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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stühle,
Das antecedens ist falsch/ und das consequens hincket.
Ob unsere
Geistliche
die Sünden
vergeben
können, weil
diese Macht
Allein vielleicht gehet dieser Schluß an: Die Macht Sün-
de zu vergeben/ stehet in der Schrifft bey dem Befehl/ das
Evangelium zu predigen. Weil nun unsere Geistlichen pre-
digen dürffen und sollen/ so muß man ihnen auch die Macht
Sünde zu vergeben einräumen b). Jch sage aber nein da-

zu.
den binden werdet &c.? Was vor diesen Worten hergehet, han-
delt von der brüderlichen Bestraffung. Von der Macht der Kir-
chen kan ich nichts erblicken. Da nun der Grund darnieder gerissen,
so fället auch das darauf gebaute Gebäude darnieder, nehmlich
die Apostel wären hier als Diener der Gemeinde anzusehen.
Jch will vorjetzo nichts gedencken, daß es noch gar zweiffelhafft,
ob das Amt der Schlüssel, die Vergebung der Sünden andeute.
Jch habe schon oben etwas von der gegenseitigen Meynung bey-
gebracht. Jch erwehne vorjetzo nur, daß die Schrifftstellen, so Herr
Löber in vorhergehenden Worten anführet, zwar ausweisen, daß
sich die Apostel Diener der Gemeinde genennet; allein davon hat
niemand jemahls gestritten. Der Grund der gantzen Strittig-
keit kommt darauf an: Ob die Apostel, da ihnen Christus
die Macht Sünde zu vergeben mitgetheilet, als Diener der
Gemeinde anzusehen sind?
Hierzu sage ich nein, biß man mir
das Gegentheil beweiset, welches meines Wissens bißanhero nie-
mand gethan.
b) Die Macht
Sünde zu ver-
geben ist mit
der Predigt des
Evangelii ver-
knüpfft.
Dieses ist abermahls des Herrn Löbers Meinung, denn so fäh-
ret er cit. l. fort: Cumque collatione locorum Marc. XVI, 15. 16.
Luc. XXIV, 47. Joh. XX, 23. etiam comprobetur, hanc potesta-
tem cum evangelii praedicatione conjunctam esse, & ecclesia jure
vocandi ministros verbi gaudeat, conf. Actor. I, 15. seq. XIV, 23.
2. Tim. II, 2. Tit. I, 5. 7. &c. patet jure diuino omnibus ministris
ecclesiae hanc potestatem esse communem.
Wie wohl gegrün-
det dieses sey oder nicht, wird folgende Anmerckung weisen. Je-
tzo erinnere ich nur, daß ich in dem XXIV. Capitel Lucae, vers. 47.
nichts von der Vergebung der Sünden gefunden, ob es gleich
ein Locus parellelus mit Matth. XVIII. seyn soll.
c) Denn

I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,
Das antecedens iſt falſch/ und das conſequens hincket.
Ob unſere
Geiſtliche
die Suͤnden
vergeben
koͤnnen, weil
dieſe Macht
Allein vielleicht gehet dieſer Schluß an: Die Macht Suͤn-
de zu vergeben/ ſtehet in der Schrifft bey dem Befehl/ das
Evangelium zu predigen. Weil nun unſere Geiſtlichen pre-
digen duͤrffen und ſollen/ ſo muß man ihnen auch die Macht
Suͤnde zu vergeben einraͤumen b). Jch ſage aber nein da-

zu.
den binden werdet &c.? Was vor dieſen Worten hergehet, han-
delt von der bruͤderlichen Beſtraffung. Von der Macht der Kir-
chen kan ich nichts erblicken. Da nun der Grund darnieder geriſſen,
ſo faͤllet auch das darauf gebaute Gebaͤude darnieder, nehmlich
die Apoſtel waͤren hier als Diener der Gemeinde anzuſehen.
Jch will vorjetzo nichts gedencken, daß es noch gar zweiffelhafft,
ob das Amt der Schluͤſſel, die Vergebung der Suͤnden andeute.
Jch habe ſchon oben etwas von der gegenſeitigen Meynung bey-
gebracht. Jch erwehne vorjetzo nur, daß die Schrifftſtellen, ſo Herr
Loͤber in vorhergehenden Worten anfuͤhret, zwar ausweiſen, daß
ſich die Apoſtel Diener der Gemeinde genennet; allein davon hat
niemand jemahls geſtritten. Der Grund der gantzen Strittig-
keit kommt darauf an: Ob die Apoſtel, da ihnen Chriſtus
die Macht Suͤnde zu vergeben mitgetheilet, als Diener der
Gemeinde anzuſehen ſind?
Hierzu ſage ich nein, biß man mir
das Gegentheil beweiſet, welches meines Wiſſens bißanhero nie-
mand gethan.
b) Die Macht
Suͤnde zu ver-
geben iſt mit
der Predigt des
Evangelii ver-
knuͤpfft.
Dieſes iſt abermahls des Herrn Loͤbers Meinung, denn ſo faͤh-
ret er cit. l. fort: Cumque collatione locorum Marc. XVI, 15. 16.
Luc. XXIV, 47. Joh. XX, 23. etiam comprobetur, hanc poteſta-
tem cum evangelii prædicatione conjunctam eſſe, & eccleſia jure
vocandi miniſtros verbi gaudeat, conf. Actor. I, 15. ſeq. XIV, 23.
2. Tim. II, 2. Tit. I, 5. 7. &c. patet jure diuino omnibus miniſtris
eccleſiæ hanc poteſtatem eſſe communem.
Wie wohl gegruͤn-
det dieſes ſey oder nicht, wird folgende Anmerckung weiſen. Je-
tzo erinnere ich nur, daß ich in dem XXIV. Capitel Lucæ, vers. 47.
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ein Locus parellelus mit Matth. XVIII. ſeyn ſoll.
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[150/0169] I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle, Das antecedens iſt falſch/ und das conſequens hincket. Allein vielleicht gehet dieſer Schluß an: Die Macht Suͤn- de zu vergeben/ ſtehet in der Schrifft bey dem Befehl/ das Evangelium zu predigen. Weil nun unſere Geiſtlichen pre- digen duͤrffen und ſollen/ ſo muß man ihnen auch die Macht Suͤnde zu vergeben einraͤumen b). Jch ſage aber nein da- zu. (a) Ob unſere Geiſtliche die Suͤnden vergeben koͤnnen, weil dieſe Macht b) Dieſes iſt abermahls des Herrn Loͤbers Meinung, denn ſo faͤh- ret er cit. l. fort: Cumque collatione locorum Marc. XVI, 15. 16. Luc. XXIV, 47. Joh. XX, 23. etiam comprobetur, hanc poteſta- tem cum evangelii prædicatione conjunctam eſſe, & eccleſia jure vocandi miniſtros verbi gaudeat, conf. Actor. I, 15. ſeq. XIV, 23. 2. Tim. II, 2. Tit. I, 5. 7. &c. patet jure diuino omnibus miniſtris eccleſiæ hanc poteſtatem eſſe communem. Wie wohl gegruͤn- det dieſes ſey oder nicht, wird folgende Anmerckung weiſen. Je- tzo erinnere ich nur, daß ich in dem XXIV. Capitel Lucæ, vers. 47. nichts von der Vergebung der Suͤnden gefunden, ob es gleich ein Locus parellelus mit Matth. XVIII. ſeyn ſoll. c) Denn (a) den binden werdet &c.? Was vor dieſen Worten hergehet, han- delt von der bruͤderlichen Beſtraffung. Von der Macht der Kir- chen kan ich nichts erblicken. Da nun der Grund darnieder geriſſen, ſo faͤllet auch das darauf gebaute Gebaͤude darnieder, nehmlich die Apoſtel waͤren hier als Diener der Gemeinde anzuſehen. Jch will vorjetzo nichts gedencken, daß es noch gar zweiffelhafft, ob das Amt der Schluͤſſel, die Vergebung der Suͤnden andeute. Jch habe ſchon oben etwas von der gegenſeitigen Meynung bey- gebracht. Jch erwehne vorjetzo nur, daß die Schrifftſtellen, ſo Herr Loͤber in vorhergehenden Worten anfuͤhret, zwar ausweiſen, daß ſich die Apoſtel Diener der Gemeinde genennet; allein davon hat niemand jemahls geſtritten. Der Grund der gantzen Strittig- keit kommt darauf an: Ob die Apoſtel, da ihnen Chriſtus die Macht Suͤnde zu vergeben mitgetheilet, als Diener der Gemeinde anzuſehen ſind? Hierzu ſage ich nein, biß man mir das Gegentheil beweiſet, welches meines Wiſſens bißanhero nie- mand gethan.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/169>, abgerufen am 01.05.2024.