Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

früh schon herein; Rabette und Karl riefen draus¬
sen einen lauten Gruß. An seiner jauchzenden
Brust lag das schöne, vom Gehen blühende Mäd¬
chen mit seeligen, hellen Augen, eine frisch-bethau¬
ete Rosenknospe. Es war sein schönster Morgen,
er fühlte rein, daß Liane liebe. Als die Aeols¬
harfe einklang sah sie hin, erinnerte sich errö¬
thend an den schönsten Bundes-Abend und
hörte still zu, und trocknete das Auge, da sie
es wieder auf Albano wandte. -- Aber er
konnte in diesen Tempel der Freude nicht ein¬
treten, ohne sich gereinigt und geheiligt zu ha¬
ben durch Offenheit über seine neulichen Irr¬
thümer. Welcher süße Wettstreit um Bekennen
und Vergeben, da Liane liebend erschrak und
bekannte, daß sie ihn neulich nicht errathen --
daß nur sie die Schuldige sey und daß sie
jetzt schon besser sprechen wolle. Sie konnte
sich über die verdeckten Schmerzen, die sie ihrem
Freund gemacht, gar nicht zufrieden geben. Wie
Mahagoni-Geräthe in keiner Temperatur
bricht, und keine Flecken annimmt und kein
Poliren bedarf: so ist dieses Herz, fühlte Al¬
bano; der sich nun schwur, überall, auch wo er

früh ſchon herein; Rabette und Karl riefen draus¬
ſen einen lauten Gruß. An ſeiner jauchzenden
Bruſt lag das ſchöne, vom Gehen blühende Mäd¬
chen mit ſeeligen, hellen Augen, eine friſch-bethau¬
ete Roſenknoſpe. Es war ſein ſchönſter Morgen,
er fühlte rein, daß Liane liebe. Als die Aeols¬
harfe einklang ſah ſie hin, erinnerte ſich errö¬
thend an den ſchönſten Bundes-Abend und
hörte ſtill zu, und trocknete das Auge, da ſie
es wieder auf Albano wandte. — Aber er
konnte in dieſen Tempel der Freude nicht ein¬
treten, ohne ſich gereinigt und geheiligt zu ha¬
ben durch Offenheit über ſeine neulichen Irr¬
thümer. Welcher ſüße Wettſtreit um Bekennen
und Vergeben, da Liane liebend erſchrak und
bekannte, daß ſie ihn neulich nicht errathen —
daß nur ſie die Schuldige ſey und daß ſie
jetzt ſchon beſſer ſprechen wolle. Sie konnte
ſich über die verdeckten Schmerzen, die ſie ihrem
Freund gemacht, gar nicht zufrieden geben. Wie
Mahagoni-Geräthe in keiner Temperatur
bricht, und keine Flecken annimmt und kein
Poliren bedarf: ſo iſt dieſes Herz, fühlte Al¬
bano; der ſich nun ſchwur, überall, auch wo er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="55"/>
früh &#x017F;chon herein; Rabette und Karl riefen draus¬<lb/>
&#x017F;en einen lauten Gruß. An &#x017F;einer jauchzenden<lb/>
Bru&#x017F;t lag das &#x017F;chöne, vom Gehen blühende Mäd¬<lb/>
chen mit &#x017F;eeligen, hellen Augen, eine fri&#x017F;ch-bethau¬<lb/>
ete Ro&#x017F;enkno&#x017F;pe. Es war &#x017F;ein &#x017F;chön&#x017F;ter Morgen,<lb/>
er fühlte rein, daß Liane liebe. Als die Aeols¬<lb/>
harfe einklang &#x017F;ah &#x017F;ie hin, erinnerte &#x017F;ich errö¬<lb/>
thend an den &#x017F;chön&#x017F;ten Bundes-Abend und<lb/>
hörte &#x017F;till zu, und trocknete das Auge, da &#x017F;ie<lb/>
es wieder auf Albano wandte. &#x2014; Aber er<lb/>
konnte in die&#x017F;en Tempel der Freude nicht ein¬<lb/>
treten, ohne &#x017F;ich gereinigt und geheiligt zu ha¬<lb/>
ben durch Offenheit über &#x017F;eine neulichen Irr¬<lb/>
thümer. Welcher &#x017F;üße Wett&#x017F;treit um Bekennen<lb/>
und Vergeben, da Liane liebend er&#x017F;chrak und<lb/>
bekannte, daß &#x017F;ie ihn neulich nicht errathen &#x2014;<lb/>
daß nur &#x017F;ie die Schuldige &#x017F;ey und daß &#x017F;ie<lb/>
jetzt &#x017F;chon be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;prechen wolle. Sie konnte<lb/>
&#x017F;ich über die verdeckten Schmerzen, die &#x017F;ie ihrem<lb/>
Freund gemacht, gar nicht zufrieden geben. Wie<lb/>
Mahagoni-Geräthe in keiner Temperatur<lb/>
bricht, und keine Flecken annimmt und kein<lb/>
Poliren bedarf: &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;es Herz, fühlte Al¬<lb/>
bano; der &#x017F;ich nun &#x017F;chwur, überall, auch wo er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0067] früh ſchon herein; Rabette und Karl riefen draus¬ ſen einen lauten Gruß. An ſeiner jauchzenden Bruſt lag das ſchöne, vom Gehen blühende Mäd¬ chen mit ſeeligen, hellen Augen, eine friſch-bethau¬ ete Roſenknoſpe. Es war ſein ſchönſter Morgen, er fühlte rein, daß Liane liebe. Als die Aeols¬ harfe einklang ſah ſie hin, erinnerte ſich errö¬ thend an den ſchönſten Bundes-Abend und hörte ſtill zu, und trocknete das Auge, da ſie es wieder auf Albano wandte. — Aber er konnte in dieſen Tempel der Freude nicht ein¬ treten, ohne ſich gereinigt und geheiligt zu ha¬ ben durch Offenheit über ſeine neulichen Irr¬ thümer. Welcher ſüße Wettſtreit um Bekennen und Vergeben, da Liane liebend erſchrak und bekannte, daß ſie ihn neulich nicht errathen — daß nur ſie die Schuldige ſey und daß ſie jetzt ſchon beſſer ſprechen wolle. Sie konnte ſich über die verdeckten Schmerzen, die ſie ihrem Freund gemacht, gar nicht zufrieden geben. Wie Mahagoni-Geräthe in keiner Temperatur bricht, und keine Flecken annimmt und kein Poliren bedarf: ſo iſt dieſes Herz, fühlte Al¬ bano; der ſich nun ſchwur, überall, auch wo er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/67
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/67>, abgerufen am 28.04.2024.