenden Wel¬ ten und ſeine großen Feuerblumen waren nur als rothe Knoſpen in den tiefen Äther geſäet. Das Waſſer kochte — der Rieſe und die Gift¬ kugel wurden grimmiger — zwei lange Wolken ſtanden wie aufgezogne Fallbrücken nieder und auf ihnen rauſchte der Regen in Wellen-Sprün¬ gen herab — das Waſſer und mein Schiffchen ſtieg, aber nicht genug. „„Es geht hier (ſagte „„der Rieſe lachend,) kein Waſſerfall herauf!““ Da dacht' ich an meinen Tod und nannte leiſe einen frommen Namen. — — Plötzlich ſchwamm hoch im Himmel eine weiſſe Welt un¬ ter einem Schleier her, eine einzige glänzende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/434
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/434>, abgerufen am 03.05.2024.