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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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nicht den Mich, den reinen, intellektuellen
Mich, den Gott der Götter -- Wie oft hab'
ich nicht schon meinen Namen verändert wie
mein Namens- und Thaten-Vetter Sciop¬
pius
oder Schoppe und wurde jährlich ein
Anderer, aber noch setzt mir der reine Ich merk¬
bar nach. Man sieht das am besten auf Rei¬
sen, wenn man seine Beine anschauet und sie
schreiten sieht und hört und dann fragt, wer
marschirt doch da unten so mit? -- Ewig re¬
det er ja mit mir; sollt' er einmal leibhaftig
vor mir auffahren; dann wär' ich nicht der
letzte, der schwach würde und todtenblaß. Frei¬
lich braucht kein Hund Zahnpulver. Aber Kin¬
der sollte man schminken, es stände und gien¬
ge. Ich für meinen Theil beobachte das Zeit¬
alter so so und lächle, weil ich nichts sage;
man bricht Menschen wie Servietten auf Tel¬
lern in schönste, vielste Formen, zu Schlafmü¬
tzen, zu Pyramiden, zu Kreuzschnäbeln, Sap¬
perment, Albano, zu was denn nicht? Aber
die Folge, Bruder? -- O Himmel die Folge?
Ich sage nichts, verflucht, ich bin mausstill wie
wenige -- aber Zeiten können kommen, wo et¬

nicht den Mich, den reinen, intellektuellen
Mich, den Gott der Götter — Wie oft hab'
ich nicht ſchon meinen Namen verändert wie
mein Namens- und Thaten-Vetter Sciop¬
pius
oder Schoppe und wurde jährlich ein
Anderer, aber noch ſetzt mir der reine Ich merk¬
bar nach. Man ſieht das am beſten auf Rei¬
ſen, wenn man ſeine Beine anſchauet und ſie
ſchreiten ſieht und hört und dann fragt, wer
marſchirt doch da unten ſo mit? — Ewig re¬
det er ja mit mir; ſollt' er einmal leibhaftig
vor mir auffahren; dann wär' ich nicht der
letzte, der ſchwach würde und todtenblaß. Frei¬
lich braucht kein Hund Zahnpulver. Aber Kin¬
der ſollte man ſchminken, es ſtände und gien¬
ge. Ich für meinen Theil beobachte das Zeit¬
alter ſo ſo und lächle, weil ich nichts ſage;
man bricht Menſchen wie Servietten auf Tel¬
lern in ſchönſte, vielſte Formen, zu Schlafmü¬
tzen, zu Pyramiden, zu Kreuzſchnäbeln, Sap¬
perment, Albano, zu was denn nicht? Aber
die Folge, Bruder? — O Himmel die Folge?
Ich ſage nichts, verflucht, ich bin mausſtill wie
wenige — aber Zeiten können kommen, wo et¬

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[438/0450] nicht den Mich, den reinen, intellektuellen Mich, den Gott der Götter — Wie oft hab' ich nicht ſchon meinen Namen verändert wie mein Namens- und Thaten-Vetter Sciop¬ pius oder Schoppe und wurde jährlich ein Anderer, aber noch ſetzt mir der reine Ich merk¬ bar nach. Man ſieht das am beſten auf Rei¬ ſen, wenn man ſeine Beine anſchauet und ſie ſchreiten ſieht und hört und dann fragt, wer marſchirt doch da unten ſo mit? — Ewig re¬ det er ja mit mir; ſollt' er einmal leibhaftig vor mir auffahren; dann wär' ich nicht der letzte, der ſchwach würde und todtenblaß. Frei¬ lich braucht kein Hund Zahnpulver. Aber Kin¬ der ſollte man ſchminken, es ſtände und gien¬ ge. Ich für meinen Theil beobachte das Zeit¬ alter ſo ſo und lächle, weil ich nichts ſage; man bricht Menſchen wie Servietten auf Tel¬ lern in ſchönſte, vielſte Formen, zu Schlafmü¬ tzen, zu Pyramiden, zu Kreuzſchnäbeln, Sap¬ perment, Albano, zu was denn nicht? Aber die Folge, Bruder? — O Himmel die Folge? Ich ſage nichts, verflucht, ich bin mausſtill wie wenige — aber Zeiten können kommen, wo et¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/450>, abgerufen am 29.04.2024.