Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

nun seiner Phantasie mit fürchterlichen Höllen-
Kräften und Waffen nach unten erschienen, auf
einem Throne des Abgrunds sitzend. --

Desto milder umfloß ihn nun, als er in
Dians Hause war, die stillere Gegenwart, der
Gedanke des ruhenden Freundes, der Anblick
des nahen Traum-Tempels, wo Liane einmal
Idoine gewesen, und die Verkündigung, daß
das Ebenbild der Geliebten nahe. Er mahlte
sich den süßen und bittern Schrecken ihrer Er¬
scheinung vor ihm; denn wie in dem Strome
die hinübergebogne Blume nicht nur ihr Bild,
auch ihren Schatten entwirft, so ist sie Lia¬
nens schönes Bild und Schatten zugleich --
und in der Lebendigen würde ihm eine Ver¬
lohrne und eine Verklärte zugleich erscheinen.

Unter diesem träumerischen Helldunkel und
Abendroth, aus Vergangenheit und Zukunft zu¬
sammengeflossen, kam er in sein Haus zurück.
Ein scharfer Blitzstrahl schlug weiß über das
träumerische Roth, sein Schoppe war nach we¬
nigen Minuten des Zwangschlafs wild aufge¬
fahren und wahnsinnig entsprungen, niemand

wußte

nun ſeiner Phantaſie mit fürchterlichen Höllen-
Kräften und Waffen nach unten erſchienen, auf
einem Throne des Abgrunds ſitzend. —

Deſto milder umfloß ihn nun, als er in
Dians Hauſe war, die ſtillere Gegenwart, der
Gedanke des ruhenden Freundes, der Anblick
des nahen Traum-Tempels, wo Liane einmal
Idoine geweſen, und die Verkündigung, daß
das Ebenbild der Geliebten nahe. Er mahlte
ſich den ſüßen und bittern Schrecken ihrer Er¬
ſcheinung vor ihm; denn wie in dem Strome
die hinübergebogne Blume nicht nur ihr Bild,
auch ihren Schatten entwirft, ſo iſt ſie Lia¬
nens ſchönes Bild und Schatten zugleich —
und in der Lebendigen würde ihm eine Ver¬
lohrne und eine Verklärte zugleich erſcheinen.

Unter dieſem träumeriſchen Helldunkel und
Abendroth, aus Vergangenheit und Zukunft zu¬
ſammengefloſſen, kam er in ſein Haus zurück.
Ein ſcharfer Blitzſtrahl ſchlug weiß über das
träumeriſche Roth, ſein Schoppe war nach we¬
nigen Minuten des Zwangſchlafs wild aufge¬
fahren und wahnſinnig entſprungen, niemand

wußte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0492" n="480"/>
nun &#x017F;einer Phanta&#x017F;ie mit fürchterlichen Höllen-<lb/>
Kräften und Waffen nach unten er&#x017F;chienen, auf<lb/>
einem Throne des Abgrunds &#x017F;itzend. &#x2014;</p><lb/>
          <p>De&#x017F;to milder umfloß ihn nun, als er in<lb/>
Dians Hau&#x017F;e war, die &#x017F;tillere Gegenwart, der<lb/>
Gedanke des ruhenden Freundes, der Anblick<lb/>
des nahen Traum-Tempels, wo Liane einmal<lb/>
Idoine gewe&#x017F;en, und die Verkündigung, daß<lb/>
das Ebenbild der Geliebten nahe. Er mahlte<lb/>
&#x017F;ich den &#x017F;üßen und bittern Schrecken ihrer Er¬<lb/>
&#x017F;cheinung vor ihm; denn wie in dem Strome<lb/>
die hinübergebogne Blume nicht nur ihr <hi rendition="#g">Bild</hi>,<lb/>
auch ihren <hi rendition="#g">Schatten</hi> entwirft, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie Lia¬<lb/>
nens &#x017F;chönes Bild und Schatten zugleich &#x2014;<lb/>
und in der Lebendigen würde ihm eine Ver¬<lb/>
lohrne und eine Verklärte zugleich er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
          <p>Unter die&#x017F;em träumeri&#x017F;chen Helldunkel und<lb/>
Abendroth, aus Vergangenheit und Zukunft zu¬<lb/>
&#x017F;ammengeflo&#x017F;&#x017F;en, kam er in &#x017F;ein Haus zurück.<lb/>
Ein &#x017F;charfer Blitz&#x017F;trahl &#x017F;chlug weiß über das<lb/>
träumeri&#x017F;che Roth, &#x017F;ein Schoppe war nach we¬<lb/>
nigen Minuten des Zwang&#x017F;chlafs wild aufge¬<lb/>
fahren und wahn&#x017F;innig ent&#x017F;prungen, niemand<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wußte<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0492] nun ſeiner Phantaſie mit fürchterlichen Höllen- Kräften und Waffen nach unten erſchienen, auf einem Throne des Abgrunds ſitzend. — Deſto milder umfloß ihn nun, als er in Dians Hauſe war, die ſtillere Gegenwart, der Gedanke des ruhenden Freundes, der Anblick des nahen Traum-Tempels, wo Liane einmal Idoine geweſen, und die Verkündigung, daß das Ebenbild der Geliebten nahe. Er mahlte ſich den ſüßen und bittern Schrecken ihrer Er¬ ſcheinung vor ihm; denn wie in dem Strome die hinübergebogne Blume nicht nur ihr Bild, auch ihren Schatten entwirft, ſo iſt ſie Lia¬ nens ſchönes Bild und Schatten zugleich — und in der Lebendigen würde ihm eine Ver¬ lohrne und eine Verklärte zugleich erſcheinen. Unter dieſem träumeriſchen Helldunkel und Abendroth, aus Vergangenheit und Zukunft zu¬ ſammengefloſſen, kam er in ſein Haus zurück. Ein ſcharfer Blitzſtrahl ſchlug weiß über das träumeriſche Roth, ſein Schoppe war nach we¬ nigen Minuten des Zwangſchlafs wild aufge¬ fahren und wahnſinnig entſprungen, niemand wußte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/492
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/492>, abgerufen am 16.05.2024.