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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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zu gewinnen" und wandte sich an seine Schwe¬
ster, als woll' er dadurch diesem Worte einen
vieldeutigern Sinn verwehren.

Das Todtengeläute dauerte fort. Die selt¬
same, frohe und trübe Vermischung der irdi¬
schen Schicksale gab allen eine feierliche und
freie Stimmung Albine und Rabette kamen
herauf, festlich dunkel gekleidet zum Gange in
die Begräbnißkirche. Julienne theilte sich zwi¬
schen zwei Brüder und nie hob sich ihr Herz
romantischer auf, das zugleich in Thränen und
in Flammen stand. Sie errieth, wie über ih¬
ren Bruder Albano ihre Freundin Idoine den¬
ke, an der sie eine festere Stimme kannte als
die heutige war und deren süße Verwirrung
ihr am leichtesten aus dem kurzen Berichte klar
wurde, den ihr die offne Seele von dem Wie¬
dersehen Albano's in Lianens Garten gemacht;
auch das kleine jungfräuliche Zurückzittern ih¬
res heutigen Stolzes, da sie sich hier überall
für eine auferstandene Liane, diese Geliebte
des Jünglings, verlegen mußte gehalten fin¬
den, machte Juliennen nicht irrer, sondern ge¬
wisser.

zu gewinnen“ und wandte ſich an ſeine Schwe¬
ſter, als woll' er dadurch dieſem Worte einen
vieldeutigern Sinn verwehren.

Das Todtengeläute dauerte fort. Die ſelt¬
ſame, frohe und trübe Vermiſchung der irdi¬
ſchen Schickſale gab allen eine feierliche und
freie Stimmung Albine und Rabette kamen
herauf, feſtlich dunkel gekleidet zum Gange in
die Begräbnißkirche. Julienne theilte ſich zwi¬
ſchen zwei Brüder und nie hob ſich ihr Herz
romantiſcher auf, das zugleich in Thränen und
in Flammen ſtand. Sie errieth, wie über ih¬
ren Bruder Albano ihre Freundin Idoine den¬
ke, an der ſie eine feſtere Stimme kannte als
die heutige war und deren ſüße Verwirrung
ihr am leichteſten aus dem kurzen Berichte klar
wurde, den ihr die offne Seele von dem Wie¬
derſehen Albano's in Lianens Garten gemacht;
auch das kleine jungfräuliche Zurückzittern ih¬
res heutigen Stolzes, da ſie ſich hier überall
für eine auferſtandene Liane, dieſe Geliebte
des Jünglings, verlegen mußte gehalten fin¬
den, machte Juliennen nicht irrer, ſondern ge¬
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[559/0571] zu gewinnen“ und wandte ſich an ſeine Schwe¬ ſter, als woll' er dadurch dieſem Worte einen vieldeutigern Sinn verwehren. Das Todtengeläute dauerte fort. Die ſelt¬ ſame, frohe und trübe Vermiſchung der irdi¬ ſchen Schickſale gab allen eine feierliche und freie Stimmung Albine und Rabette kamen herauf, feſtlich dunkel gekleidet zum Gange in die Begräbnißkirche. Julienne theilte ſich zwi¬ ſchen zwei Brüder und nie hob ſich ihr Herz romantiſcher auf, das zugleich in Thränen und in Flammen ſtand. Sie errieth, wie über ih¬ ren Bruder Albano ihre Freundin Idoine den¬ ke, an der ſie eine feſtere Stimme kannte als die heutige war und deren ſüße Verwirrung ihr am leichteſten aus dem kurzen Berichte klar wurde, den ihr die offne Seele von dem Wie¬ derſehen Albano's in Lianens Garten gemacht; auch das kleine jungfräuliche Zurückzittern ih¬ res heutigen Stolzes, da ſie ſich hier überall für eine auferſtandene Liane, dieſe Geliebte des Jünglings, verlegen mußte gehalten fin¬ den, machte Juliennen nicht irrer, ſondern ge¬ wiſſer.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/571>, abgerufen am 29.04.2024.