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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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da er sich so plötzlich von einem gebenden Arm
aus der Wolke umschlungen fand,) das alles
giebst Du mir auf einmal jetzt?" -- "Ach,
(rief Julienne lebhaft,) weint' ich nur auch
vor lauter Freude! Aber ich esse mein bit¬
teres Stück Schmerz mit dazu! Lieber Bruder,
Luigi schreibt mir gestern aus Pestiz, ich sollte
zurückeilen, sonst erleb' er schwerlich meine Wie¬
derkunft. Dacht' ich das bei der Abreise? So
soll ich, was ich mit der einen Hand einnehme,
mit der andern ausgeben." Albano schwieg
dazu, weil er am Fürsten keinen Antheil neh¬
men konnte. Desto mehr erquickt' er sich mit
frischer klarer Freude, am offnen wehenden
Orient der frühesten Lebenstage, an dem Bli¬
cke auf diese junge reine Blume, die gleichsam
in und aus der hellen frischen Quelle seiner
Kindheit wuchs und spielte.

"Aber Himmel! erkläre mir (fieng Albano
an) wie alles zugieng." -- "Jetzt, weiß ich,
hebt das Fragen an (versetzte sie). Die osten¬
sible Hauptsumme sollst Du kurz haben -- fragst
Du nach mehr, willst Du ins Geheimbuch gu¬
cken, so schlag' ichs zu und sage Dir einige

Titan IV. K

da er ſich ſo plötzlich von einem gebenden Arm
aus der Wolke umſchlungen fand,) das alles
giebſt Du mir auf einmal jetzt?“ — „Ach,
(rief Julienne lebhaft,) weint' ich nur auch
vor lauter Freude! Aber ich eſſe mein bit¬
teres Stück Schmerz mit dazu! Lieber Bruder,
Luigi ſchreibt mir geſtern aus Peſtiz, ich ſollte
zurückeilen, ſonſt erleb' er ſchwerlich meine Wie¬
derkunft. Dacht' ich das bei der Abreiſe? So
ſoll ich, was ich mit der einen Hand einnehme,
mit der andern ausgeben.“ Albano ſchwieg
dazu, weil er am Fürſten keinen Antheil neh¬
men konnte. Deſto mehr erquickt' er ſich mit
friſcher klarer Freude, am offnen wehenden
Orient der früheſten Lebenstage, an dem Bli¬
cke auf dieſe junge reine Blume, die gleichſam
in und aus der hellen friſchen Quelle ſeiner
Kindheit wuchs und ſpielte.

„Aber Himmel! erkläre mir (fieng Albano
an) wie alles zugieng.“ — „Jetzt, weiß ich,
hebt das Fragen an (verſetzte ſie). Die oſten¬
ſible Hauptſumme ſollſt Du kurz haben — fragſt
Du nach mehr, willſt Du ins Geheimbuch gu¬
cken, ſo ſchlag' ichs zu und ſage Dir einige

Titan IV. K
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[145/0157] da er ſich ſo plötzlich von einem gebenden Arm aus der Wolke umſchlungen fand,) das alles giebſt Du mir auf einmal jetzt?“ — „Ach, (rief Julienne lebhaft,) weint' ich nur auch vor lauter Freude! Aber ich eſſe mein bit¬ teres Stück Schmerz mit dazu! Lieber Bruder, Luigi ſchreibt mir geſtern aus Peſtiz, ich ſollte zurückeilen, ſonſt erleb' er ſchwerlich meine Wie¬ derkunft. Dacht' ich das bei der Abreiſe? So ſoll ich, was ich mit der einen Hand einnehme, mit der andern ausgeben.“ Albano ſchwieg dazu, weil er am Fürſten keinen Antheil neh¬ men konnte. Deſto mehr erquickt' er ſich mit friſcher klarer Freude, am offnen wehenden Orient der früheſten Lebenstage, an dem Bli¬ cke auf dieſe junge reine Blume, die gleichſam in und aus der hellen friſchen Quelle ſeiner Kindheit wuchs und ſpielte. „Aber Himmel! erkläre mir (fieng Albano an) wie alles zugieng.“ — „Jetzt, weiß ich, hebt das Fragen an (verſetzte ſie). Die oſten¬ ſible Hauptſumme ſollſt Du kurz haben — fragſt Du nach mehr, willſt Du ins Geheimbuch gu¬ cken, ſo ſchlag' ichs zu und ſage Dir einige Titan IV. K

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/157>, abgerufen am 07.05.2024.